Tim Bornhauser steht am Siebenmeterpunkt. Der Schiedsrichter pfeift, Bornhauser täuscht an, wirft ... und alles verschwimmt. Geht der Ball rein? Selbstverständlich geht er rein, nur sehen wird man es erst später in dem Film, der den Namen trägt „Handball ist Lebenszeit. Das Wunder von Konstanz“. Michael Elsers Werk beginnt mit der wichtigsten Szene der Saison 2021/22, mit dem Wurf, der den Aufstieg der HSG Konstanz in die 2. Bundesliga besiegelt, und wenn man auch den Einschlag des Balls im Wilhelmshavener Tor nicht sieht, so ist doch jeder Zuschauer bereits emotional gepackt.
Realität schlägt Fantasie
Als zehn Monate früher in Konstanz der Plan reift, einen Film zu drehen über ein Spieljahr, von dem man glaubt, es könne ein erfolgreiches werden, denkt man an „30, vielleicht 45 Minuten“ mit Spielszenen und kurzen Interviews. Dass es ein Finale furioso geben würde, daran verschwendet niemand einen Gedanken. Drei HSG-Tore in den letzten zwei Minuten der gesamten Saison, drei Tore, die nötig sind, um den schon entschwundenen Aufstieg doch noch zu realisieren, drei Tore, die dann tatsächlich fallen – ein solches Drehbuch für einen imaginären Sportfilm wäre überall als viel zu kitschig abgelehnt worden. Aber die Realität schlägt eben manchmal jede Fantasie.
Als Michael Elser sich ans Werk macht, muss er bald erkennen, dass die Fülle des Materials alle Planungen über den Haufen werfen wird. Die HSG erreicht souverän die Aufstiegsrunde und ab sofort wird‘s unkontrollierbar. So viele tolle Gespräche mit den Spielern, die es nicht nur in den Armen haben, sondern auch im Kopf. So viele heitere Sequenzen, etwa mit Busfahrer Thomas Wagner, der sich als „TeWe“ vorstellt und sein Motto erklärt: „Am Spieltag kein Meter rückwärts.“ Wagner fährt im Vorwärtsgang die Halle an oder das Hotel oder den Parkplatz. Ohne Maria Path würden die HSG-Spieler verhungern. Klar, das ist übertrieben, aber was die freundliche Frau alles auf die Teller zaubert, ist beeindruckend. „Ich bin die Mama, die Spieler sind meine Kinder“, sagt Maria. Hinzu kommen Interviews mit Spielern, mit Trainer Jörg Lützelberger, mit Karl-Heinz Schmidhäuser, der als Langzeit-Fan sympathisch die Anhängerschaft der HSG vertritt. Zudem gibt es Eindrücke aus der Kabine und jede Menge Spielszenen.
Am Ende sind es rund zweieinhalb Stunden, die Michael Elser in seiner One-Man-Show als Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzent, als Filmer und Cutter aus einem Rohmaterial von wahrscheinlich über 15 Stunden zusammengestellt hat. Das ist viel Holz für einen Film, aber er richtet sich ja auch an ein Liebhaber-Publikum.
Eine Saison zum Erinnern
Die letzte halbe Stunde gehört dem letzten Spiel. In Wilhelmshaven hatte die HSG schon 26:12 geführt, aber am Ende doch nur 32:27 gewonnen. „Es war ein diffuses Gefühl“, hört man Jörg Lützelberger sagen, „ein Gefühl, das die gesamte Woche bis zum Rückspiel nicht weg ging.“ Dann schien alles verloren, als die Norddeutschen immer weiter davonzogen und schließlich 1:50 Minuten vor Ende 34:27 führten. Drei Tore benötigte die HSG – und das Wunder nimmt seinen Lauf. Leon Grabenstein pariert zweimal, David Knezevic trifft zweimal und wird dann im Gesicht getroffen. Rote Karte für den Gegenspieler, Siebenmeter für die HSG, die Spielzeit ist abgelaufen. Und damit zurück zur Eingangsszene des Films: Tim Bornhauser nimmt sich den Ball, es wird sein letzter Wurf der gesamten Karriere sein, Aufstieg oder ein weiteres Jahre 3. Liga für die HSG, unfassbar. Bornhauser schaltet den Geist aus, verschwindet im Tunnel, ist sich ganz sicher, dass er verwandeln wird – und er trifft. Und Trainer Jörg Lützelberger sagt: „An diese Saison wird man sich lange erinnern.“
Aber sehen Sie selbst! Die HSG Konstanz hat zwar noch keine Daten parat, aber der Film soll laut Otto Eblen „bald in der Schänzlehalle“ gezeigt werden.