Fußball-Bezirksliga: Es ist ein trister Novembertag in Konstanz. Einer der Sorte, bei denen Landschaftsmalern schnell mal die Farbe Grau ausgeht, sieht man von den wenigen bunten Tupfern ab, die das Herbstlaub beim Konstanzer Waldheim-Sportplatz bietet. Adel Grimm und Veysel Kayantas scheint das nicht zu stören. Die beiden Bezirksliga-Kicker haben sichtlich Spaß, lassen den Ball laufen, flachsen miteinander und necken sich, ehe Veysel den Kollegen Adel fußballerisch adelt: „Du Maschine“ und ein respektvolles „Nein, Du Maschine“ erntet.

Ballwechsel und Shakehands Video: Waibel, Markus

Die schöne Seite des Fußballs

Man könnte meinen, die beiden wären seit Kinderzeiten die besten Kumpels. Mit Blutsbrüderschaft, gemeinsamen Ferienlagern, durchgefeierten Nächten und dem ganzen Zeugs. Nein. „Man kennt und schätzt sich durch den Fußball. Auch wenn wir Gegner sind“, erklärt Kayantas. So ist er, der Fußball. Ein Sport, der Menschen auf der ganzen Welt begeistert, sie vereint, der Brücken schlägt und Gräben überwindet.

Der Ball läuft! Video: Waibel, Markus

Die hässliche Fratze des Fußballs

Anfang November vergangenen Jahres hat dieser Sport hier am Waldheim sein anderes Gesicht gezeigt. Seine hässliche Fratze, die immer wieder mal zum Vorschein kommt. Die Mannschaft von Adel Grimm, der SC Konstanz-Wollmatingen, war damals Gastgeber für den FC Anadolu Radolfzell, das Team von Veysel Kayantas. 69 Minuten nur dauerte die Partie, abgebrochen vom Schiedsrichter nach Tumulten und Handgreiflichkeiten auf dem Platz zwischen Spielern und Zuschauern. In der nicht enden wollenden Verlängerung ohne Spieler und Ball kämpften Funktionäre beider Vereine gegeneinander, die Rolle des Schiedsrichters musste das Sportgericht des Fußball-Bezirks übernehmen.

Boykott im Rückspiel

Ernsthaft verletzt wurde zum Glück niemand an diesem Tag. Schaden wurde aber sehr wohl angerichtet. „Es ist schlimm, dass durch das Verhalten Einzelner alle anderen – und natürlich der Fußball – leiden müssen“, sagt Adel Grimm, Kapitän der Konstanzer, die nach den Vorfällen im November 2018 das Rückspiel Ende der vergangenen Saison boykottiert haben und nicht in Radolfzell angetreten sind. „Ich hätte gerne gespielt. Aber es war eine demokratische Entscheidung der Mannschaft. Das muss man akzeptieren“, stellt der 32-jährige Kapitän klar, lässt aber auch nicht aus, dass es vielleicht besser wäre, „wenn nach solchen Vorfällen die Spieler beider Vereine direkt aufeinander zugehen würden“.

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Endgültiger Schlussstrich

Auch Veysel Kayantas bedauert, dass damals nicht gespielt wurde. „Die beiden, die damals Auslöser für das Ganze waren, haben sich irgendwann mal zufällig beim Friseur getroffen und ausgesprochen. Danach war eigentlich alles wieder in Ordnung. Doch für die beiden Vereine ist es gut, dass wir am Wochenende endlich gegeneinander spielen, um endgültig einen Schlussstrich ziehen so können“, hofft der Radolfzeller, der an der Konstanzer Fachhochschule studiert.

„Es ist gut, dass wir am Wochenende gegeneinander spielen, um endlich einen Schlussstrich ziehen zu können!“
Veysel Kayantas, Spieler des FC Anadolu Radolfzell
Bild 1: Anadolu gegen Konstanz-Wollmatingen: Adel Grimm und Veysel Kayantas über das erste Duell nach dem Spielabbruch 2018
Bild: FC Anadolu Radolfzell

Dass das Spiel am Sonntagnachmittag ein friedliches Ende finden wird, davon sind beide überzeugt. „So etwas darf nicht mehr und wird auch nicht mehr geschehen“, glaubt Adel Grimm. Und auch Veysel Kayantas ist sicher, dass „es fair zugehen wird am Sonntag. Wir Fußballer müssen Respekt voreinander haben“. Dass das in diesem Sport nicht immer der Fall ist, wissen beide. „Fußball ist voller Emotionen“, versucht sich Adel Grimm an einer Erklärung, „und manchmal hat der eine oder andere diese Emotionen nicht im Griff. Aber die Grenze zu überschreiten und jemanden zu schlagen, das darf niemals passieren.“ Sein Freund an diesem Tag und Gegner am Sonntag pflichtet ihm bei: „Wer seine Aggressionen ausleben will, soll Kampfsport machen“, meint Veysel Kayantas, „der hat im Fußball nichts zu suchen.“

„Die Grenze zu überschreiten und jemanden zu schlagen, das darf nie passieren!“
Adel Grimm, Kapitän des SC Konstanz-Wollmatingen
Bild 2: Anadolu gegen Konstanz-Wollmatingen: Adel Grimm und Veysel Kayantas über das erste Duell nach dem Spielabbruch 2018
Bild: privat

Entschieden verurteilen beide Kicker auch die Attacken auf Schiedsrichter. „Das geht gar nicht. Im Amateurfußball haben die sowieso einen undankbaren Job. Bei all den Beleidigungen wundert es mich ehrlich gesagt, dass noch nie ein Schiedsrichter zugeschlagen hat“, meint Grimm und erntet zustimmendes Nicken von Veysel Kayantas.

Wünsche für das Spiel am Sonntag Video: Waibel, Markus

Drei Wünsche gefällig? „Ja klar“, sagt Adel Grimm. „Schönes Wetter am Sonntag, ein faires Spiel und drei Punkte für uns.“ Dem schließt sich Veysel Kayantas an. „Bis auf das Ergebnis natürlich“, meint der Anadolu-Kicker mit einem breiten Grinsen und verabschiedet sich mit einer Umarmung und einem festen Händedruck vom Konstanzer Kapitän, den er kennt und schätzt durch den Fußball – ein Sport, der so einfach und so schön sein kann.

Handschlag nach dem Treffen am Waldheim: Adel Grimm (links) und Veysel Kayantas.
Handschlag nach dem Treffen am Waldheim: Adel Grimm (links) und Veysel Kayantas.

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Rund um das Spiel in Radolfzell

  • Adel Grimm wurde in Schramberg geboren und ist 33 Jahre alt. 2012 kam er nach Konstanz und begann sein Studium der Elektrotechnik. Zeitgleich schloss er sich dem SC Konstanz-Wollmatingen an und ist inzwischen Kapitän des Fusionsclubs. Grimm ist ledig und selbständiger App-Entwickler.
  • Veysel Kayantas (25) kam im osttürkischen Bingöl auf die Welt. Seit 2003 ist er in Deutschland. Kayantas studiert an der Fachhochschule in Konstanz Wirtschaftsingenieurwesen und spielt nach einem Intermezzo beim 1. FC Rielasingen-Arlen wieder für den FC Anadolu Radolfzell. Beim abgebrochenen Spiel vor einem Jahr in Konstanz war er gesperrt, hat die Vorfälle aber als Zuschauer hautnah miterlebt.
  • Der SC Konstanz-Wollmatingen entstand 2012 durch die Fusion zweier Konstanzer Traditionsvereine. Zum einen der 1900 gegründete FC Konstanz, zum anderen der FC Wollmatingen, dessen Geburtsstunde 1909 geschlagen hat. Neben den Fußballern finden sich beim SC Konstanz-Wollmatingen auch eine Lacrosse-, Tischtennis-, Gymnastik-, Ringtennis- und American-Football-Abteilung.
  • Der FC Anadolu Radolfzell wurde im Jahr 2013 gegründet und zählt damit zu den jüngsten Vereinen des Fußball-Bezirks Bodensee. Bereits nach vier Spielzeiten gelang im Jahr 2017 der Aufstieg in die Bezirksliga. Nach der Trennung von Edgar Gaisser im Oktober dieses Jahres wird der Club wieder von Bülent Babür trainiert. Zurzeit steht der FC Anadolu Radolfzell auf einem Abstiegsplatz.
  • Das Urteil nach dem Spielabbruch: Das Spiel wurde vom Bezirkssportgericht für beide Vereine als verloren gewertet. Hinzu kamen Geldstrafen im dreistelligen Bereich für die Clubs. Als einziger Spieler wurde ein Konstanzer, der inzwischen nicht mehr beim SC spielt, bestraft. Er erhielt eine Sperre von zwölf Spielen.