Michi, Smudo, Sie haben die Album-Release-Show zu „Captain Fantastic“ im Stuttgarter Club „Im Wizemann“ gespielt. Warum gerade dort?
Smudo: Wo hätten wir das denn sonst machen sollen? (lacht)
Michi Beck: Smudo lebt in Hamburg, Thomas in der Eifel, ich in Berlin, und nur Andy ist noch hier. Aber: Wir sind und bleiben eine Stuttgarter Band!
Smudo, Sie sind im März, Michi, Sie im Dezember 50 geworden. Wie darf man sich Ihre jeweilige Party vorstellen?
Michi Beck: Ausschweifend. Es gab Käse und Kirschschnaps, bis zum Exzess.
Smudo: Von Michis Party hatte ich die ganze Woche was. Mein Geburtstag war aber auch geil. Ich habe richtig aufgefahren und mit Champagner, Austern und Jazz-Band gefeiert.
Verändert sich was, wenn man 50 wird?
Michi: In der Woche vor dem Geburtstag-Tag war ich richtig scheiße drauf …
Smudo: Ich auch.
Ehrlich?
Michi: Ja. Denn du weißt, dass du ziemlich sicher mehr Zeit hinter dir als noch vor dir hast. Das war definitiv der schwerste Geburtstag bisher.
Ist irgendwas super am Älterwerden?
Michi: Nee.
Smudo: Na ja. Vielleicht, dass einem manche Sachen scheißegal werden.
Michi: Es ist aber auch kein Drama. Ich finde es bloß blöd, wenn man sich rausredet mit diesem: „Ich bin weiser und gelassener geworden.“ Es herrscht nun mal Verfall, und das ist doof. Aber es ist toll, dass wir immer noch so abgehen, wie wir abgehen. Und dass wir ein zehntes Studio-Album gemacht haben, dass sich absolut hören lassen kann.
„Immer noch die Fittesten, immer noch die Frischesten“ rappen Sie im sehr knackig-fröhlichen Stück „Hitisn“. Das halbe Jahrhundert hört man Ihnen auf „Captain Fantastic“ jedenfalls nicht an.
Michi: Gut so. Wir haben die klassischen Hip-Hop-Elemente auf dem Album stärker in den Vordergrund gestellt, mit sehr vielen Beats und Rhymes gearbeitet und die Produktion hier und da minimalistischer gehalten. Für unsere Verhältnisse sind auf der Platte etwas weniger Melodien, dafür viele Punchline- und Poser-Raps drauf.
Sie feiern sich, die „vier Dudes mit dem Riesen-Ego“, wie es auf „Hitisn“ heißt, also ordentlich ab. Ist das nun Selbst-ironie oder Selbstbeweihräucherung?
Smudo: Beides. Wir haben bei diesem Album auch mit Ideen von außen gearbeitet, Tracks wie „Hitisn“ oder „Aller Anfang ist Yeah“ greifen zum Beispiel Ideen von Samy Deluxe oder Denyo von den Beginnern auf, und diese Jungs feiern uns halt mächtig ab. Wir selbst hätten es nie gewagt, uns so zu beweihräuchern, aber wenn das jemand von außen so sieht, dann denkst du: „Wird wohl was dran sein.“
Michi: Dieser Input war extrem erfrischend. Dadurch machen wir auf unserem Jubiläums-Album so dermaßen einen auf dicke Hose wie seit unserem Debüt „Jetzt geht’s ab“ nicht mehr.
Der erste neue Song vom neuen Album war „Endzeitstimmung“. So politisch hat man Sie noch nie gehört.
Smudo: Der Fanta-Kosmos ist geprägt durch die Welt, in der wir leben, und da die Zeiten gerade sehr politisch aufgeheizt sind, nimmt das Politische auch einen größeren Raum auf unserem Album ein. Das finden wir selbst interessant, denn wir haben uns im Grunde nie als politische Band gesehen. Wir haben höchstens mal gesellschaftliche Themen aufgegriffen und sie humorvoll illustriert. Aber jetzt war es so, dass uns speziell das Thema „Schleichender Populismus und die Verrohung der Debatten-Kultur“ richtig geärgert hat. Und diese Wut hat zu dem Lied „Endzeitstimmung“ geführt.
Michi: Die Nummer klingt wie ein Party-Track, ist aber inhaltlich sehr ernst. Aber eine eindimensionale Protest-Platte könnten wir nicht machen. „Affen mit Waffen“ zum Beispiel lockern wir auf, indem Smudo aus dem „Dschungelbuch“ zitiert. Trotzdem sind das alles immer noch typische Fanta-Songs.
Statt „Pop, Pop, Populär“ rappen Sie nun „Pop, Pop, Populist“.
Smudo: Ja. So krass habe ich die Entwicklung nicht kommen sehen, aber durch mein Engagement bei „Laut gegen Nazis“ habe ich schon früh Wind von diesen Tendenzen bekommen. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass das Problem mit den Rechten so viel Schwung bekommt. Die Entwicklung wurde befeuert durch die Flüchtlingskrise und den damit zusammenhängenden Angst-Szenarien. Alles wurde sehr vereinfacht, die Realitäten simplifiziert, Details weggelassen – eben Populismus als politisches Mittel der Mobilmachung. Ich finde es ein Riesenproblem, dass durch den Rechtspopulismus die Sprache so verroht ist und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft so zugenommen hat. Die Rhetorik der Rechten bedroht die Gesellschaft viel mehr als die Tatsache, dass die AfD im Bundestag sitzt, wo sie sich ja permanent selbst demaskiert.
Sind Künstler wie Die Fantastischen Vier der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält?
Smudo: Ja. Es ist Aufgabe der Kunst, die Gesellschaft zu mobilisieren und ein Gefühl der Solidarität zu vermitteln. Musik ist ein verbindendes Element.
Michi: Wir leben den Zusammenhalt ja ganz praktisch vor, quasi am Mann. Wir vier haben mehr Zeit miteinander verbracht als mit irgendeinem anderen Menschen. Dass wir immer noch weitermachen, immer noch als Gemeinschaft funktionieren, das ist ein großes, bewegendes Gefühl. Fanta Vier – das ist nicht nur unser Lebensmodell, das ist unser Leben.
Smudo, Sie haben drei Töchter, die jüngste kam 2017 zur Welt, Michi, Sie haben zwei. Versacken Sie manchmal noch, wenn Sie privat unterwegs sind?
Smudo: Das kann passieren, darf aber nicht passieren. (lacht) Weil am nächsten Morgen um Viertel vor acht die Kinder in die Schule müssen. Und man sich dann den restlichen Vormittag auf den Mittagsschlaf mit dem Baby freut, um dann festzustellen, dass das Baby ausgerechnet heute keinen Mittagsschlaf machen will … Tja, das ist das Leben.
Was haben Sie noch für Karriere-Ziele?
Smudo: Wir spielen noch nicht wie Die Toten Hosen in Stadien, vielleicht schaffen wir das noch auf unsere alten Tage. Und wir hatten noch nicht diesen einen, alles erdrückenden Mega-Hit. Sondern immer nur Fanta-Hits.
Michi: Was ja auch okay ist.
Smudo: Was das würdevolle Altwerden als Band angeht, hat man hier nicht viel Anschauungsmaterial. Langfristig müssen wir uns wohl an Karl Lagerfeld orientieren und in Uniformen schlüpfen, die uns alterslos machen.
Der Album-Titel stand schon frühzeitig fest. Wer ist dieser „Captain Fantastic“?
Michi: Die Idee ist von Thomas. Der Captain ist keine Person und kein Superheld. Sondern eine Geisteshaltung.
Eine Geisteshaltung?
Smudo: Genau. „Captain Fantastic“ symbolisiert die Einstellung, dass man sich beim Schreiben und Musikmachen nicht so anstellen soll, sondern dass man überzeugt ist: Das wird geil. Der Titel war so eine Art Kniff, der uns half, den inneren Zensor loszuwerden.
Michi: Der Titel klingt auch einfach verdammt gut und steht für die einzigartige Supermacht, die uns immer noch mit unseren Fans verbindet.
Überhaupt durchzieht ein positives Grundgefühl das ganze Album.
Smudo: Das finden wir auch. „Captain Fantastic“ ist frisch, fröhlich und optimistisch.
Michi: Ich bin immer schon Berufspessimist, Thomas ist ein unerschütterlicher Optimist, Smudo irgendwas dazwischen, und der Haupteindruck der Platte ist eher ein „Seid glücklich“ als ein „Alles geht den Bach runter“. Deshalb war es uns wichtig, dass Album mit Thomas‘ Solo-Song „Weitermachen“ zu beenden. Der hat mich berührt wie lange kein Thomas-Stück mehr.
Die Frage, ob Die Fantastischen Vier weitermachen werden, dürfte sich also gar nicht erst stellen.
Smudo: Wir hören so schnell nicht auf. Unser 25-Jähriges haben wir gefühlte drei Jahre lang gefeiert, nächstes Jahr steht schon unser 30-Jähriges an, und das wollen wir gefühlte fünf Jahre lang feiern. Und das 40-Jährige erst, wie krass wird das denn? Dann sind wir 60.
Michi: Jubiläen und runde Geburtstage sind das Einzige, an dem man sich in unserem Alter noch hochziehen kann.
Die Fantastischen Vier
Smudo (Michael Bernd Schmidt), Thomas D (Thomas Dürr), Michi Beck (Michael Beck) und And.Ypsilon (Andreas Rieke) fanden sich 1986 zusammen, seit 1989 treten sie als Die Fantastischen Vier auf. Ihren ersten großen Hit hatte die Hip-Hop-Band 1992 mit „Die da!?!“, weitere Hits waren „Sie ist weg“, „MfG – mit freundlichen Grüßen“ und „Troy“. 1996 gründeten die Musiker (bis auf Thomas D sind inzwischen alle 50) das Label Four Music. In der Synchronisation der „Madagascar“-Animationsfilme haben sie den Pinguinen ihre Stimmen geliehen. Michi Beck und Smudo sind seit 2014 Coaches bei „The Voice Of Germany“. Am 27. April erscheint das zehnte Studio-Album „Captain Fantastic“. Die Band tritt 2018 drei Mal in Stuttgart auf (22. Juli,
22. und 23. Dezember), im kommenden Jahr am 5. Januar in Freiburg und am 6. Januar in Zürich.