Am Ende waren die Nerven zum Zerreißen gespannt. Schiedsrichter Steffen Fante spannte die Anhänger des SV Blau-Weiß Murg geschlagene sieben Minuten auf die Folter, bis er seiner Pfeife den erlösenden Schlusspfiff entlockte.
Dann fluteten die blau-weißen Anhänger den Platz, Musik in infernalischer Lautstärke erfüllte die Breitematt und beim zahlenmäßig scheinbar überlegenen Anhang des FC Hauingen kehrte urplötzlich Ruhe ein.
„Wir sind die letzten Opfer der Auswärtstor-Regel“, suchte Trainer Mick Fahr eine Erklärung für das Scheitern seiner Elf in den Aufstiegsspielen.
Aufstieg zur Fußball-Bezirksliga
Mit einem 3:2-Vorsprung war die Elf aus dem Lörracher Wiesental-Dorf angereist. Doch es reichte nicht. Die beiden Murger Treffer im Hinspiel machten am Ende den Unterschied.
Entsprechend fand Giuseppe Stabile fast unmittelbar nach dem Schlusspfiff tröstende Worte für den Gast: „Wir waren die Glücklicheren. Die Hauinger hätten den Aufstieg sicher auch verdient. Letztlich war es viel die Leidenschaft, die den Ausschlag für uns gegeben hat.“
Stabile litt über 90 Minuten am Spielfeldrand: „Das war abartig emotional, hart an der Grenze. Es ist unbeschreiblich und war wahnsinnig spannend – auch schon das Hinspiel“, atmete er tief durch, als klar war, dass seine Serie bestehen bleibt. Zum vierten Mal gelang ihm als Spieler oder Trainer nun ein Aufstieg via Relegation.

Nicht weniger glücklich war der 26-jährige Alija Kapidzja, der gemeinsam mit Stabile als Trainer fungiert: „Unglaublich – in meinem ersten Jahr gleich den Aufstieg zu schaffen.“
Nach seiner Verletzung hätte er eigentlich pausieren sollen, doch es juckte ihn zu sehr.

70 Minuten hielt er durch, hatte schon nach zehn Minuten per Foulelfmeter – Erwin Suppes hatte Francesco Lo Presti gefoult – für die Führung gesorgt.
Ob Alija Kapidzija den SV BW Murg allerdings auch in die Bezirksliga begleitet ist Stand heute noch offen: „Es gibt Gespräche mit dem FV Lörrach-Brombach, ob ich dort spielender Teil des Trainerteams unter Thorsten Szesniak werde“, denkt er über eine Rückkehr zum Verbandsligisten nach.

Von dort war Kapidzija auch vor einem Jahr zurück nach Murg gekommen: „Entschieden ist noch gar nichts. Ich werde noch ein paar Mal drüber schlafen. Hätten wir den Aufstieg nicht geschafft, wäre ich sicher gegangenen – jetzt sieht die Sache etwas anders für mich aus.“

Mann des Nachmittags war dann aber doch Tolga Polat. Der 41-Jährige wollte schon zur Pause aufs Feld, doch Namensvetter Tolga Kumral hielt ihn noch zurück: „Du wirst das nicht durchhalten“, feixte er verschmitzt und gab erst nach 62 Minuten seinen Segen für den Wechsel.

Zu diesem Zeitpunkt war der Aufstieg verspielt, die Hauinger hatten ihre Aufholjagd in der 56. Minute nach einem Eckball durch den Kopfballtreffer von Thomas Schreiber mit dem 1:1 gekrönt.
Jetzt war Stimmung im Gästebock, Bengalos leuchteten, Chöre wurden angestimmt. In dieser Phase mussten sich die Murger fast wie in einem Auswärtsspiel gefühlt haben.
Und dann kam Tolga Polat. Eine weite Flanke vors Tor wurde von Schlussmann David Vogt ebenso verfehlt, wie von Thomas Schreiber. Tolga Polat siegt hoch und hielt seine blanke Stirn in die Flugbahn – der Rest war unbeschreiblicher Jubel.

Mit seinem Geniestreich weckte er die Murger Lebensgeister wieder und machte aus der lautstarken Hauinger Anfeuerung erst stille Tristesse, die sich aber in trotzige Anfeuerung wandelte.
Das Engagement der Gäste auf den Rängen war enorm. Und gegenüber den Spielern viel leichter, weil im Schatten angenehmer zu singen als in der prallen Sonne zu rennen war.

Spätestens jetzt rächten sich die beiden versemmelten Großchancen von Dennis Wojtynek, der vor der Pause erst völlig frei einen Kopfball (40.) zu harmlos platzierte, um Elvis Gojak ernsthaft zu prüfen und kurz danach mit einem Schuss (44.) an den Pfosten scheiterte.
In der Schlussphase verloren die Angriffe die Dynamik, immer öfter blieben Spieler von Krämpfen geplagt liegen.

Die letzte Großchance bot sich – bereits zehn Minuten vor dem offiziellen Ende – dem als „Joker“ ins Rennen geworfene Hauinger Routinier Roberto Catania.
Seine Volleyabnahme war schön anzusehen, landete aber im Geäst hinter dem Murger Tor. Auf der Gegenseite ließ Jason Cerimi in seinem letzten Spiel für die Murger – nach Vorarbeit von Pasquale Oddo ein letztes Mal die Latte scheppern.
Nach sieben Nachspielminuten – so viele hatte Steffen Fante den Akteuren schon im ersten Durchgang auferlegt – war das Treiben auf dem Platz beendet. Schön war es nicht, was die beiden Kontrahenten in der Murger Hitze den rund 600 Zuschauern geboten hatten.
Zweikämpfe (zu) oft hart an der Grenze
Nahezu jeder Zweikampf endete in einem Foulspiel, hin und wieder agierten Spieler auf beiden Seiten (zu) hart an der Grenze. Auf technische Finessen wurde angesichts der großen Bedeutung des Spiels kaum Wert gelegt.

So lebte die Partie mit ihren neun Gelben Karten – was die andere Farbe angeht, ließ Fante mehr als oft Gnade vor Recht walten – von der Spannung und der Leidenschaft.

Für den SV Blau-Weiß Murg stehen nach den Feierlichkeiten gleich wichtige Tage an. Bis 30. Juni, dann endet die Wechselfrist, sollte die eine oder andere Personalie noch geklärt sein.
Der sichere Weggang von Jason Cerimi und der mögliche Abschied von Alija Kapidzija müssen kompensiert werden, soll dem Aufstieg nicht wie 2015/16 schon ein Jahr später wieder der Abschied folgen.

Beim FC Hauingen wurden indessen die Hausaufgaben schon gemacht: „Die Neuen kommen – unabhängig von der Liga“, so Trainer Mick Fahr zu den Heimkehrern Fabio Kammerer (TuS Efringen-Kirchen) und dem Keller-Trio Max, Moritz und Tobias vom FC Wittlingen.
Und Vorsitzender Peter Schnepf fügte an: „Der Aufstieg war nicht Pflicht. Aber wir haben eine tolle Saison gespielt. Sie wurde leider nicht gekrönt, aber wir haben uns in der Liga den Respekt verdient. Wir freuen uns auf die neue Saison.“