Herr Voss, in den vier neuen Folgen Ihrer Sendung „XY gelöst“ geht es um Fälle, die in „Aktenzeichen XY … ungelöst“ vorgestellt wurden und erst nach langer Zeit geklärt werden konnten.
Stimmt, es gab zwar immer wieder Hinweise, aber bei allen vier Fällen waren die Ermittlungen schwierig, bis dann nach vielen Jahren – einer der Fälle wurde sogar erst nach 25 Jahren gelöst – endlich ein Puzzleteil zum anderen passte und die Verbrechen aufgeklärt werden konnten. Das war für die Ermittler und die Ermittlerinnen eine gewisse Genugtuung, und natürlich auch für „Aktenzeichen XY“, das bei der Aufklärung geholfen hat.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Ermittlern?
Ich lerne jedes Mal eine Menge dazu und bin auch fasziniert von dem Engagement, das diese Menschen an den Tag legen – manche investieren ihr halbes Leben in die Aufklärung eines Falls und bleiben unermüdlich am Ball. Ich hatte diesmal mit sehr erfahrenen Ermittlern zu tun, die an einem Tatort oder am Fundort einer Leiche noch alles bis in die kleinste Einzelheit wiedergeben können, auf die es damals bei den Ermittlungen angekommen ist. Das ist schon beeindruckend.
Sprechen Staatsanwälte und Polizisten gerne über ihre Fälle?
Oh ja, vor allem, wenn es die Fälle ihres Lebens sind. Die lassen sie nie los, häufig auch, weil sie so erschütternd waren.
Sie moderieren auch andere True-Crime-Sendungen. Ist das Thema wahre Verbrechen Ihr zweites Standbein neben der Sportberichterstattung?
Kann man so sagen, ich bin auf jeden Fall fasziniert von wahren Verbrechen – ein bisschen steckt diese Faszination vielleicht in jedem von uns. Das passt ganz gut zu mir. Dazu kommt, dass mir meine Erfahrungen vor allem aus der Live-Berichterstattung im Sport auch im Genre True Crime zugutekommen.

Aber so kriminell geht es im Sport doch gar nicht zu, meistens zumindest …
Das ist richtig. (lacht) Ich meine auch eher die Erfahrung, mit Menschen zu sprechen und dabei etwas herauszufinden – da unterscheiden sich Sportler und Ermittler kaum voneinander. True Crime ist aber nicht nur deshalb mein zweites Standbein, sondern auch, weil ich an das Gute glaube und davon überzeugt bin, dass Verbrechen wie Morde und andere schreckliche Dinge nicht ungesühnt bleiben dürfen.
True Crime boomt auf allen Kanälen, es gibt jedoch auch die Kritik, dass in diesem Genre Verbrechen zu Unterhaltungszwecken ausgeschlachtet werden.
Das kommt darauf an. Es gibt bestimmt Formate, die ganz bewusst mit dem Gruselfaktor echter Fälle arbeiten, um die Leute auf billige Art zu unterhalten. „XY gelöst“ und auch „Aktenzeichen XY ungelöst“ gehören ganz sicher nicht dazu: Wir stellen Verbrechen nicht zur Schau, sondern versuchen, einen kleinen Teil zu ihrer Aufklärung beizutragen – und das ist doch eine gute Sache.
Wie wichtig ist die Opferperspektive?
Sehr wichtig. Wir zeigen, wie Fälle aufgeklärt werden, aber auch, welche Auswirkungen Kriminalität und Verbrechen auf die Opfer haben. In der neuen Staffel geht es zum Beispiel um einen Fall, bei dem ein Mann seine Frau umgebracht hat und den Kindern erzählte, sie habe die Familie verlassen. Die Leiche der Frau mauerte er im Haus ein, sodass die ganze Familie über Jahre hinweg mit der toten Mutter unter einem Dach lebte – eine furchtbare Geschichte.
Wir haben mit dem Seelsorger der Familie gesprochen, der uns vom Leid der Kinder berichtet hat, die damals Teenager waren. Zum Glück sind sie damit klargekommen, sie stehen heute voll im Leben. Ein Beispiel wie dieses zeigt, dass es uns eben nicht in erster Linie um den Gruselfaktor geht.
Haben Sie sich als Kind eigentlich vor „Aktenzeichen XY“ gegruselt?
Ich durfte es lange Zeit überhaupt nicht gucken, meiner Mutter war das zu nah dran an der Realität. Als ich es dann endlich gucken durfte, habe ich mich natürlich gegruselt, vor allem an einen Fall erinnere ich mich: Es ging um eine Frau, die in einer Gartenlaube überfallen wurde und einen goldenen Ring trug. Die Täter wollten den unbedingt haben, aber der Ring ging nicht ab. Der Schnitt auf die Gartenschere hat völlig gereicht, um meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Diese Schere geht mir bis heute nicht mehr aus dem Kopf.