Im Kommandoraum des Schweizer Kernkraftwerks Leibstadt (KKL) gegenüber Waldshut haben am 28. März 2005 die Kontrollinstrumente eine Störung in der Anlage gemeldet. Was die Operateure einerseits zunächst aufatmen ließ, weil der Defekt den Generator (Stromerzeuger) betraf und damit keinen nuklearen Teil, wuchs sich andererseits zum bisher längsten Stillstand des Atomkraftwerks wegen eines Technikdefekts aus. Fünf Monate lang war das AKW vom Netz. Erst am 30. August speiste der aufwendig reparierte Generator wieder Strom ein.

Kurzschluss! Der Atomreaktor fährt herunter

Die Ursache für den Generatorschaden am Morgen des Ostermontags war zunächst unklar. Nach einem Kurzschluss hatten sich der Generator und die Turbinen des Kraftwerks automatisch abgeschaltet, der Atomreaktor wurde auf 25 Prozent seiner Leistung heruntergefahren. Die auf Bypassbetrieb geschaltete Anlage leitete den heißen Dampf aus dem Reaktor jetzt direkt in den Kondensator um, der sein mit Radioaktivität nicht in Berührung kommendes Kühlwasser an den Kühlturm abgibt.

Das Maschinenhaus des KKL, in der Mitte der orangefarbene Generator. Der 600 Tonnen schwere Koloss wurde 2012 installiert und ersetzte ...
Das Maschinenhaus des KKL, in der Mitte der orangefarbene Generator. Der 600 Tonnen schwere Koloss wurde 2012 installiert und ersetzte den 2005 nach einem Erdschluss fünf Monate lang ausgefallenen Generator. Vier Dampfturbinen mit insgesamt 1,66¦Millionen PS treiben den Generator an. Seine Nennleistung liegt bei 1275 Megawatt, von denen das KKL 52 MW für den eigenen Strombedarf benötigt. | Bild: Kernkraftwerk Leibstadt

Mit gut 40 Grad Celsius erreicht es den Kühlturm, wo es auf Rieselpakete versprüht wird. Ein Teil der Wärme geht als Dampffahne in die Luft, das Wasser regnet mit 26 Grad ins Kühlturmbecken ab. Von dort aus wird es zurück zum Kondensator gepumpt.

Obwohl das Werk jetzt keinen Strom mehr produzierte, war über dem Kühlturm noch immer eine Dampffahne zu sehen. Erst gegen 17 Uhr fuhren die Techniker an diesem Ostermontag vor 20 Jahren den Atomreaktor auf null herunter. Nun war klar, dass es sich um einen Schaden handelte, den zu beheben es zumindest mehrere Tage brauchen würde.

Für die Suche nach der eigentlichen Ursache für die Panne musste die Anlage kalt gefahren werden, ehe die Techniker am 30. März den abgekühlten Generator betreten konnten. Jetzt wurde das Ausmaß des Schadens deutlich. Der damalige Pressesprecher des Kraftwerks ging von einem „Stillstand von mindestens vier Wochen“ aus.

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Am Wickelkopf des vier Meter hohen und zehn Meter langen Generators mit einem Gesamtgewicht von 400 Tonnen sei ein Erdschluss aufgetreten, teilweise müssten Wicklungsstäbe ausgetauscht werden. Bei der Jahresinspektion 2004 sei der Generator komplett überholt worden, von vorn bis hinten, so der Sprecher weiter. Auch die Frage, ob der Ausfall mit der lange diskutierten Leistungserhöhung des Reaktors zusammenhänge, habe man sich gestellt.

Auf der Suche nach der Ursache

Der Generator sei auf die erhöhte Stromproduktion ausgelegt, in den fast drei Jahren seit der Erhöhung habe es keine Hinweise auf eine Überforderung des Stromerzeugers, etwa eine Überhitzung, gegeben, erklärte der Mediensprecher damals.

Monate später sprach die Schweizer Atomaufsichtsbehörde HSK (Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen) in ihrem Bericht über die Schadensursache von „unzulässig hohen Temperaturen im Bereich der Pressplatten“ im Statorbereich des Generators.

Die aus der Ursachenanalyse gewonnenen Erkenntnisse seien in die Herstellung der beiden neuen Pressplatten eingeflossen, so die HSK weiter. Von ihr wurde die Reparatur des Generators überwacht und der Einbau zusätzlicher Sensoren für die ständige Überwachung sensibler Bereiche des Generators angeordnet. Werde ein Grenzwert überschritten, führe dies zur Alarmierung des Personals im Kommandoraum.

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Lange Reparatur wird auch für andere Wartungsarbeiten genutzt

Die lange Dauer der Reparatur am Generator ermöglichte es dem KKL, den Umfang der Arbeiten und Prüfungen auszudehnen. In dieser Zeit konnten auch Arbeiten, die ursprünglich für spätere Revisionen vorgesehen waren, mit wesentlich geringerer Strahlenbelastung des Personals ausgeführt werden. Beispielsweise wurden 54 von insgesamt 149 Steuerstäben anstatt im Jahr 2006 bereits 2005 ausgewechselt. Des Weiteren wurde eine der Niederdruckturbinen auf Spannungsrisskorrosion untersucht. Im Maschinenhaus wurden die Fenster auf der Ostseite bereits jetzt zugemauert. Dies entsprach einer Forderung der HSK zum Schutz der Umgebung vor zusätzlicher Strahlung, welche durch die einige Jahre später eingesetzte korrosionshemmende Wasserchemie im Reaktorwasser (Wasserstoffzugabe) verursacht wurde.

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Nach den ausgedehnten Inspektionen und Prüfungen an baulichen, elektrischen und mechanischen Komponenten bestätigte die Atomaufsicht der Anlage, sich in einem guten Zustand zu befinden. Ferner nutzte das Kernkraftwerk selbst die Zeit des langen Stillstands intensiv, um das Personal weiterzubilden. Insbesondere wurden alle Schichtmannschaften am Simulator weitergeschult. Ein spezifisches Schulungsprogramm beinhaltete das Wiederanfahren mit einer neuen Reaktorkernbeladung.

Kosten der Reparatur betragen rund 13,5 Millionen Schweizer Franken

Nach der Reparatur des Generators wurde das Atomkraftwerk ab 25. August 2005 schrittweise wieder in Betrieb genommen. Am 27. August erteilte die Atomaufsicht die Freigabe zum Anfahren des Reaktors, und am 30. August gab der Generator erstmals wieder Strom ans Netz ab. Ein Testfehler verursachte am 1. September erneut eine Schnellabschaltung des Reaktors. Am 3. September wurde der Generator dann erneut ans Netz geschaltet und am 6. September erreichte das KKL wieder die volle Leistung.

Die Behebung des Generatorschadens kostete rund 13,5 Millionen Schweizer Franken, die durch eine Maschinenbruchversicherung gedeckt waren. Die vom fünfmonatigen Produktionsausfall verursachten Kosten gingen zulasten der sieben Gesellschaften, die damals Eigentümer des Kernkraftwerks Leibstadt waren.