Stellen Sie sich vor, Sie wären wieder 13.

Und Sie wären ein Mädchen.

Mitten in der Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden. Da bemerken Sie, dass sich Ihre Unterhose rot verfärbt hat. Dass Sie zum ersten Mal Ihre Tage bekommen. Und natürlich haben Sie weder Binden noch Tampons dabei.

Was nun?

„Heute würde ich wahrscheinlich meine Freundinnen fragen“, sagt Radharani Rajh, die inzwischen 17 Jahre alt ist. „Aber damals: Das wäre mir so peinlich gewesen. Ich hätte nur nach Hause gewollt.“ Im Sekretariat oder bei Lehrerinnen nach Binden oder Tampons zu fragen, das hätte sich Rajh nicht vorstellen können. Nein, wirklich nicht getraut.

Rajh wie auch Rebecca Kreidemeier und Jonathan Kühner sind drei Mitglieder des Jugendgemeinderates (JGR) in VS. Ein Sprachrohr für die hiesige Jugend. Und sie wollen vor allem eins: Themen wie Menstruation oder auch Mobbing, über das man ebenso wenig gern spricht, aus der Tabuzone holen.

Nicht jede Familie hat Geld für Tampons und Binden

Für Ersteres fordern die drei: kostenlose Menstruationsartikel auf den Mädchentoiletten der städtischen Schulen – so wie es sie etwa in Heidelberg oder Ravensburg gibt.

„Das Thema liegt uns auch deshalb am Herzen, weil es durchaus Familien gibt, bei denen das Geld für Tampons und Binden knapp ist. Weil es das monatliche Budget einfach nicht hergibt“, sagt Kreidemeier. „Gerade jetzt, wo alles teurer wird.“ Von „Periodenarmut“ Betroffene blieben dann im schlimmsten Fall der Schule fern.

Und für das zweite Herzensprojekt hat der Jugendgemeinderat auf Instagram eine Anti-Mobbing Kampagne gestartet, um gerade „auch jüngere Schüler zu sensibilisieren“, sagt Rajh.

Den Tätern nicht den Rücken stärken

Auch Workshops, also Anti-Mobbing Trainings, will der Jugendgemeinderat auf die Beine stellen. „Weil es auch darum geht, dass man den Tätern eben nicht den Rücken stärkt und dass man auch sich selbst in die Verantwortung nimmt.“

Menstruation und Mobbing. Auf den ersten Blick sind das typische Jugendthemen, die je nach Perspektive auch etwas trivial anmuten, obwohl sie das keineswegs sind.

Aber: Wie ist es, wenn man solche Themen angeht. Fühlen sich die Jugendlichen in der Stadt ernst genommen? In den Gremien, in der Verwaltung, im Gemeinderat? Haben Sie das Gefühl, auch gehört zu werden?

Gemeinderat neben der Schule

„Im Gemeinderat spüren wir schon, dass die Fraktionen ernst nehmen, was wir sagen“, meint Jonathan Kühner. „Auch wenn es für uns schwierig ist, sich neben der Schule, in die Inhalte jeder Sitzung einzuarbeiten.“

Und was die eigenen Inhalte, die Herzensprojekte angeht?

„Wir trauen uns mehr“

„Da hat sich viel gebessert“, sagt Kreidemeier. „Früher war der Jugendgemeinderat ‚halt da‘. Heute ist er nicht ‚nur da‘, sondern mischt sich ein.“ Denn: „Auch wir trauen uns mehr. Und wir machen von unserem Rede- und Anhörungsrecht auch Gebrauch.“

Erste Testphase gescheitert

Obwohl es mit den beiden Herzensprojekten bisher nur zäh vorangeht. Auf den Instagram-Aufruf des JGR zum Thema Mobbing hatten sich nämlich nur wenige Jugendliche gemeldet und ihre Erfahrungen geteilt. Dabei: „wollen wir gerade mit anderen dazu ins Gespräch kommen“, sagt Kreidemeier.

Und die erste Testphase zu den kostenlosen Menstruationsartikeln, gestartet an der Karl-Brachat-Realschule, „ist erstmal gescheitert“, gesteht Rajh. „Weil mit den Binden und Tampons nicht gut umgegangen wurde.“ Doch: Aufgeben kommt für die drei nicht in Frage.

Vorbild Heidelberg: In Heidelberg ist 2022 ein Pilotprojekt gestartet. An einigen Standorten in der Stadt, und auch an einer Schule, ...
Vorbild Heidelberg: In Heidelberg ist 2022 ein Pilotprojekt gestartet. An einigen Standorten in der Stadt, und auch an einer Schule, gibt es momentan kostenlos Tampons und Binden. (Symbolbild) | Bild: Uwe Anspach

„Wir arbeiten jetzt an einem neuen Konzept, dass die Schüler für die zweite Testphase aktiv mit einbezieht. Damit es auch ihr Projekt wird“, sagt Rajh. „Aber so ist das eben, wenn man politisch etwas bewirken will: Dinge brauchen ihre Zeit.“