Eigentlich ist jedes Jahr ein Beethoven-Jahr. Zumindest führt der Bonner Jahr für Jahr die Statistiken der meistgespielten klassischen Komponisten an und wechselt sich dabei höchstens mal mit Mozart ab. Da ist also grundsätzlich wenig Luft nach oben, wenn in diesem Jahr Beethovens 250. Geburtstag gefeiert wird. Es sei denn, man findet Gefallen an noch mehr Götterfunken, noch mehr Tatatataa und noch mehr Mondscheinsonaten. Aber wer tut das schon?

Beethoven gegen den Populismus

Dennoch wird es wohl so kommen. Daniel Barenboim wird mit seinem West-Eastern Divan Orchestra in Bonn aufspielen – wenig überraschend mit der Neunten. Die Berliner Philharmoniker planen einen 24 Stunden langen Beethoven-Marathon. Nur unwesentlich mehr Kreativität beweist der Kultursender Arte und überträgt alle neun Sinfonien live aus neun verschiedenen Städten Europas. Die Message ist klar: Beethoven, der Komponist der Europahymne, hätte für den Zusammenhalt Europas gekämpft. Mit ihm hätte es keinen Brexit gegeben und sicherlich auch keine AfD. Schade, dass man ihn nicht in die Politik wählen kann, sondern nur auf die Konzertprogramme. Das geschieht in diesem Jubeljahr aber umso eifriger.

Beethoven der Popstar

Ein einziger Mitspieler im Jubiläum hat da weiter gedacht: die Telekom. Dem drohenden Beethoven-Overkill weicht sie von vornherein aus, indem sie Robbie Williams für einem Konzert in Bonn verpflichtet hat. Was das mit Beethoven zu tun hat? Nichts, aber genau darum geht es ja. Robbie Williams hat gleichwohl in einer Videobotschaft beteuert: „Ob ihr es glaubt oder nicht, ich komme wegen Beethoven.“ Das muss reichen an Beethoven-Bezug. Ok, eine stille Message gibt es natürlich auch hier: Beethoven war seinerzeit ein Popstar – so wie heute Robbie Williams. So oder so ähnlich sieht das Telekom-Chef Timotheus Höttges. Und weil es heute Robbie Williams gibt, brauchen wir uns mit Beethoven eigentlich gar nicht mehr zu beschäftigen. Danke, Herr Höttges.

Doch wir tun dem Konzern unrecht. Denn tatsächlich hat er die Aufführung einer Beethoven-Sinfonie initiiert, die so unbekannt ist, dass nicht einmal Beethoven von ihr wusste. Dieser hat zu Lebzeiten eine zehnte Sinfonie zu komponieren begonnen. Davon existieren aber nur ein paar Notizen. Nun soll diese Sinfonie mithilfe von künstlicher Intelligenz im Sinne Beethovens geschrieben werden. Ein Team aus Musikwissenschaftlern, Komponisten und Computer-Experten arbeitet daran. Die Aufführung ist für den 28. April geplant. Immerhin ein ergebnisoffenes Experiment. Dafür muss man dankbar sein.

Beethoven als Klimaschützer

Beethoven war übrigens auch Umweltaktivist und Klimaschützer. Den Beweis liefert seine 6. Sinfonie, die so genannte Pastorale. Beethoven muss beim Komponieren die Klimaerwärmung vorhergesehen haben. Zwischen Bachgeplätscher, Vogelzwitschern und Gewittergrollen sieht man förmlich Greta tanzen. Der britische Pianist Paul Barton formuliert das so: Die Pastorale „inspiriert uns, die Kraft zu finden, die wir gemeinsam für den Erhalt unseres Planeten benötigen.“ Daher spielt er die Sechste schonmal thailändischen Elefanten vor. Das ist Teil des weltweiten „Beethoven Pastoral Projects“ im Beethoven-Jahr. Niemand behaupte, die große Beethoven-Party kenne keine kreativen Momente.

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