Oft zählt bei Rettungseinsätzen jede Minute. Es ergibt also Sinn, dass sich Deutsche und Schweizer mit grenzübergreifenden Rettungseinsätzen gegenseitig unterstützen. Auffällig ist allerdings, dass die Schweiz ihren Nachbarn nördlich des Rheins öfters unter die Arme greift.
Nach Informationen des Baden-Württembergischen Innenministeriums sind Schweizer Rettungskräfte im Jahr 2023 genau 567 Bodeneinsätze auf deutscher Seite gefahren und 1775 Lufteinsätze geflogen. Die Unterstützung aus Deutschland hingegen belief sich auf gerade einmal 251 Bodeneinsätze und elf Lufteinsätze.
So kommt das starke Ungleichgewicht zustande
Die hohen Fallzahlen in der Luftrettung sind dem aus den 1970er Jahren stammenden Staatsvertrag zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz geschuldet, weiß Horst Schwarz, Geschäftsführer Rettungsdienst DRK Kreisverband Säckingen. „In diesem wurde der Einsatz der schweizerischen Rettungsflugwacht Rega in Deutschland geregelt.“ Da auf Schweizer Seite grenznah Rettungshubschrauber in Basel, Birrfelden und Zürich stationiert seien, kämen diese bei Notfällen schnell zum Zuge.
Über den Einsatz entscheiden die Rettungskräfte vor Ort und die integrierte Leitstelle in Waldshut. Zu den vielen Rettungshubschraubereinsätzen komme es außerdem, „da das Klinikum Hochrhein ein Grund- und Regelversorger ist und die nächstgelegenen Kliniken der Maximalversorgung, wie etwa die Uniklinik Freiburg, weit entfernt liegen“, so Schwarz. Diese Strecke mit dem Rettungswagen zu bewältigen – im Ernstfall keine gute Idee.
Schweizer Helikopter sind besser ausgerüstet
„Früher waren mehr deutsche Rettungsmittel in der Schweiz im Einsatz“, erinnert sich Benedikt Huber, Abteilungsleiter Rettungsdienst DRK-Landesverband Badisches Rotes Kreuz. Weil die deutschen Nachbarn in der Nordschweiz in den vergangenen Jahren aber ihre Strukturen stark verbessert hätten, bestehe auf der deutschen Rheinseite kein Bedarf, die Helikopter-Infrastruktur weiter auszubauen. Deutsche Rettungshubschrauber gibt es erst wieder in Friedrichshafen, Freiburg und Villingen.
Häufig seien die Helikopter der Rega auch besser ausgestattet, als die deutschen Pendants. „Nachtflüge darf auf deutscher Seite nur der aus Villingen fliegen“, weiß Huber. Die Kompetenzen der Piloten seien hingegen die gleichen: „Egal, ob deutscher oder Schweizer Helikopterpilot, ihre Ausbildung ist gleich gut. Je nach Gegebenheiten oder Gefahrenpotenzial müssen sie individuell entscheiden, wo das Landen möglich ist.“
Durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit gibt es nur Gewinner
Bei den Bodeneinsätzen sind die Zahlen des Innenministeriums differenzierter zu betrachten. Heruntergebrochen auf die beiden Landkreise Waldshut und Lörrach lassen sie sich laut Huber folgendermaßen aufteilen: 223 Bodeneinsätze deutscher Einsatzkräfte aus dem Landkreis Waldshut in der Schweiz, 121 umgekehrt. 28 Bodeneinsätze deutscher Einsatzkräfte aus dem Landkreis Lörrach in der Schweiz, 446 umgekehrt.
Besonders an der Grenze bei Stühlingen im östlichen Teil des Landkreises Waldshut profitieren die Schweizer Nachbarn von Einsatzmitteln der Deutschen. „Das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) in Stühlingen versorgt auch Schleitheim und Beggingen (CH) mit.“ Das bedeute, immer wenn in der Nähe ein Notarzt benötigt werde, komme das Einsatzfahrzeug aus Deutschland zum Einsatz. Grund dafür sei auch hier die sogenannte Next-Best-Strategie, bei der es darum geht, Ressourcen möglichst effizient und schnell einzusetzen.
Doch als einseitig bezeichnen die Schweizer Nachbarn die grenzüberschreitende Zusammenarbeit trotz der vielen Hubschraubereinsätze auf deutscher Rheinseite trotzdem nicht ein. Jean Mezghini, Leiter Rettungsdienst Spital Bülach: „Dass die Schweiz in Deutschland deutlich mehr Einsätze bedienen als umgekehrt, ist kein Novum für mich.“ Durch die hohe Dichte an schweizerischen Luftrettungsmitteln entlang der deutschen Grenze verwundere ihn die hohe Anzahl der Einsätze gar nicht. „Zum Thema grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann ich mitteilen, dass wir für Einsätze in Deutschland grundsätzlich zur Verfügung stehen.“

Ballungszentrum Basel verfügt über viele Einsatzmittel
Auch Adrian Schindler, Mediensprecher Schweizerische Rettungsflugwacht Rega, schließt sich den Worten Mezghinis an: „Die Zusammenarbeit zwischen der Rega und den Leitstellen im süddeutschen Raum funktioniert sehr gut und hat sich seit vielen Jahren bewährt.“ Die Rega stehe der Bevölkerung im süddeutschen Raum rund um die Uhr mit ihren Rettungshelikoptern zur Verfügung, sollte die schnelle medizinische Hilfe aus der Luft benötigt werden.
„Die Sanität der Rettung Basel-Stadt führt mehr Einsätze in Deutschland durch als deutsche Sanitätsdienste bei uns“, weiß auch Toprak Yerguz, Leiter Kommunikation, Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt. „In unserer Region ist zweifellos die Siedlungsentwicklung ein gewichtiger Grund dafür, dass viele Dienste, Einsatzmittel und Ressourcen aus dem Ballungszentrum Basel verfügbar sind. Die Zusammenarbeit mit Deutschland funktioniert in unserer Region sehr gut.“