Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis man sich dran gewöhnt hat: Die Südwestdeutsche Philharmonie heißt jetzt Bodensee Philharmonie. Im Namen zieht das Orchester den geografischen Radius also enger, de facto aber handelt es sich genau umgekehrt um eine Öffnung. Mehr als bislang möchte man sich als Klangkörper vom Bodensee zeigen und die Region entsprechend stärker bespielen.

Chefdirigent Venzago hatte in den vergangenen Monaten viel Energie darauf verwendet, neue Spielorte zu finden, neue Kontakte herzustellen und an alte wieder anzuknüpfen. Als neuer Spielort konnte etwa Stockach hinzugewonnen werden, mit Feldkirch gibt es eine neue Kooperation, und in der kommenden Spielzeit reist die Bodensee Philharmonie zu Gastspielen bis nach Zürich und Mailand.

Im Gegensatz zu früher bringt das Orchester nun aber eigene Programme mit, die es zuvor schon in den Abokonzerten am See präsentiert hat und die daher für die Gastspiele nicht eigens einstudiert werden müssen.

Hans-Georg Hofmann leitet als Interims-Intendant die Geschicke der Philharmonie für ein Jahr.
Hans-Georg Hofmann leitet als Interims-Intendant die Geschicke der Philharmonie für ein Jahr. | Bild: Benno Hunziker

Der Name ist nicht das Einzige, was sich bei der Philharmonie geändert hat. Seit Anfang Juli ist mit Hans-Georg Hofmann ein neuer Intendant im Amt, der die Leitung für ein Jahr interimsmäßig übernimmt. Und zum neuen Namen gibt es auch ein neues Corporate Design in einem (idealisierten) Bodenseewasser-Blau. Die neue Spielzeit steht entsprechend unter dem Motto „See you“.

Wie ernst es den Verantwortlichen mit dem Aufbruch ist, zeigte sich auch daran, dass sie gleich zu viert die neue Spielzeit in einer Pressekonferenz vorstellten: neben Intendant Hans-Georg Hofmann waren das Chefdirigent Gabriel Venzago, die Musikvermittlerin Andrea Hoever und Musikschulleiter Dieter Dörrenbächer. Dass sie sich immer wieder gegenseitig das Wort gaben, statt einfach nur den eigenen Bereich zu präsentieren, lag auch daran, dass diese Bereiche stärker denn je miteinander verwoben sind.

Von links: Dieter Dörrenbächer, Gabriel Venzago, Andrea Hoever, Hans-Georg Hofmann präsentierten die Saisaon 2024/25.
Von links: Dieter Dörrenbächer, Gabriel Venzago, Andrea Hoever, Hans-Georg Hofmann präsentierten die Saisaon 2024/25. | Bild: Elisabeth Schwind

So segelt die Junge Bodensee Philharmonie, für die sich junge Musiker und Musikerinnen aus der gesamten Bodenseeregion projektweise bewerben können, zwar unter dem Label „Musikvermittlung“, wäre aber ohne die Kooperation mit der Musikschule undenkbar.

Hinein in die Stadt

Die Exzellenzförderung durch den Bund wiederum, an deren inhaltlicher Umsetzung unter dem Oberbegriff „Zukunftsmusik“ Andrea Hoever maßgeblich arbeitet, schlägt sich auch in der Gestaltung der philharmonischen Abo-Konzerte nieder: Vier sogenannte „Exzellenzwochen“ wird es in der Saison 2024/25 geben, jedes Quartal eine. Sie stehen jeweils unter einem gesellschaftrelevanten Thema. Zunächst „Klima und Nachhaltigkeit“, dann „Demokratie“, „Diversität“ und schließlich „Begegnung/in Kontakt kommen“.

Zum jeweiligen Thema soll es in der ganzen Stadt unterschiedlichste Veranstaltungen wie Installationen, Performances, Vorträge und Ausstellungen geben. Ziel ist, als Orchester in den direkten Austausch und Kontakt mit der Stadtgesellschaft zu treten.

Und auch die Programme der Abo-Konzerte sind Teil der Themenwochen. So steht beispielsweise im Oktober, wenn es um „Klima und Nachhaltigkeit“ geht, das „Recycling Concerto“ von Gregor A. Mayrhofer auf dem Programm. Die Percussionistin Vivi Vassileva wird darin gemäß dem Motto „Wie klingt Müll?“ Abfall wie leere Plastikflaschen zu Musikinstrumenten machen. Das Stück wird übrigens auch abseits der Abo-Konzerte in den Entsorgungsbetrieben Konstanz aufgeführt (12. Oktober).

Per Schnellzug durchs Konzil

Die Programme der zehn Philharmonischen Konzerte hat Chefdirigent Gabriel Venzago entworfen, und wenn man genauer hinschaut, sieht man, welchen Spaß es ihm bereitet haben muss, in der Werkauswahl Bezüge zum See und zur Region mit der Nähe zur Schweiz und den Alpen herzustellen.

Da kann man auch manches Augenzwinkern wahrnehmen, etwa wenn zur Saisoneröffnung mit Arthur Honeggers „Pacific 231“ eine Schnellzug-Lokomotive durchs Konzil düst und das reale Zug-Rattern, das immer wieder die Konzerte im Konzil unschön begleitet, aufs Korn nimmt.

Schauspielerin Johanna Wokalek kommt

Auch die Wasser-Symbolik kommt nicht zu kurz, ob in Programmen, die sich „Fließende Melodien“, „Mein lieber Schwan“ (mit der Ouvertüre zu Wagners Lohengrin) oder „Zaubersee“ (mit Paul Dukas „Zauberlehrling“ und Debussys „La Mer“) nennen oder in Werken wie Felix Mendelssohn Bartholdys „Meeresstille und glückliche Fahrt“ und Robert Schumanns 3. Symphonie, der „Rheinischen“.

Und die Nähe zu den Alpen spiegelt sich unter anderem in einem Konzert für Alphorn und Orchester wieder, das der Schweizer Daniel Schnyder komponiert hat. Ein weiteres Highlight wird die Aufführung von Mendelssohn Bartholdys Schauspielmusik zum „Sommernachtstraum“ sein. Als Sprecherin konnte die aus TV und Film bekannte Schauspielerin Johanna Wokalek (“Die Päpstin“) gewonnen werden.

Mehr Frauen im Programm

Insgesamt gibt es eine Mischung aus Bekanntem (wie etwa Beethovens „Eroica“ oder Samuel Barbers „Adagio for Strings“) und weniger Bekanntem, auch Werke aus der Feder zeitgenössischer Komponisten oder Komponistinnen – etwa von dem vor wenigen Tagen verstorbenen Wolfgang Rihm oder von der Siemens-Preisträgerin Unsuk Chin. In die Themenwoche „Diversität“ fällt sogar eine Symphonie der afroamerikanischen Komponistin Florence Price (1887-1953), die erst posthum wiederentdeckt wurde. Auch künftig, so versichert Gabriel Venzago, sollen mehr Frauen Einzug in die Programme halten.

Hier hat sich in den letzten Jahren in der Tat sehr viel bewegt. Komponistinnen und Dirigentinnen sind auf dem Vormarsch. Und mit Yura Yang wird die frisch zur Ersten Kapellmeisterin der Oper Leipzig gekürte Koreanerin auch die Bodensee Philharmonie dirigieren.

Sechs der Philharmonischen Konzerte dirigiert Chefdirigent Venzago selbst. Er führt auch das beliebte Matinee-Format weiter, in dem er jeweils ein Stück aus einem Abo-Konzert erklärend unter die Lupe nimmt. Das Format nennt sich nun „Gesprächskonzert“. Gegenstand werden Richard Strauss‘ Symphonische Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, Beethovens „Eroica“ und Anton Bruckners 4. Symphonie sein.

Apropos Bruckner: Die Reihe im Münster unter der Leitung von Marcus Bosch wird ebenfalls fortgeführt, aber, so Venzago, wolle man Bruckner nicht ausschließlich im Münster präsentieren. Er findet daher im März-Programm ebenfalls einen Platz.

Werke des „schwarzen Mozart“

Am Herzen liegt Venzago, dem ehemaligen Salzburger, die dreiteilige Mozart-Reihe im Konstanzer Inselhotel. Jeder Teil weist eine Besonderheit auf: im Dezember tritt die erst 17-jährige Pianistin Monica Zhang in die Fußstapfen des Wunderkinds Mozart; im Februar kommt Frank Stadler, Konzertmeister des Mozarteumorchesters, mit der originalen Geige von Mozart nach Konstanz; und im April erklingen Werke des sogenannten „schwarzen Mozart“ Joseph Bologne (1745-1799).

Mit Dennis Orellana wird überdies ein Sänger zu hören sein, der in Sopranlage singt. Kaum nötig zu erwähnen, dass dieses Konzert wiederum in der Themenwoche „Diversität“ verankert ist.