„Ich muss wohl wieder den Bad Boy spielen“, sagt SVP-Fraktionspräsident Hermann Lei (Frauenfeld). Sein Votum in der Kantonsratssitzung im Rahmen der Diskussion zum Geschäftsbericht der Pädagogischen Hochschule (PH) Thurgau führt weit weg von der eigentlichen Thematik.

Statt über die Zahlen oder Inhalte des Berichts zu sprechen, moniert Lei das Aufhängen einer Pride-Fahne vor der PH Thurgau. Seinem Unmut über dieses Zeichen hat er auch auf Facebook mit einem Post Luft gemacht und mit über 20 Kommentaren Zuspruch erhalten.

Die regenbogenfarbige Fahne steht für die verschiedenen Lebensweisen queerer Personen und weist auf die gesellschaftliche Akzeptanz von Schwulen, Lesben oder Transmenschen hin. Lei stört sich an diesem Zeichen, denn: „Ich bin stolz auf die PH, aber ich bin nicht Pride.“

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Die PH habe schließlich den Auftrag, politisch neutral Lehrpersonen auszubilden. Die Pride-Fahne widerspreche dem komplett. Lei poltert: „Unter dem Aspekt des Berufsauftrags ist das Aufhängen dieser Fahne nicht tolerierbar. Das ist ein schwerer Verstoß, und wir haben die Verantwortlichen aufgefordert, diese Fahne zu entfernen.“

Leis Votum löst verschiedene Reaktionen aus. Zum einen tritt Felix Meier (SP, Romanshorn) ans Mikrofon und äußert sich als Präsident des PH-Fördervereins zur Fahne. „Es geht mir darum, Schaden abzuwenden von Zusammenhängen, die hier erstellt werden, die aber nicht existieren.“ Die Gesellschaft habe sich verändert und mit diesen Realitäten müssten sich die Lehrpersonen beschäftigen.

„Kein politisches, sondern gesellschaftliches Zeichen“

Die PH Thurgau habe schließlich nicht nur den Auftrag, politisch neutral auszubilden, sondern auch, den inklusiven Unterricht zu pflegen. „Diese Fahne ist kein politisches, sondern ein gesellschaftliches Zeichen“, hält Meier fest. Die Neutralität sei mit dem Hissen der Pride-Fahne nicht verletzt, sie zeige die Diversität der Gesellschaft.

Ihm falle auf, dass der Erregungsgrad umgekehrt proportional zum Problem sei. „Je irrelevanter ein Problem ist, desto größer der Lärm.“ Bevor einige der Kantonsräte „in innere oder mentale Schnappatmung verfallen“, würde er sich mehr Gelassenheit mit „solchen Staatsproblemen“ wünschen.

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Als Mitglied des PH-Hochschulrates klärt Mitte-Kantonsrat Simon Wolfer (Weinfelden) die Situation auf. Die Fahne sei schon weg, sie sei im Rahmen einer Inklusionswoche aufgehängt worden. Der Hochschulrat finde, es solle möglich sein, dass für spezielle Anlässe vorübergehend Fahnen gehisst werden können. „Das ist auch bei diesem Anlass so geschehen, der sich mit einem aktuellen gesellschaftlichen Thema auseinandergesetzt hat.“

Kommentare auf Facebook seien „sehr grenzwertig“

GLP-Kantonsrat Reto Ammann (Kreuzlingen) macht sich vor allem wegen der Reaktionen auf Hermann Leis Facebook-Beitrag Sorgen: „Die Kommentare unter dem Post sind teilweise sehr grenzwertig.“ Beispiele nennt er keine. Nachzulesen sind sie auf Facebook und reichen von „unfassbar“ oder „grad abeneh dä Schrott“ bis hin zu: „Die Menschen verblöden.“

Zum ersten Mal in seiner Karriere als Kantonsrat tritt Aufrecht-Vertreter Robin Spiri (Amriswil) ans Mikrofon: „Es ist nicht Sache der PH, sich in die Politik einzumischen. Politische Werbung soll man auf privaten Grundstücken machen und nicht auf dem Gelände einer staatlichen Hochschule.“

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Die eigentliche Diskussion rund um den Geschäftsbericht der PH Thurgau verkommt bei dieser Ratssitzung zur Nebensache. Der Präsident der großrätlichen Subkommission PH Thurgau, Roland Wyss (EVP, Frauenfeld), fasst deshalb am Ende zusammen: „Wir behandeln hier gerade eine 35-Millionen-Franken-Frage. Da ist eine Regenbogenfahne wirklich unser kleinstes Problem.“

Sabrina Bächi ist Reporterin bei der „Thurgauer Zeitung“, unserer Partnerzeitung.