Dem eigenen Tod in die Augen blicken. Darum geht es am Ende bei der Organspende. Man stellt sich der Frage, ob einem nach dem eigenen Ableben Herz, Niere oder Leber entnommen werden dürfen, damit andere weiterleben können.
Das ist wahrlich nicht leicht, das macht man nicht unbedingt freiwillig. Was letztlich der Grund sein könnte, dass Deutschland zu den Schlusslichtern gehört, geht es um die Anzahl Organspenden pro Einwohner.
In der Schweiz soll es anders laufen
Unsere Nachbarn in der Schweiz mussten sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen. Zumindest jene rund 40 Prozent der Bürger, die am vergangenen Sonntag an der Volksabstimmung über eine Neuregelung der Organspende teilgenommen hatten.
Sie befürworteten schließlich mit großer Mehrheit, dass künftig generell jeder in der Schweiz Organspender ist, der dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Dabei gilt aber zugleich weiterhin, dass Angehörige befragt werden müssen, wenn keine klare Willensbekundung des Verstorbenen vorliegt.
Klar ist: Auch in der Schweiz wird keiner gezwungen, Organe zu spenden, selbst wenn er sich zu Lebzeiten nicht entschieden hat. Trotzdem dürfte die Zahl der Organspenden bei unserem südlichen Nachbarn bald steigen. Und das ist eine gute Sache, denn hier wie dort warten unzählige Patienten dringend auf ein Spenderorgan.
Mehr Verantwortung für die Bürger
In Deutschland haben die Bundestagsabgeordneten vor zwei Jahren einen ähnlichen gesetzlichen Vorstoß des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) mehrheitlich abgelehnt. Hierzulande gilt im Grundsatz weiterhin, dass einem Organe nach dem Tod nur entnommen werden dürfen, wenn man dem zu Lebzeiten zugestimmt hat oder Angehörige dies stellvertretend übernehmen.
Ein Argument der Gegner des Spahn-Vorstoßes damals: Über allem stehe das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Einzelnen. Das stimmt. Und vielleicht sollte genau deshalb jedem Einzelnen auch die Möglichkeit gegeben werden, sich entsprechend einzubringen und mitzubestimmen. Gerade bei Themen, wo es so sehr ums sprichwörtlich Eingemachte geht wie bei der Regelung von Organspenden.
Dafür müsste nicht gleich das direktdemokratische System der Schweiz übernommen werden. Aber es stellt sich die Frage, ob Bund und Länder Wege finden sollten, den Bürgern nicht nur mehr politische Mitsprache, sondern auch mehr politisches Verantwortungsbewusstsein zu übertragen.
Ein Referendum etwa könnte dazu beitragen, dass sich die Menschen im Land Fragen stellen und Entscheidungen treffen, denen sie lieber aus dem Weg gehen. Wie der, was mit den eigenen Organen geschehen soll, wenn man stirbt.
Keine leeren Versprechungen
Die Schweizer sollen ihren Willen in Sachen Organspende im Zuge der Widerspruchslösung künftig in einem neuen Spenderregister festhalten können. Ein Register sieht neben mehr Informationen und Aufklärung über Organspenden auch das deutsche „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ vor.
Dieses hatte der Bundestag vor zwei Jahren anstelle der Widerspruchslösung verabschiedet. Das Register sollte am 1. März 2022 starten, was nicht geklappt hat. Laut Bundesgesundheitsministerium könne der Betrieb frühestens Ende diesen Jahres aufgenommen werden. Der Grund: Man habe die Krankenhäuser während der Pandemie nicht noch zusätzlich mit technisch-organisatorischen Vorarbeiten belasten wollen.
Zumindest hier könnte die deutsche Politik etwas von den Nachbarn lernen: Sich realistische Ziele setzen und keine leeren Versprechungen machen, die am Ende nicht eingehalten werden können. So hielt das Schweizer Bundesamt für Gesundheit bereits vor der Volksabstimmung klar fest, dass die neue Widerspruchslösung frühestens 2024 umgesetzt werden könne.