Es scheint wie ein Fluch am Grund des Bodensees: Die Bergung des Schiffswracks ‚Säntis‘ scheiterte im vergangenen Jahr mehrfach. Jetzt müssen auch die Reste des Swissair-Flugzeugs aus dem Jahr 1957 vorerst im Wasser verweilen. Grund ist eine mögliche Strahlengefahr im Trümmerfeld der Maschine, berichtet Silvan Paganini, Präsident des Schiffsbergevereins Romanshorn.

Leichenfund nach 68 Jahren

210 Meter tief tauchte das Team am 11. Januar zum Wrack. Technisch und rechtlich sei der Verein mit allem ausgerüstet, um die restlichen Teile des Flugzeugs an die Oberfläche zu holen, berichtete Paganini zuvor dem SÜDKURIER.

Doch so einfach sollte es nicht sein: Im Trümmerfeld entdeckten die Forscher menschliche Überreste – wohl von einem Opfer der Maschine, die vor rund 68 Jahren aus ungeklärten Gründen in den Bodensee gestürzt sei, so Paganini. Neun Menschen haben damals bei einem Schulungsflug den Tod gefunden. Vier davon konnten bislang nicht geborgen werden.

Der Großteil des Flugzeugs wurde kurz nach dem Absturz im Jahr 1957 geborgen. Noch heute liegen Teile des Wracks in einem 50 Meter ...
Der Großteil des Flugzeugs wurde kurz nach dem Absturz im Jahr 1957 geborgen. Noch heute liegen Teile des Wracks in einem 50 Meter breiten und 100 Meter langen Trümmerfeld am Grund des Bodensees. | Bild: Silvan Paganini, Schiffsbergeverein

Mit dem Leichenfund stoßen die Romanshorner Wrack-Forscher auf große Herausforderungen. Denn der Leichnam könnte eine potenzielle Strahlenquelle darstellen, warnt die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST). Durch den damaligen Aufprall der Maschine sei möglicherweise Radium-226, ein radioaktiver Stoff, aus dem Cockpit der Maschine in den Körper des verunglückten Insassen gelangt.

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Wie groß ist die radioaktive Gefahr?

Auf Nachfrage erklärt Daniel Knecht von der Untersuchungsstelle, dass Flugzeuge früherer Epochen oft deren Anzeigen im Dunkeln fluoreszierend leuchteten – wie bei einer alten Armbanduhr. So konnten Piloten bei Nacht die Markierungen auf den Zifferblättern und die Zeiger besser sehen. Das Problem: Die Speziallacke enthielten auch radioaktive Substanzen.

Bei einem Unfall wie diesem im Bodensee könnten sich kleine radioaktive Farbreste gelöst und in der unmittelbaren Umgebung abgelagert haben – zum Beispiel auf der Leiche, die lange Zeit vor dem Instrumentenbrett gelegen habe.

Diese könnte, laut der Untersuchungsstelle, leicht verstrahlt sein und müsste sehr vorsichtig geborgen werden. „Für eine etwas weitere Umgebung besteht aber aufgrund der geringen Mengen an radioaktivem Material keine Gefahr“, so Knecht. In diesem Sinne sind auch Schwimmer im See keinem Gesundheitsrisiko ausgesetzt.

Die Überreste des Swissair-Flugzeugs aus dem Bodensee Video: Schiffsbergeverein, Silvan Paganini

Der Motor des Flugzeugs könnte Aufschluss geben

Die Tatsache, dass einige Flugzeugtrümmer außerhalb der Gefahrenzone liegen, ließ die Wrack-Forscher wohl aufatmen. Denn das ursprüngliche Ziel der Bergungsarbeiten sei nicht die Leiche, sondern der linke Motor des Flugzeugs gewesen, sagt Paganini. Dieser befinde sich außerhalb der Gefahrenzone.

„Eine Analyse des Motors kann neue Hinweise auf die Unfallursache liefern, die bislang nur dürftig untersucht worden ist“, erklärt der Vereinspräsident. Eine Bergungs-Genehmigung des zuständigen Kantons Thurgau sei bereits am 9. Januar eingereicht worden. Die Rückmeldung hänge aber noch in der Schwebe.

Der Schiffsbergeverein Romanshorn hat sich zur Aufgabe gemacht, Wrackteile vom Grund des Bodensees an die Oberfläche zu befördern.
Der Schiffsbergeverein Romanshorn hat sich zur Aufgabe gemacht, Wrackteile vom Grund des Bodensees an die Oberfläche zu befördern. | Bild: Silvan Paganini, Schiffsbergeverein
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Ein Wettlauf gegen die Zeit

Ungewiss sei auch noch, welches Museum das Flugzeugteil am Ende ausstellen werde. Zurzeit sei die Suche noch erfolglos. „Erst wenn alles geklärt ist, kann es mit der Bergung losgehen“, sagt Paganini. Die Zeit rennt. Denn die invasive Quagga-Muscheln drohen, die Überreste des Flugzeuges zu überwuchern. „In 25 Jahren werden wir nichts mehr sehen können. Wir müssen jetzt handeln“, so Paganini.

Bis heute liegen Teile des Flugzeugwracks, etwa der linke Motor des Fliegers, im Bodensee.
Bis heute liegen Teile des Flugzeugwracks, etwa der linke Motor des Fliegers, im Bodensee. | Bild: Silvan Paganini, Schiffsbergeverein

Laut ihm wäre eine denkbare nächste Aktion, eine Bronzetafel am Grund des Bodensees zu installieren, das an die Opfer des Unglücks am Grund des Bodensees erinnert. Auch wenn der Motor des Flugzeuges zu Untersuchungszwecken vielleicht nie geborgen werden könnte, erklärt Paganini die Mission trotzdem für erfolgreich.

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„Die Geschichte des Unglücks wurde noch mal in Erinnerung gerufen. Informationen wurden aufgearbeitet. Außerdem weiß die Familie des verunglückten Insassen nun, wo er ruht. Sie können einen Abschluss finden“, sagt Paganini.