Wahrscheinlich hatte Lazarus mehr Blutdruck vor seinem oft zitierten biblischen Comeback als Johannes Zimmermann. 65 Kilogramm wog er vor wenigen Jahren lediglich, ständig war ihm schwindelig. So konnte es nicht weitergehen. Der Arzt ließ ihn schließlich eine Stunde auf dem Ergometer strampeln, las dann die Daten ab – und holte am nächsten Tag Spezialisten in seine Praxis, um das Rad und die Werte zu prüfen. Das Gerät hatte aber einwandfrei gearbeitet, Zimmermanns Blutdruck war tatsächlich irgendwo kurz vor scheintot. „Er empfahl mir dringend, Sport zu machen“, erinnert sich der 36-Jährige mit ruhiger Stimme. Er begann daher wieder zu kicken, für die Gesundheit, eben um mehr Blutdruck zu entwickeln. Und das half.
In der Kreisliga haben viele Spieler Blutdruck, allerdings eher zu viel als zu wenig. Doch so sehr sich Zimmermann auch bemüht, ein Heißsporn wird nicht mehr aus ihm werden. Den Videoaufsager für die Sozialen Netzwerke spricht er routiniert herunter, sagt dann aber auch, dass mehr Euphorie nicht aus ihm herauszuholen sei.
Kein Problem, entscheidend ist nach alter Lehre ja auch auf dem Platz. Johannes Zimmermann ist ein Spieler aus der zweiten Reihe. Einer, dessen Fußballkünste gut, aber eben nicht außergewöhnlich sind. Der dennoch für einen Verein wie die SG Liggeringen-Güttingen wichtiger ist, als es jeder eingekaufte Edeldribbler jeweils sein könnte.

Zimmermann stammt aus Möggingen, hat bei der Spielgemeinschaft der Radolfzeller Teilorte alle Jugendstationen durchlaufen und sich danach in der Zweiten Mannschaft festgespielt, wo eine der wichtigsten Positionen die des Bierbeauftragten ist, der für Vorrat und Kühlung der Getränke nach Training und Spiel verantwortlich ist. Typischer Alltag in der Kreisliga von Kiel bis Konstanz. Alle Positionen außer der zwischen den Torpfosten kann Zimmermann spielen, egal ob in der C- oder B-Klasse. Und er hat noch immer eine bessere Kondition als die meisten seiner Gegen- und auch Mitspieler.
Fußballbegeisterung von Kindesbeinen an
Früher war Michael Zorc sein Idol, vielleicht weil dessen Wesen bei Borussia Dortmund auch nicht das eines Lautsprechers war. Als Kind schmiss er nach dem Unterricht den Schulranzen zu Hause in die Ecke, am Abend stand er meist mit zerrissenen Hosen, kaputten Schuhen und einigen Treffern in der Bolzplatz-Torjägerliste da, allerdings auch ohne Hausaufgaben, weil ihm das Kicken eben wichtiger war. Studieren wollte er ohnehin nicht, stattdessen machte er eine Ausbildung zum Koch.
Seine Frau lernt er bei der Arbeit im Hirschen in Horn kennen
Bei der Arbeit lernte er dann auch seine heutige Frau kennen, die seine Kochkunst als Servicekraft im Hirschen in Horn den Gästen auftischte. Inzwischen haben die beiden einen zehnjährigen Sohn, der die Fußball-Leidenschaft ähnlich auslebt wie es der Papa im gleichen Alter getan hat, dazu zwei siebenjährige Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen, deren Bewegungsdrang ebenfalls ausgeprägt ist. Da ist stoische Ruhe, ein kontrollierter Blutdruck eben, manchmal sogar ein Vorteil.

Er fühlt sich wohl in seinem Fußballerdasein, das er noch einige Jahre fortsetzen möchte. Die Vorbereitung absolvierte er mit der Ersten, die eine Liga höher in der Kreisliga A spielt, eine Bänderverletzung zwingt ihn aktuell aber zu einer Zwangspause. „Mir gefällt es hier, ein Vereinswechsel war nie ein Thema“, sagt Zimmermann, der inzwischen als Groß- und Einzelhandelskaufmann bei der Radolfzeller Weinhändlung „Josef Mayer“ arbeitet.
Sekunden fehlten zum ersten Einsatz für die Erste Mannschaft
Aber hat es ihn nie gereizt, die Reservemannschaft hinter sich zu lassen, bei einer Ersten zu spielen, die ja stets das Gros der Aufmerksamkeit in jedem Verein einnimmt? „Früher vielleicht“, sagt Zimmermann. „Heute nicht mehr. Die haben auch immer mehr Druck, als wir in der Zweiten.“ Oder doch? Er schweigt kurz und erzählt dann, wie er vor wenigen Wochen beinahe doch noch zu einem Einsatz für die Erste Mannschaft gekommen wäre.

Es war das Achtelfinale im Bezirkspokalspiel gegen den FC Bodman-Ludwigshafen am 6. Oktober. Den Platzherren fehlten etliche Spieler, sodass Akteure aus der Zweiten Mannschaft aushelfen mussten. 2:1 stand es für die SG Liggeringen-Güttingen, kurz vor Schluss stand Zimmermann bereits zur Einwechselung bereit, doch Schiedsrichter Jan Burgenmeister aus Uhldingen pfiff früher ab als gedacht und so blieb es beim Status als ewiger Reservespieler.
Dass Zimmermanns Puls damals merklich zugelegt hatte, ist wohl nur ein Gerücht.