Es ist wieder Festivalzeit: Nach dem Southside folgen nun Festivals wie das auf dem Hohentwiel (in diesem Jahr auf dem Rathausplatz Singen), in Salem, Tettnang, Markdorf, auf dem Honberg bei Tuttlingen oder das Stimmen-Festival im Dreiländereck bei Lörrach. Männer wie Frauen werden die Konzerte besuchen – auf den Bühnen aber sind die Männer klar in der Mehrheit.
Der Frauenmangel auf Festivalbühnen ist bekannt. Im vergangenen Jahr lästerte Berlin über „Schniedelpalooza“, weil auch beim Lollapalooza-Festival kaum Frauen im Line-up vertreten waren. Doch: Woher nehmen?
„Es gibt einfach viel mehr männliche Rockmusiker“, sagt der Musiksoziologe Holger Schwetter. „Rock galt – und gilt – eher als Jungssache, Mädchen werden eher angehalten, weiche Instrumente zu lernen: Flöte, Geige, Klavier und nicht Schlagzeug, Bass oder E-Gitarre.“
In der klassischen Rockmusik ist der Frauenmangel daher besonders eklatant. Katharina Wenisch, die Sprecherin von Festivalveranstalter Marek Lieberberg, sagt: „Bei der Auswahl der Bands beziehungsweise Solokünstler, die bei Rock am Ring und Rock im Park spielen, achten wir vorrangig darauf, dass sie zu unseren Stilrichtungen passen. Hier sind Qualität und Aktualität entscheidend.“ Eine „gender-bezogene Auswahl“ finde nicht statt.

Auch bei Allgäu Concerts, Veranstalter unter anderem des Salem Open Air, spielt die Geschlechterfrage beim Booking keine Rolle, wie Geschäftsführerin Michaela Schneider mitteilt. Sie weist aber darauf hin, dass in der Vergangenheit in Salem „auch schon einige Frauen aufgetreten“ sind. In diesem Jahr allerdings nicht.
Meist sieht es bei den Festivals, die sich aus einzelnen Konzerten zusammensetzen, etwas besser aus. Da haben dann auch Solokünstlerinnen wie Namika (4. Juli 2019 in Markdorf und 17. Juli beim Honberg-Festival) oder Zaz (28. Juli in Tettnang) ihre Auftritte. Auch beim Stimmen-Festival ist der Frauenanteil vergleichsweise hoch – allerdings deckt das Programm hier auch Weltmusik und Klassik ab.
Frauenquote von fast 50 Prozent in Lörrach
Jedenfalls machen sich die Veranstalter in Lörrach explizit Gedanken über das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Künstlern. „Natürlich gehen hier auch für uns Wunsch und Möglichkeit nicht immer zusammen“, sagt Markus Muffler, Leiter des Festivals. Gerade für den Marktplatz gebe es nur wenige Künstlerinnen, die in Frage kommen.
Die Konzerte dort sind allerdings stets die besonders publikumswirksamen – und in diesem Jahr sind Frauen hier ebenfalls Fehlanzeige. „Dennoch“, so die Lörracher Veranstalter, „haben wir es in diesem Jahr geschafft, durch das Festival hinweg bei den Headlinern der einzelnen Abende eine Frauenquote von knapp 50 Prozent zu erreichen. Das dürfte in der deutschen Festivallandschaft sehr selten sein und darauf sind wir auch wirklich stolz.“
Generell gilt: Nur wenige Bands haben auch Frauen dabei. „Und das sind wahrscheinlich die Sängerinnen …“, sagt Ilka Siedenburg, Professorin für Musikpädagogik in Münster. „Noch mehr als im Gesang zeigt sich das Phänomen bei den Instrumentalmusikerinnen. Da wird es richtig dünn.“
In der klassischen Musik gebe es zwar mehr Frauen als früher. „Aber im Pop, Rock und Jazz sind es erschreckend wenige. In Studiengängen für Populäre Musik liegt der Frauenanteil aktuell bei 20 bis 25 Prozent. Berücksichtigt man nur die Instrumentalistinnen, landet man im einstelligen Bereich.“
Warum gründen Mädchen keine Bands?
Siedenburg führt das auch darauf zurück, dass Mädchen viel seltener als Jungs Bands gründen. Außerdem sei die Musikbranche eine männliche mit „fast ausschließlich männlichen Produzenten“.
Der Musikjournalist und Buchautor Ernst Hofacker wird deutlich und benennt einen traditionellen Sexismus, „das Machohafte“, in der Branche: „Da kann man im wahrsten Sinne davon sprechen, dass die Jungs die Puppen haben tanzen lassen.“
Ein Abbild der Gesellschaft
Er betont, dass das nicht nur ein Problem der Rockmusik-Branche sei. „Das ist immer auch ein Bild der Gesellschaft. Solange es in einer Gesellschaft vollkommen normal ist, dass Mädels anders erzogen werden – Stichwort rosa und blau – und die wilde Rolle den Jungs überlassen wird, dann darf man sich nicht wundern.“
Es sei „gesellschaftlich nicht erwünscht, wenn Mädchen und Frauen Aggressionen zeigen und rauslassen“, sagt Musiksoziologe Holger Schwetter. „Und die Frauen in der Rockgeschichte werden marginalisiert.“ Bob Dylan gelte zum Beispiel als „wertvoller“ als Joni Mitchell. Es gibt also auch im Pop und Rock noch viel zu tun.