Eins vorweg: Kunst und Autos, diese Kombination funktioniert. In Singen gibt es seit 2013 ein Museum, das sich diese Verbindung auf die Fahne schreibt. Es hat schon so manche erkenntnisreiche Ausstellung gezeigt. Mal ging es um Geschwindigkeit und ihre ästhetische Wirkung, mal um Technologie und ihre sakrale Bedeutung. Dass die Stifter des Museums, das Ehepaar Hermann und Gabriela Maier, aus ihrer Autobegeisterung keinen Hehl machten, erwies sich dabei selten als Problem.
In den vergangenen drei Jahren ist neben dem „Museum Art & Cars“, kurz „Mac“ ein zweiter Bau entstanden. „Mac 2“ nennt er sich, und für das Wochenende steht seine feierliche Eröffnung an.
Nun hat das Auto in diesen drei Jahren auch eine zunehmend kritische Betrachtung erfahren. Der öffentliche Diskurs dreht sich um Abgasskandal, Tempolimit, Klimaschutz. Schlechte Zeiten für die Eröffnung eines Museums für Kunst und Autos? Kommt drauf an. Vielleicht gibt es ja keinen besseren Zeitpunkt. Das jedenfalls meint der Künstler Markus Brenner, der für den neuen Bau eine Video- und Lichtinstallation beigesteuert hat.
Er könnte damit Recht haben, wenn sich das Museum als Ort einer kritischen Reflexion erleben ließe. Als eine Stätte, in der die Hoffnungen und Tragödien, die Sehnsüchte und Ängste, die mit dem Auto schon immer verbunden waren, vielfältig und spannungsreich zur Geltung kommen.
Mondänes Glitzern
Doch dann steht man vor diesen wuchtigen Türmen mit den tief eingeschnittenen Scharten und ihrer mondän glitzernden Fassade. Die wenigen Fenster ragen – wie alles an diesem Bau – herrschaftlich in die Höhe, der Eintritt erfolgt durchs goldene Tor.

Er habe sich, sagt Architekt Daniel Binder, in seinem Entwurf an den schroffen Formen des Hohentwiel orientiert. Tatsächlich aber fühlt sich der Betrachter eher an die Herrschaftssymbolik der oben befindlichen Festungsruine erinnert. Einen Ort der kritischen Reflexion stellt man sich anders vor.
Viele Neider, wenig Förderer
Oben in der „Sky-Lounge“, mit dem laut Architekt wohl besten Ausblick über die Stadt, spricht Hermann Maier von den Hindernissen, die er und seine Frau auf dem Weg zur Fertigstellung hätten bewältigen müssen. Viele Neider habe es gegeben, aber wenig Förderer. Die seien nämlich eher an Umweltthemen interessiert: „Wenn wir wollten, dass sich irgendein Landesbeamter um Unterstützung kümmert, müssten wir ein Friday-for-Future-Museum planen.“ Die Gesellschaft, meint Maier, habe vergessen, „dass uns das Automobil den Wohlstand gebracht hat“. Das Auto, ein Heilsbringer?
Die sieben Ausstellungsräume sind weitgehend fensterlos, dunkel. In fahler Beleuchtung enthüllen sich dem Auge majestätische Lamborghinis und Porsches, aber auch Modelle, die vor allem Expertenherzen höher schlagen lassen: einen frühen SUV der Marke Monteverdi, einen Sportschlitten der Marke Bizzarrini. Man habe mit der fahlen Beleuchtung die Autos bewusst „mystifizieren“ wollen, sagt Maier.
Der von Markus Brenner bespielte Schacht nennt sich „Lichtdom“, Brenner selbst spricht von einem „Andachtsraum zum Thema Auto“. Man möchte bei solchen Aussagen irgendwo Ironie erkennen, allein: Es scheint sein voller Ernst zu sein. Das Video zeigt Kreuze aus Feuer und Wasser und ein in Wasser gefrorenes Automobil, das mit zunehmender Schmelze Stück für Stück zum Vorschein kommt: „wie ein Traum, der allmählich auftaut.“
Wer draußen noch glaubte, eine Burg zu betreten, sieht sich spätestens jetzt eines Besseren belehrt. Es ist eine Kathedrale vielmehr, eine Anbetungsstätte fürs Automobil. Und irgendwie auch eine Zeitmaschine, die den Besucher in längst vergangen geglaubte Epochen entführt.
Leicht bekleidet auf der Motorhaube
Das kann Sinn und Zweck eines Museums sein: etwa, wenn Werke bekannter Motorsport-Fotografen wie Rainer Schlegelmilch an eine Gesellschaft erinnern, die Autos mit leicht bekleideten Damen auf der Motorhaube zu feiern pflegte. Unheimlich wird es jedoch, wenn sich beim Gang auf die Besuchertoilette diese Ästhetik als noch immer zeitgemäß präsentiert. In der Formel 1 sind die sogenannten Grid-Girls bereits abgeschafft – hier pinkelt man noch mit Blick auf nackte Haut und goldene Höschen. Muss man Sexismus-Hysteriker sein, das für abgeschmackt zu halten?

Es gibt auch einen Raum, der sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Interessant sind hier ausgestellte Exemplare von elektronisch betriebenen Automobilen aus den 40er- und 50er Jahren. Doch was als kritische Auseinandersetzung mit der Klimaproblematik angedacht ist, kommt eher wie ein Werbeblock für den regionalen Energieversorger daher. Die Botschaft: „Gas geben mit gutem Gewissen.“
Keine Frage, wunderschöne Autos sind hier zu erblicken und manch imposantes Werk, von dem sich viel über den Reiz und die Herausforderung der Motorsport-Fotografie lernen lässt. Doch die ästhetische Inszenierung innen wie außen ist von bisweilen grotesk anmutender Gestrigkeit: Man erhält eine lebhafte Vorstellung davon, welche Skrupel sich hinter dem vermeintlichen Neid manchen Kritikers verbergen könnten. Mag ja sein, dass das Automobil uns materiellen Wohlstand brachte. Aber zu welchem Preis? Und wer bezahlt ihn?
In der Kunst gehört das Fragen und Zweifeln zwingend dazu. Im Glauben dagegen ist es verpönt. Wer seinen festen Glauben ans Automobil noch nicht verloren hat: Für den ist dieses „Mac 2“ ein wahrer Gottesdienst.
Eröffnung am Samstag um 11 Uhr in Singen, Parkstraße 1. Weitere Informationen:
http://www.museum-art-cars.http://com