Die Bilanz nach einem dreiviertel Jahr Tempo 30 auf dem gesamten Villinger Innenring fällt durchwachsen aus. Viele Autofahrer tun sich damit schwer, trotz zahlreicher Kontrollen.
Wie die Stadt auf SÜDKURIER-Anfrage mitteilt, wurden bei Tempokontrollen von September 2023 bis Mitte Juni 2024 nicht weniger als rund 10.000 Autofahrer erwischt, die zu schnell unterwegs waren.
Wie viele Einnahmen aus diesen 10.000 Bußgeldern in die Stadtkasse flossen, kann das Bürgeramt allerdings nicht beziffern. Grund: Das entsprechende EDV-Programm kann nicht nach verschiedenen Messstellen unterscheiden, kennt daher nur die Gesamteinnahmen.
Wie groß ist das Problem wirklich?
Dass im Innenring aber Tempo 30 meist nicht eingehalten wird, haben auch weitere Erhebungen des Bürgeramtes ergeben. Im März 2024 hat die Ortspolizeibehörde 20 Tage lang an drei Stellen des Innenrings Verkehrsdaten mit kleinen Messgeräten, so genannten Topo-Boxen, erhoben.

Die Stadt misst zweites Mal
Die im März erhobenen Verkehrsdaten wurden nun mit einer weiteren, zweiten Messung überprüft und ergänzt. Zwischen dem 3. und 11. Juni wurden die Topo-Boxen an denselben Standorten am Romäus-, Benediktiner- und Klosterring erneut angebracht.

Die Auswertung der Juni-Messungen liegt bislang noch nicht vor. Allerdings wurden die März-Daten bereits ausgewertet. Und diese bestätigen den optischen Eindruck. Der Verkehr fließt langsamer im Innenring. Doch mit der Einhaltung von Tempo 30 tun sich viele Autofahrer noch sehr schwer.
So wenige halten sich an die Geschwindigkeit
Zwischen dem 5. und dem 25. März sind an den drei Verkehrsmessgeräten insgesamt knapp 286. 000 Fahrzeuge gemessen worden. Die schlechte Nachricht: Nur 18 bis 27 Prozent haben, je nach Messstelle, Tempo 30 eingehalten. Am Klosterring waren 82 Prozent zu schnell, am Benediktinerring 75 Prozent, am Romäusring 63 Prozent.
Echte Raser sind selten
Die gute Nachricht: Viele Autofahrer haben laut dieser Messung offenbar durchaus verinnerlicht, dass sie vom Gas müssen. Die Masse der Autofahrer, die zu schnell fuhren, bewegten sich im nicht verwarnungspflichtigen Bereich zwischen 30 und 38 Kilometer pro Stunde. Je nach Messstelle waren dies 50 bis 56 Prozent der gemessenen Verkehrsteilnehmer.

Im verwarnungspflichtigen Bereich unterwegs waren 14 bis 23 Prozent der gemessenen Fahrzeuge. Die meisten allerdings lagen dabei zwischen 39 und 50 Kilometer pro Stunde. Die Zahl der echten Raser war nur eine kleine Gruppe. Ein paar einzelne Ausreißer, insgesamt 53, bretterten im Tempo-30-Bereich mit über 70 Stundenkilometer über den Innenring.
Extrem-Raser sind nachts unterwegs
Absoluter Spitzenreiter war ein Autofahrer, der am Klosterring in der Nacht auf Sonntag, 10. März, um 1.44 Uhr mit 118 Kilometer pro Stunde durch die Stadt heizte. Wäre er in eine Verkehrskontrolle geraten, würden ihm ein Bußgeld von 800 Euro, drei Monate Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg blühen.
Auf Rang zwei lag ein Verkehrsteilenehmer, der es am Samstag, 23. März, morgens um 7.24 Uhr auf 114 Kilometer pro Stunde auf dem Romäusring brachte.
Stadt: Tempo 30 hat sich bewährt
Aus Sicht der Stadtverwaltung hat sich die Anordnung von Tempo 30 im Innenring nach bisherigen Erkenntnissen bewährt. Die Maßnahme habe „zu einer Verstetigung der Fahrgeschwindigkeit“ geführt. Der vorangegangene „Flickenteppich“ verschiedener Tempolimits sei dadurch geschlossen und die Verkehrsführung „einfacher und überschaubarer“ geworden. „Negative Rückmeldungen sind nicht bekannt“, heißt es vonseiten des Bürgeramtes.
Positive Rückmeldungen sind indes von Anwohnern des Innenrings zu hören. Sie sagen pauschal, dass sich der Verkehrslärm im Innenstadtbereich mit durchgängigem Tempo 30 deutlich beruhigt habe.
Das sagen Anwohner am Innenring
„Gut, dass der Flickenteppich vorbei ist“, sagt auch Klaus Meusel, der mit seiner Frau Patricia am Benediktinerring wohnt. Nach den beiden tödlichen Motorradunfällen vor sechs Jahren haben sie sich öffentlich für mehr Verkehrssicherheit auf dem Innenring engagiert. Das Ehepaar hat durchaus den Eindruck, dass mit Tempo 30 inzwischen etwas langsamer gefahren wird. Das Hochbeschleunigen an der Ampel vor dem Oberen Tor habe nachgelassen.
Warnung vor neuen Gefahren
Die Reduzierung der Fahrbahn auf eine Spur beim Fußgängerüberweg in Höhe des Montessori-Kindergartens sehen die Eheleute Meusel zwiespältig. Einerseits gebe es jetzt keine zweispurigen Rennen mehr in die Linkskurve des Benediktinerrings. Andererseits sorgt die Verengung auf eine Fahrspur nach Beobachtung von Patricia Meusel für neue Gefahren.

Die Verkehrsteilnehmer auf der linken Spur drücken nach ihrer Beobachtung regelmäßig, oft lautstark hupend, auf die rechte Spur. Sie warnt: „Das ist eine gefährliche Stelle geworden. Und das unmittelbar beim Kindergarten.“ Die Anwohnerin wünscht sich dort eine bessere Lösung.
Nötig sei auch, die Autofahrer, vor allem die Einbieger von der Mönchweilerstraße, frühzeitiger darauf hinzuweisen, dass der Innenring auf eine Spur verengt wird, um das wilde Gerangel vor der Engstelle zu entschärfen. Sinnvoll, so das Ehepaar, könnte nach wie vor ein stationärer Blitzer am Benediktinerring sein.