Im All-inclusive-Urlaub vor zwei Wochen stand Theodor Tümpel jedes Mal mit der kleinen Küchen-Waage am Buffet. 200 Gramm Protein in Form mageren Fleisches, 100 Gramm Gemüse. Kein Gramm zu viel darf auf seinem Teller landen.
Es steht schließlich kurz vor der Peak-Week – so bezeichnen Bodybuilder die Woche vor einem Wettkampf. Die Woche in der der Körper den „letzten Schliff zur Bestform“ bekommt.
Tümpel, 31 Jahre alt, erzählt die Geschichte mit der Waage am Buffet fast so beiläufig, als würde er über das Wetter reden. Seine Frau Antonia lächelt. Sie kennt es inzwischen nicht anders. Ernährung, Sport und eiserner Wille: Das ist es, was seit gut einem Jahr Theodor Tümpels Leben als Bodybuilder bestimmt.
Theodor Tümpel ist einen Meter und 93,5 Zentimeter groß. Sein Gewicht an diesem Morgen beträgt 98 Kilogramm. Sein Körperfettanteil liegt unter sechs Prozent. Er friert jetzt schneller. Je länger die letzte Mahlzeit her ist, desto schwerer fällt es ihm, sich noch zu konzentrieren.
So sieht fast jede Mahlzeit aus
Sechs Mahlzeiten nimmt er täglich ein. Gemüse, mageres Fleisch, manchmal Kohlenhydrate – aber niemals Nudeln, die sind zu schwer zu verdauen -, Haferflocken, manchmal Obst. Jede einzelne Zutat wird aufs Gramm genau abgewogen. Auch das Salz. 14 Gramm isst er davon am Tag.

Vor knapp zwei Jahren, im Oktober 2022, wiegt Tümpel noch 122 Kilogramm. In einem Jahr nimmt er knapp 26 Kilogramm ab. Mit viel Training und noch mehr Disziplin. In der Zeit beginnt er auch mit dem Coaching. Aktuell trainiert er im Leistungszentrum in Trossingen.
Mit Disziplin zum Erfolg
„Der Wettkampf war nicht das Ziel“, sagt er heute. Aber er merkt, wie schnell er Erfolge schaffen kann; mit eisernem Willen und eiserner Disziplin. Bei seinem zweiten Wettkampf wird er Vize-Deutscher-Meister und qualifiziert sich für Nationalmannschaft und damit auch die NABBA-Weltmeisterschaft in Linz. Dort belegt er am Wochenende den siebten Platz.

Vor dem Wettkampf heißt es dann ausruhen. Die Beine hochlegen, im wahrsten Sinne des Wortes. „Die Beine müssen frei sein“, sagt er. Wiegen, aufladen mit ein wenig Kohlenhydraten, damit der definierte Körper noch ein wenig mehr Fülle bekommt. „Kurz vor dem Wettkampf gibt es einen Brownie.“
Kein Sport wie jeder andere
Bodybuilding macht auch mitunter einsam. Einladungen bei Freunden, Essen gehen mit seiner Frau. Alles gestrichen. „Jetzt in der Wettkampfvorbereitung zum Griechen, das geht halt nicht“, sagt Tümpel. „Ich kann ja nicht mit meiner Tupper dasitzen.“
20 Wochen dauern die Vorbereitungen auf einen Wettkampf. „Bodybuilding ist ein sehr egoistischer Sport“, sagt Tümpel. Wenn er nicht in der Wettkampfvorbereitung steckt, trainiert er trotzdem. Viel und oft. Lediglich beim Essen gönnt er sich manchmal eine kleine Lockerung. „In der Off-Season gibt es mal ein free-meal.“ Am liebsten geht er dann zu Subway. Aber auch nicht jeden Tag. „Manchmal einmal die Woche, wenn überhaupt.“
Panther zieht in die Kurstadt
Geboren ist er in Schwenningen. Früher hat er dort Basketball bei den Panthers gespielt. Heute lebt er mit seiner Frau in Bad Dürrheim. „Ich liebe die Ruhe hier, die Kurstadt.“ Er ist gelernter Altenpfleger, nach einem Pädagogik-Studium wird er Lehrer an einer Berufsfachschule. Inzwischen ist er dort stellvertretender Schulleiter.
An seinem Arbeitsplatz sind die Reaktionen durchweg positiv auf seinen Sport. „Die Disziplin finden sie toll“, sagt Tümpel. Woanders kann ihm schon man „so ein Proll“ oder „Bodybuilder sind alle doof“, entgegenschlagen. Tümpel nimmt es gelassen. „Das ist totaler Quatsch.“ Bodybuilding heißt auch, physiologisch und anatomisch die Hintergründe und Zusammenhänge zu kennen und zu verstehen, gibt er ein Beispiel.
„Sport, Krafttraining, die richtige Ernährung, das ist wie Balsam für den Körper“, sagt Tümpel. Das Extreme hingegen, die Wettkampfdiät, das weiß auch Tümpel, ist „nicht immer ganz so gesund“. Von Anabolika und Steroiden, die ja gerne mit dem Sport in Verbindung gebracht werden, ganz zu schweigen.
Der Tag beginnt mit Sport
Die meisten Tage sehen bei Tümpel ähnlich aus. Aufstehen morgens um halb sechs. Dann eine halbe Stunde Cardio im Wohnzimmer. Frühstücken. Posen üben. Zur Schule fahren. Gegen 17 Uhr Abendessen. Dann ins Fitnessstudio. Zehn Minuten Cardio. Zwei Stunden Training. Zehn Minuten Cardio. Posen üben. Dann ist der Tag vorbei.
Insgesamt trainiert er etwa 17 Stunden die Woche, schätzt er. Bodybuilding, sagt Tümpel, ist auch ein mentaler Sport. Die Faustregel, die bei ihnen gilt: 80 Prozent Ernährung. 20 Prozent hartes Training, richtige Technik und Wille.

Ob es Dinge gibt, auf die er nicht gerne verzichtet? Nein, sagt er. Inzwischen nicht mehr. Die Disziplin gehört jetzt zu seinem Leben wie für andere der Kaffee am Morgen.
Aber langsam kann er sich im Gespräch nicht mehr so gut konzentrieren. Es wird Zeit fürs Mittagessen. 200 Gramm Hähnchen, 100 Gramm Brokkoli und 50 Gramm Ananas. Theodor Tümpel lächelt.