Es ist nichts Verbotenes dabei, sorgt aber für Unmut bei den Landwirten in der Grenzregion: Schweizer Bauern pachten oder kaufen deutsches Land und verkaufen ihre günstig hergestellten Produkte dann zu hohen Preisen in ihrer Heimat.

Ermöglicht wird das mit einem Grenzabkommen aus dem Jahr 1958. Darin ist geregelt, dass Landwirtinnen und Landwirte aus beiden Ländern Waren aus einem zehn Kilometer breiten Grenzstreifen zollfrei ins eigene Land bringen und dort verkaufen können.

Eigentlich war das Abkommen dafür gedacht, Bauern mit Land im Grenzgebiet die Arbeit nicht unnötig kompliziert zu machen, eine Art Bestandsschutz, wenn man so will. Ausgreifende Landnahme, so argumentieren vor allem die Deutschen, war nicht vorgesehen.

Immer mehr deutsche Flächen in Schweizer Händen

Weil die Schweizer Landwirte für ihre deutschen Flächen teilweise EU-Förderungen beantragen können, lässt sich anhand der Förderanträge schätzen, wie der Anteil der deutschen Flächen in Schweizer Hand in den zurückliegenden 20 Jahren zugenommen hat. Nach Angaben des Landratsamtes Waldshut waren das im Jahr 2005 noch 1178 Hektar, 2024 dann 1920 – im Schnitt eine Zunahme von 37 Hektar im Jahr.

Von den insgesamt 39.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen im Kreisgebiet werden demnach etwa fünf Prozent von Schweizern bewirtschaftet. Besonders betroffen ist der Bereich um Stühlingen. In ganz Südbaden sind es etwa 5700 Hektar, die von Schweizern bewirtschaftet werden – das ist eine Fläche von fast 8000 Fußballfeldern.

Das Problem ist lange bekannt

200 bis 250 Schweizer Landwirte bewirtschaften deutschen Boden, schätzt Otmar König vom BLHV. Der größte Teil sei kein Problem, „es sind etwa 30, die aggressiv auftreten“. Das bedeutet: die immer mehr Land jenseits der Grenze kaufen und intensiv nutzen.

Er glaubt, dass politisch nicht gewollt sei, an dieser Situation etwas zu ändern, weil Deutschland dafür Vorteile in anderen Sektoren habe.

Das Problem ist bekannt, das Grenzabkommen immerhin bald 70 Jahre alt. Die Landwirtschaft und ihre Bedingungen haben sich in dieser Zeit massiv verändert, einen europäischen Binnenmarkt gab es anno 1958 noch nicht.

Der grenzübergreifende Landbesitz erklärt sich historisch: Infolge der Weltkriege kamen junge oder verwitwete südbadische Bauernfrauen in die Schweiz und gründeten dort eine Familie – ihr deutscher Besitz ging so auf Schweizer Landwirte über.

Solchen Fällen gilt der Schutz des Abkommens hauptsächlich. Ursprünglich sollten darüber hinaus deutsche Flächen nur an Schweizer verkauft werden dürfen, wenn sich kein einheimischer Käufer findet. Im Jahr 2008 wurden die Eidgenossen aber per Gerichtsurteil gleichgestellt, durften beim Flächenkauf also nicht benachteiligt werden.

Die Situation ist vertrackt

„Die Deutschen haben in puncto Grenzabkommen keine Ahnung“, sagt Artur Jäkle aus Schlatt am Randen. Schweizer Behörden würden im nationalen Interesse auslegen und die deutschen nach vorauseilendem Gehorsam, kritisiert der 57-jährige Landwirt.

Artur-Martin Jäkle.
Artur-Martin Jäkle. | Bild: CDU

Jäkle hat mit zwei Kollegen versucht, den Spieß einmal umzudrehen. Von der Exklave Büsingen aus – Büsinger werden zollrechtlich wie Einwohner der Schweiz behandelt – wollten sie mit ihrem deutschen Unternehmen eidgenössische Einfuhrrechte nutzen. Ein Schweizer Zollbeamter habe ihm damals gesagt, das wäre ja ein Dammbruch. Nach mehrmonatiger Prüfung aber wurde festgestellt: Das geht.

In der Schweiz regt sich Widerstand

„Zwei Jahre lang konnten wir unsere Produkte in der Schweiz vermarktet“, sagt Jäkle. Dann hätten Schweizer Landwirte Widerstand geleistet, woraufhin ihnen das „mit fadenscheinigen Gründen“ untersagt worden ist.

Die drei zogen mehrmals vor ein Schweizer Gericht, ihre Klagen wurden aber jedes mal abgewiesen. Jäkle glaubt, so solle ein Präzedenzfall vermieden werden, der die eidgenössischen Landwirte träfe. Nun soll der Streit vor dem europäischen Gerichtshof verhandelt werden, das Verfahren lässt aber auf sich warten.

Von der Politik fühlt Jäkle sich allein gelassen. „Die Abgeordneten sagen: So ist das Abkommen halt“, erzählt Jäkle. Nun gibt es zwar Abgeordnete und auch Funktionäre beim regionalen Bauernverband, dem BLHV – aber bei all ihrer Mühe klingt doch immer durch: Grundsätzlich etwas zu verändern ist mindestens schwierig.

Das Land bemüht sich um eine Lösung, heißt es

Was politisch passiert? Sabine Hartmann-Müller, die für die CDU im baden-württembergischen Landtag das Thema bearbeitet, sagt: „Das Land wird sich weiter um eine Lösung bemühen, das halten wir auch in der neuen Schweiz-Strategie fest.“

Der Einfluss des Lands ist aber limitiert – die entscheidenden Fragen müssen in Brüssel und Berlin angegangen werden. „Ich würde mir wirklich wünschen, das Grenzabkommen von 1958 neu zu verhandeln. Da ist der Bund gefragt“, sagt Hartmann-Müller.

Wer kümmert sich in der Politik darum?

Ihr Parteifreund Felix Schreiner aus Waldshut, der in der vergangenen Legislaturperiode der Vorsitzende der deutsch-schweizerischen Parlamentariergruppe war, wollte das Thema dort auf die Agenda setzen. Für die neue Wahlperiode sind die Gruppen aber noch nicht zusammengekommen, Vorsitzende sind noch nicht bestimmt. Ob Schreiner die Rolle behält, ist bislang nicht klar.

Jemand anderes würde sich in das Thema jedenfalls erst einarbeiten müssen. Und Hartmann-Müller wird das Thema im Landtag nicht mehr weitertragen können, für die Wahl 2026 nominierte die CDU einen anderen Wahlkreis-Kandidaten.

Ziel aller Bemühungen ist jedenfalls die Gleichstellung der deutschen Landwirte mit ihren Schweizer Kollegen. Entweder sollen Schweizer ihre deutsche Ware bei der Einfuhr in die Schweiz verzollen müssen – oder die Deutschen Zugang zum lukrativen Schweizer Markt erhalten, und zwar zollfrei.

Gezielte Regelverletzungen?

Der wirtschaftliche Vorteil ihrer Schweizer Kollegen ist aber nicht das einzige, was die deutschen Landwirte umtreibt. Denn die nutzten ihre größeren finanziellen Mittel auch aus, um hiesige Regeln zu verletzen, erzählt Jäkle. Ein Schweizer habe ihn mal bei einem Pachtvertrag für eine sogenannte FFH-Fläche überboten, das sind besonders geschützte Gebiete. Der Schweizer habe als erstes die Bäume dort abgeschnitten.

„Solcher Grünlandumbruch ist verboten“, sagt Jäkle. „Das ist eine Straftat.“ In solchen Fällen gilt ein Wiederherstellungsgebot, auch für Schweizer. „Die zahlen aber einfach die Strafe und machen weiter. Da sind die Strafen zu niedrig.“ Und überhaupt werde zu wenig kontrolliert. Auch die Landtagsabgeordnete Hartmann-Müller und Otmar König vom BLHV berichten von Rechtsverstößen.

Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung wolle ja aber auch keiner, heißt es dazu aus den zuständigen Behörden. Wenn Verstöße angezeigt werden, gehe man dem nach.

Der vielleicht einzige Hebel

Zurück zur Landnahme. Zu deren ganzer Wahrheit gehört auch, dass deutsche Bauern, die einst gegen die Landnahme gewettert haben, selbst an Schweizer verkaufen, wenn sie zum Beispiel in den Ruhestand gehen – schließlich zahlen die mehr. Das will nur keiner laut aussprechen. Außer den Schweizern, denen es als Argument dient.

Dabei ist diese Praxis auch in der Schweiz nicht allen recht. Schweizer Landwirte außerhalb der Grenzregion haben den Zoll- und EU-Fördervorteil nicht, monieren also ebenfalls einen verzerrten Wettbewerb. Sie sind wohl der einzige Hebel, der die Eidgenossenschaft zu einer Neuverhandlung des Grenzabkommens bewegen könnte.