Es ist wie die Kleinanzeigen-Portale im Internet, nur eben offline: Die Schwarzen Bretter in Supermärkten. Wer nach einem günstigen gebrauchten Fahrrad sucht, die ausrangierten Klamotten seines Kindes loswerden will oder einen Hundesitter braucht, ist hier meist richtig. Doch das Inserat einer Modelleisenbahn ist an Kuriosität wohl nicht zu überbieten.
So mag man sich beim Blick auf den Preis die Augen reiben – schlappe 300.000 Franken (etwa 320.000 Euro) wird hier für ein Modelleisenbahn-Set bestehend aus 80 Loks, 75 Wagen und rund 100 Häuser mit Zubehör der Spur H0 verlangt. Da ist doch wohl eine Null zu viel dran, oder? Nein, sagt der Noch-Besitzer Martin B. (voller Name ist der Redaktion bekannt) aus St. Gallen in der Schweiz.

1976 hat die Sammlerleidenschaft begonnen
Die Modelleisenbahn war sein Hobby. Und das schon seit 1976, sagt er. Als kleiner Bub hat sich der heute 54-Jährige eine Modelleisenbahn gewünscht.
Irgendwann sei sein Vater mit in seine Leidenschaft eingestiegen, selbst seine Mutter habe mit an der Bahn gewerkelt, sagt er. „Mein Vater hat es sogar geschafft, die ganze Bahn selbst zu elektrifizieren. Dabei war er gar kein Elektriker“, sagt er. Seine Eltern seien mittlerweile zwar verstorben, so habe er allein weitergemacht.

Nächstes Jahr werde die Bahn 50 Jahre alt, sagt Martin B. Inzwischen habe er aber aufgehört zu sammeln. Die letzte Bahn, die zu seiner Sammlung dazugekommen ist, sei ein orangefarbener TGV gewesen. Das war 2017.
Inserat sorgt für Irritationen bei Interessenten
Nun versucht Martin B. seine Anlage loszuwerden. Wenn er mal umziehen sollte, sagt er, hätte er dann zu viele Schachteln zu schleppen. Außerdem brauche er Platz.
Rund 15 Interessenten habe er schon gehabt – in vier Jahren. Seit 2021 versucht er nämlich, seine Anlage zu verkaufen.
Sein Inserat habe dabei schon für Verwirrungen gesorgt: „Eine Frau hat mich angerufen, sie dachte ich verkaufe die Anlage für 300 Franken“, sagt Martin B. und schmunzelt. Auch dem Verkehrshaus Luzern habe er schon versucht, seine Anlage zu verkaufen – „die wollten die aber gratis. Und verschenken will ich meine Bahn ganz sicher nicht“, sagt der Schweizer.
Einen anständigen Preis will er für seine Bahn. Die Anschaffungskosten, die über die vielen Jahre für die Bahn zusammengekommen sind, rechtfertigen das, sagt er. Eine Lok koste bis zu 1000 Franken.
Manche Bahn hat Sammlerwert
Guckt man sich bei Online-Händlern um, finden sich tatsächlich einige Modelleisenbahn-Sets, die teilweise für über 1000 Euro verkauft werden – Dagmar Ender vom Auktionshaus am See in Konstanz ist trotzdem skeptisch, ob eine Anlage für rund 320.000 Euro einen Abnehmer findet. „Es kommt immer auf die Marke und die Spur an“, sagt sie.
Das Auktionshaus selbst habe bereits einen Zentralbahnhof von Märklin für 2800 Euro verkaufen können. „Besonders Stücke aus Blech um 1900 rum sind bei Sammlern sehr beliebt, das sind richtig antike Stücke“, weiß die Kunst-Expertin.

Dass jegliches Zubehör, wie im Inserat von Martin B. angegeben, aber auch einen solch hohen Wert habe, könne man vergessen, sagt Ender – das sei meistens sowieso aus Plastik. „Die Kunden wollen immer das rausschlagen, was sie selbst für die Stücke ausgegeben haben und haben ihre Sammlung mit Zeit und Energie aufgebaut“, sagt sie, „das steht aber in keiner Weise zu dem, was die Stücke heute wert wären.“
Für einzelne Stücke könnte man vielleicht 15.000 Euro verlangen, sagt Ender, die müssten dann aber dementsprechend alt und von einer bestimmten Marke wie Märklin sein. „Sammler wollen meist eine bestimmte Lok. Man muss sich an der Stelle fragen, wer ist der Käufer, der so viel Geld für eine fertige Bahn ausgibt? Diejenigen, die das Geld hätten, stellen sich ihr Modell lieber selbst zusammen.“
Martin B. versucht es weiter
Alle zwei Wochen hängt Martin B. ein neues Inserat in die Migros, die Aushängefrist beträgt maximal 14 Tage. Ob der Zug für ihn und seine Modelleisenbahn abgefahren ist? Das glaubt er nicht. In der kommenden Woche werde ein weiterer Interessent bei ihm vorbeischauen. Vielleicht hat er ja dann Erfolg.