Ein Zeppelin ist kein Flugzeug und schon gar nicht erst eine Rakete. Erstaunlich mutet daher an, wie steil er auf vielen Fotografien in die Höhe schießt. Ob im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik oder auch in der NS-Zeit: Wann immer irgendwo dieses Verkehrsmittel am Himmel erschien, warfen sich die Fotografen in den Staub. Denn aus der Froschperspektive und entsprechend günstigem Winkel sieht so ein träger Tanker der Luftfahrt plötzlich ungemein dynamisch aus.
Das Friedrichshafener Zeppelinmuseum hat sein Archiv an Fotografien durchforstet. Drei Fragen habe sie dabei umgetrieben, sagt Kuratorin Mara-Johanna Kölmel: „Wie transportieren diese Bilder Macht? Wie konstruieren sie Geschichte? Und wann wird daraus Propaganda?“
In einer Ausstellung kann das Publikum sich diese Fragen nun selbst beantworten. Und vor allem bei der zuletzt genannten, der nach dem Startschuss für die propagandistische Vereinnahmung dieser technischen Innovation, fällt das nicht schwer: „Sehr früh.“
Andächtige Beobachter
Man kann genau genommen alle Eigenschaften der kommenden Zeppelin-Fotografie bereits am allerersten Dokument eines fliegenden Exemplars studieren. Es datiert auf den 2. Juli 1900 und zeigt erstens: ein Luftschiff über dem Bodensee mit steil nach oben weisendem Bug. Zweitens: die Weiten des Himmels und des Wassers als Kulisse für den menschlichen Eroberungsdrang. Und drittens: drei Jungen in kurzen Hosen am Ufer als andächtige Beobachter.

Es ist nicht nur der Dreiklang aus Technik, Natur und Mensch, der hier zum Tragen kommt. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Rollenaufteilung. Der Mensch nämlich wird hier degradiert zum staunenden Zaungast der Moderne. Bürgerlich demokratische Anliegen wie Meinungsfreiheit, Teilhabe, Mitsprache: Bei diesem imposanten Anblick müssen sie ihm geradezu mickrig erscheinen.
Dabei erkennt allein der Experte den schmalen Grat zwischen majestätischem Auftritt und peinlicher Blamage. Ein Zeppelin nämlich, das so schief in der Luft hängt, droht jederzeit zu kentern. Die Jungfernfahrt der LZ 1 scheint an einer Katastrophe gerade noch vorbeigeschrammt zu sein, jedenfalls legt die Aufnahme das nahe. Womit wir auch schon bei der letzten beispielhaften Eigenschaft dieses Dokuments wären: den Zweifeln an ihrer Echtheit. Gut möglich ist nämlich, dass es sich hier nur um eine raffinierte Montage im Dienste der Propaganda handelt.
Was haben sich deutsche Fotografen (die meisten von ihnen sind unbekannt) nicht alles einfallen lassen, um diesen Apparat als Phallus-Symbol der Macht zu inszenieren! Mal wird er mystisch von Wolken umwabert. Mal überfliegt er im Stil von Caspar David Friedrich bei Mondschein eine Küstenregion. Und dann wieder zeigt uns ein zweiter Fotograf auf dem Dach seines Autos an, wie wir dieser Himmelserscheinung zu begegnen haben – er geht buchstäblich in die Knie.

„Deutschland wollte mehr Macht und mehr Land“ und „das Volk stolz machen“, heißt es in grausigem Deutsch auf den Erklärtafeln (verunglückter Versuch von Barrierefreiheit?). Tatsächlich erweist sich der Zeppelin als perfektes Vehikel für imperiale Bestrebungen. Schon bald kreist der Deutsche Phallus über fremden Metropolen oder auch den Palmen Südamerikas. Der Fotograf lässt am Ankermast im brasilianischen Recife de Pernambuco dezent eine Schilfhütte ins Bild ragen, damit das deutsche Hightech-Produkt im Kontrast zur vermeintlich rückständigen Südsee umso heller erstrahlt.

Es gibt auch Aufnahmen abseits der politischen Vereinnahmung. Dann zeigt sich der Gigant plötzlich von seiner fragilen, verletzlichen Seite. Lotte Eckener blickt durch die Bugspitze des Stahlgerippes auf die Landschaft bei Friedrichshafen, entdeckt im Abgleich von Natur und Gerüst unvermutet ähnliche Strukturen. Und einem unbekannten Fotografen gelingt ein geradezu magisches Szenario mit Zeppelin-Gerippe auf dem von sanften Wellen bewegten Bodensee.

Aber die Inszenierung im Dienste der Macht bleibt übermächtig bis zum Schluss: bis zu jenem ikonischen Augenblick, als bei Lakehurst die „Hindenburg“ in Flammen aufgeht. Es ist vielleicht der Moment, in dem die Medien sich erstmals aus den Fängen der Politik lösen und eine eigene Erzählung von Macht entwickeln. Denn Zeppelinbrände hatte es bis dahin schon viele gegeben, auch war die Opferzahl keineswegs besonders hoch. Doch erst die Anwesenheit zahlreicher Fotografen und sogar Kameramänner macht aus dem Vorfall ein historisches Ereignis.
Der Zeppelin sollte mithilfe der Medien für die Politik Geschichte schreiben. Am Ende schrieben die Medien die Geschichte. Das Luftschiff dagegen verschwand vom Himmel.
„Bild und Macht. Zeppelin-Fotografie im Fokus“: Bis 12. April 2025 im Zeppelin-Museum Friedrichshafen. Öffnungszeiten: täglich 9-17 Uhr. Weitere Informationen: www.zeppelin-museum.de