Es ist auch für Marc Leber kein alltäglicher Einsatz. Der Rheinfelder Feuerwehr-Kommandant beobachtet vom Boden aus gebannt, wie zwei Fachleute in weißer Schutzkleidung auf der Drehleiter vorsichtig in Richtung Baumwipfel schweben. Dort, zwischen den letzten Blättern am Ast einer Birke, hängt der medizinballgroße braune Klumpen.

Es ist ein Nest der Asiatischen Hornisse.

Und es muss weg.

Bedrohung für die Honigbiene

Die „Vespa velutina“, wie das Insekt in der Fachsprache heißt, ist eine invasive Art. Eine Bedrohung für die Honigbiene.

Blieb es im vergangenen Jahr im Aargau noch bei Sichtungen einzelner Hornissen, wurden in diesem Jahr kantonsweit bereits mehrere Nester entdeckt und entfernt, Ende September etwa in Leutwil. Das Nest im Rheinfelder Roberstenquartier ist das fünfte.

Imkerinnen meldeten Beobachtungen dem Kanton

Die Imkerinnen Anna Tina Heuss und Hana Smejkalova hatten hier in den vergangenen Wochen immer wieder einzelne Hornissen beobachtet und dem Kanton gemeldet. Und waren selbst in Alarmbereitschaft. „Ich habe die Fluglöcher des Bienenstocks geschützt“, sagt Smejkalova. Denn im Extremfall können die Hornissen einen ganzen Bienenstock vernichten. Die Superfliegerin kann die Bienen dabei sogar im Flug fangen.

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In Leutwil kam bei der Suche nach dem Nest modernste Technik zum Einsatz. Dabei wird eine Hornisse angelockt, eingefangen und mit einem Mini-Sender versehen, sodass ihr Rückflug zum Nest verfolgt werden kann. In Rheinfelden war das gar nicht nötig. „Hier half Kommissar Zufall“, wie Bieneninspektor Stefan Neupert sagt. Als die Experten Anfang der Woche ankamen, um Köder für die Hornissen auszulegen, entdeckten sie das Nest sogleich in der Baumkrone. So konnte die Elimination schnell geplant werden.

In der Baumkrone besprühen die beiden Schädlingsbekämpfer den Klumpen inzwischen aus einiger Entfernung mit Insektizid. Mit einer Handsäge beseitigen sie dann Ast um Ast, bahnen sich einen Weg zum Nest und sägen schließlich den Ast ab, an dem es hängt.

Dem Fricktal droht eine Hornissenplage

Das Nest wird noch vor Ort vom Bieneninspektor untersucht. Schicht um Schicht des beeindruckenden Konstrukts aus Waben trägt er ab. Und es zeigt sich rasch: Ein Großteil der Brut ist bereits ausgeflogen.

In der Baumkrone besprühen die beiden Schädlingsbekämpfer den Klumpen aus einiger Entfernung mit Insektizid.
In der Baumkrone besprühen die beiden Schädlingsbekämpfer den Klumpen aus einiger Entfernung mit Insektizid. | Bild: Nadine Böni

Das sind keine guten Nachrichten. Denn die Jungköniginnen der Hornissen verpaaren sich im Herbst, verlassen anschließend die Nester und suchen sich Verstecke zum Überwintern. Im folgenden Jahr bauen sie dann neue Nester. Neupert schätzt, dass aus dem Rheinfelder Nest bereits einige hundert Jungköniginnen ausgeflogen sind, und wagt deshalb eine wenig zuversichtliche Prognose: „Das Fricktal wird im kommenden Jahr ein Hornissen-Hotspot.“

Bei der Untersuchung zeigt sich: Ein Großteil der Brut ist bereits ausgeflogen – und wird im kommenden Jahr selbst Nester bauen.
Bei der Untersuchung zeigt sich: Ein Großteil der Brut ist bereits ausgeflogen – und wird im kommenden Jahr selbst Nester bauen. | Bild: Nadine Böni

Berichte aus anderen europäischen Ländern zeigen, wie schnell sich die Hornisse vermehren kann. Innert weniger Jahre wurden dort aus einzelnen Nestern mehrere tausend.

Noch sind es einzelne Nester

Im Fricktal gibt es derzeit erst einzelne Nester: Eines in Gipf-Oberfrick wurde kürzlich entfernt, ein weiteres wird in Rheinfelden im Waldgebiet nahe der Brauerei Feldschlösschen vermutet. Auch dieses soll nun aufgespürt und beseitigt werden.

Der Bieneninspektor hofft, dass so die Verbreitung zumindest gebremst werden kann – und setzt auch auf die Unterstützung der Imkerinnen und Imker: Sie sind angehalten, Beobachtungen von Hornissen oder Angriffe auf Bienenstände zu melden. Das ist auch für Imkerinnen und Imker von Inte­resse: „Ein einziges Volk der Hornissenart ernährt sich pro Jahr von etwa elf Kilogramm an Biomasse aus Insekten – etwa 90 Prozent davon sind Bienen“, sagt Neupert.

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Die Autorin ist Redakteurin bei der „Aargauer Zeitung“. Dort ist der Beitrag auch zuerst erschienen.