Plastik ist praktisch, günstig und in der Industrie ein beliebtes Material. Doch oft bleiben die Abfälle für viele Jahrzehnte der Umwelt erhalten und schaden Flora wie Fauna. Umso mehr schlägt die Nachricht dem ein oder anderen auf den Magen, dass Deutschland Haupthandelspartner der Schweiz in Sachen Plastikmüll ist und bleibt. Während vor der Corona-Pandemie die Schweizer Exporte von Kunststoffabfällen auf die deutsche Hochrheinseite die Importe überstiegen, drehte sich das Verhältnis in den vergangenen Jahren.
Auswertung zur Herkunft und Menge zu aufwendig
Wenn es um Dinge geht, die über die Grenze gebracht werden, ist in der Regel der Zoll involviert. Verwunderlich, dass der Zoll sowohl auf der deutschen, als auch auf der Schweizer Seite auf Nachfrage erklärt, nicht zu wissen, wie viel Plastik über den Rhein transportiert wird. Ebenfalls bleibt schleierhaft, über welche Grenzanlagen: „Konkrete Zahlen, wie viel Plastikmüll aus der Schweiz über unsere Grenze abgefertigt wird, können wir leider nicht bieten“, teilt Antje Bendel vom Hauptzollamt Lörrach mit.
Die gleiche Antwort gelte für das Hauptzollamt Singen. Eine solche Auswertung sei schlicht „zu aufwendig.“ Grund dafür sei auch, dass die Speditionen für die Abfertigung verschiedene Verfahren nutzen könnten.
Verena Jucker vom Branchenverband Kunststoff Swiss weiß Genaueres. Laut eigenen Auswertungen des Verbands exportierte die Schweiz im Jahr 2022 rund 88.000 Tonnen Plastikmüll in Länder der Europäischen Union, etwa 39 Prozent davon nach Deutschland. Im selben Jahr lag der Import bei rund 94.000 Tonnen, etwa 53 Prozent davon aus Deutschland. „Es sind Haushalts- und Bauabfälle, die in Deutschland zur Sortierung gelangen und danach wieder in die Schweiz zurückkehren“, merkt Jucker an.
Während die Recyclingquote von Kunststoffen in Deutschland bei 42 Prozent liegt, sind es in der Schweiz gerade mal 28. Was sich nicht recyceln lasse, werde einfach verbrannt, um daraus immerhin noch Strom und Wärme zu gewinnen.
In der Schweiz ist das Sammeln von Müll freiwillig
Anders als auf der deutschen Rheinseite, wird der Schweizer Müll auf freiwilliger Basis gesammelt, gibt Andreas Vogt, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens in Rheinfelden, an.

Es gibt folglich kein nationales Sammelsystem. Vogt Plastic ist darauf spezialisiert, Kunststoffverpackungsmüll in recycelbare Teile und Abfall, der nicht recycelt werden kann, zu trennen. Das Unternehmen bezieht unter anderem den Kunststoffsammelsack von privaten Unternehmen aus der Schweiz, dessen Kunststoffgehalt höher ist, als jenes des deutschen Pendants, dem Gelben Sack.
„Als grenznahes Unternehmen sind wir froh über das Input-Material der Nachbarn“, so der Geschäftsführer. Gerne würde er den Schweizer Anteil sogar noch erhöhen. Aktuell seien es im Jahr 2500 Tonnen Plastikmüll, den das Unternehmen aus der Schweiz importiert, sortiert und recycelt. In das Nachbarland exportiert hat Vogt Plastic im vergangenen Jahr hingegen 7500 Tonnen recycelten Plastikmüll in Form von Regranulat.
Der Handel mit Müll ist etwas ganz Normales
Vogt versteht nicht, warum der Müllexport oft negativ behaftet ist. „Ich finde es etwas ganz Normales und, dass es zwischen zwei Ländern mit ähnlichen Umweltbestimmungen völlig in Ordnung ist“, drückt er seine Meinung aus. „Andere Produkte handeln wir ja auch. Die Schweiz kann gut Käse, die Deutschen Autos. Und wir eben Abfall.“

Scheinbar ein lukratives Geschäft. Auf die Frage, ob der Schweizer Müll tatsächlich mehr rentiert als der Deutsche, weicht Vogt aus: „Wir wollen einen guten Dienst bieten, dass die Schweiz hier sortieren und recyceln lässt“, lautet seine Antwort. Es herrsche ein harter Wettbewerb um das begehrte Material. Andreas Vogt selbst spricht von einem regelrechten Kampf.
Anders als der Zoll weiß Michelle Umeh von der Kommunikationsabteilung, über welche Grenzanlagen das Unternehmen den Plastikmüll aus der Schweiz bezieht: „Wir importieren über die Rheinfelden, Bad Säckingen und Waldshut.“
So läuft der Recyclingprozess bei Vogt Plastic
- 1. Ein Schredder zerkleinert die angelieferten Gelben Säcke mitsamt Inhalt. Eine Vorsortierung gibt es nicht. Erst danach trennen magnetische und optische Systeme Eisenmetalle und Verbundstoffe wie etwa Papier vom Plastik.
- 2. Der zerkleinerte und aussortierte Plastikmüll gelangt als Nächstes in den sogenannten Nassprozess. Dort reinigt Wasser, das mehrfach genutzt und in der eigenen Kläranlage gereinigt wird, die kleinen Teilchen.
- 3. Das Steckenpferd des Unternehmens Vogt Plastic ist es, durch ein spezielles Dichtetrennungsverfahren Polystyrol von Polyethylen und Polypropylen zu trennen. Das Mahlgut ist danach sauber, etwa zehn Millimeter groß und sortenrein getrennt.
- 4. Im letzten Schritt kommen die Plastikteilchen in einen sogenannten Extruder, der das Plastik bei 160 bis 250 Grad Celsius einschmilzt und granuliert. Das fertige Regranulat kühlt in Wasser ab und kann dann für neue Kunststoffprodukte verwendet werden.
Wie sieht die Zukunft aus?
Ob die Plastikmüll-regelung über die Grenze auch in Zukunft so bleiben wird, ist ungewiss. Denn auch die Schweiz hat das gewaltige Potenzial des Rohstoffs mittlerweile erkannt und wollen etwas bewegen, um den gesamten Prozess in die eigene Hand zu nehmen. Zu den Zugpferden vermehrten Kunststoffrecyclings gehören unter anderem zwei Thurgauer Schwesterfirmen.