Mit großer Mehrheit haben die Schweizer Stimmbürger am Sonntag ein neues Transplantationsgesetz verabschiedet. Das heißt: Bei Organspenden soll künftig die Widerspruchslösung gelten. Wer seine Organe nach dem eigenen Tod nicht spenden will, muss das zu Lebzeiten festhalten. Ansonsten wird davon ausgegangen, dass grundsätzlich Organe oder Gewebe entnommen werden dürfen.

Doch was bedeutet das für Grenzpendler oder Touristen aus Deutschland, die sich nur vorübergehend in der Schweiz aufhalten? Was, wenn sie beispielsweise nach einem Unfall auf der Intensivstation eines Schweizer Krankenhauses landen und dort infolge einer schweren Hirnschädigung oder eines anhaltenden Kreislauf-Stillstands versterben?

Eine Absperrung steht an der Landesgrenze zwischen der Schweiz und Deutschland.
Eine Absperrung steht an der Landesgrenze zwischen der Schweiz und Deutschland. | Bild: Georgios Kefalas

Werden ihnen künftig automatisch Lunge oder Niere entnommen, wenn sie keinen Nachweis dabei haben, auf dem steht, ob sie Organe spenden wollen oder nicht?

Gilt das neue Schweizer Transplantationsgesetz auch für Touristen oder Grenzpendler?

Die Widerspruchslösung wird grundsätzlich für alle gelten, die in der Schweiz versterben und aus medizinischer Sicht für eine Organspende infrage kommen. Und damit auch für Personen wie deutsche Touristen, die sich nur vorübergehend im Land aufgehalten haben.

Allerdings haben die Schweizer Stimmbürger am Sonntag der sogenannten erweiterten Widerspruchslösung zugestimmt. Das heißt, egal ob Einheimischer oder Tourist: Liegt keine eindeutige Willensäußerung etwa in Form eines Organspendeausweises vor, müssen die nächsten Angehörigen nach dem Willen der sterbenden Person befragt werden.

Die Angehörigen müssen also überlegen, wie sich die Person entscheiden würde, wenn sie sich noch äußern könnte. Widersprechen sie im Namen der sterbenden Person der Spende, dürfen keine Organe oder Gewebe etwa aus dem Körper einer tödlich verunglückten Touristin entnommen werden.

Wer gilt bei der Organspende als „nächste Angehörige“ und was ist, wenn diese nicht erreichbar sind?

Als „nächste Angehörige“ gelten laut dem Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) Lebensgefährten wie Ehepartner, eingetragene Partner, aber auch Lebenspartner, mit denen man ohne vertragliche Regelung zusammen ist. Nächste Angehörige können zudem Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern oder andere Personen sein, „die mit der betroffenen Person eng verbunden sind“, heißt es in der Information des BAG weiter.

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Entscheiden, ob Organe und Gewebe entnommen werden, dürfe am Ende der, der „mit der betroffenen Person am engsten verbunden ist.“ Vor dem eigenen Tod kann man dasselbe Recht, das für nächste Angehörige gilt, einer eigens dafür bestimmten Vertrauenspersonen übertragen.

Kann ein Krankenhaus weder Angehörige noch Vertrauenspersonen eines potentiellen Organspenders erreichen, dessen Willen zur Organspende nicht bekannt ist, dürfen keine Organe entnommen werden. Damit seien „auch Touristinnen und Touristen davor geschützt, dass Organe gegen ihren Willen entnommen werden“, so das BAG.

Wie kann man einer Organspende in der Schweiz widersprechen?

Sobald die Widerspruchslösung in der Schweiz eingeführt ist, soll es ein Register geben, in dem Bürger festhalten können, ob man Organe spenden will oder nicht. Für Touristen und Grenzpendler entscheidend: Auch alle bisherigen Möglichkeiten zur Willensäußerung in Sachen Organspende wie Spenderausweis oder Patientenverfügung bleiben gültig. Das BAG empfiehlt zudem, die eigenen Angehörigen zu Lebzeiten darüber zu informieren, ob man bereit ist, Organe zu spenden oder nicht.

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Für Jugendliche ab 16 Jahren werden dieselben Regeln wie für Erwachsene gelten. Bei jüngeren Kindern und Jugendlichen müssen vor einer Organspende immer die nächsten Angehörigen angefragt werden, in der Regel die Eltern. Laut BAG haben diese bei ihrer Entscheidung die Meinung des Kindes zu berücksichtigen. Sind keine Angehörigen erreichbar, ist eine Organentnahme verboten.

Ab wann gilt die neue Organspende-Regelung in der Schweiz?

Sowohl Einheimische wie Touristen oder Grenzgänger haben noch eine Weile Zeit, sich mit der Schweizer Widerspruchslösung auseinanderzusetzen. Laut BAG tritt die neue Regelung in Sachen Organspende frühestens 2024 in Kraft. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest.

Bis dahin gilt weiterhin die sogenannte erweiterte Zustimmungslösung: Organe oder Gewebe dürfen einer verstorbenen Person nur dann entnommen werden, wenn dafür eine zu Lebzeiten festgehaltene Einwilligung vorliegt.

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Gibt es weder eine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung werden bereits heute die nächsten Angehörigen gefragt, ob sie den Willen des oder der Verstorbenen kennen. Ist er nicht bekannt, müssen die Angehörigen über eine Organspende entscheiden. Sind sie nicht erreichbar und liegt keine Willensäußerung vor, dürfen keine Organe oder Gewebe entnommen werden.

In Deutschland ist es ähnlich geregelt – hier sollen Bürger aber zusätzlich regelmäßig über ihre Möglichkeiten informiert werden, deswegen spricht man von der Entscheidungslösung.