Ute Wessels, dpa

Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit wogen am Ende für die Richter schwerer: Mit Erfolg hat sich der deutsche Popsänger Xavier Naidoo (46, „Dieser Weg“) juristisch gegen Antisemitismus-Vorwürfe zur Wehr gesetzt.

Das Landgericht Regensburg untersagte einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung, den Sänger als Antisemiten zu bezeichnen. Sie habe diesen Vorwurf nicht ausreichend belegen können, sagte Richterin Barbara Pöschl bei der Urteilsverlesung. Die Referentin hatte im vergangenen Jahr in Straubing vor Publikum gesagt: „Er ist Antisemit, das ist strukturell nachweisbar.“ Die Stiftung setzt sich gegen Rechtsextremismus ein. Weder Naidoo noch die Referentin waren bei der Urteilsverkündung anwesend.

Der Musiker Xavier Naidoo spricht am Tag der Deutschen Einheit 2014 in Berlin vor sogenannten Reichsbürgern.
Der Musiker Xavier Naidoo spricht am Tag der Deutschen Einheit 2014 in Berlin vor sogenannten Reichsbürgern. | Bild: dpa

Naidoo, unter anderem Sänger der Band Söhne Mannheims, hatte sich in der Verhandlung vor drei Wochen auf die Kunstfreiheit berufen und betont, dass er sich gegen Rassismus einsetze. Den Vorwurf antisemitischer Ressentiments wies er im Gerichtssaal zurück. Sein Sohn trage zudem einen hebräischen Namen.

Die Beklagte hatte dargelegt, dass Naidoo in seinen Liedtexten auch antisemitische Codes und Chiffren verwende. Diese seien ihm nicht bekannt, hielt der Musiker dagegen. Der Vorwurf, Antisemit zu sein, greife in Naidoos Persönlichkeitsrecht ein, zudem sei bei dem Sänger der Schutz der Kunstfreiheit zu berücksichtigen, erläuterte nun die Regensburger Richterin. Die Referentin könne sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen, jedoch wiege hier das Recht auf Schutz der Persönlichkeit schwerer.

Der Satz „Er ist Antisemit“ sage, dass Naidoo in ganzer Person ein Antisemit sei – über die zitierten Liedtexte hinaus. Das habe die Beklagte nicht ausreichend belegen können. Naidoo dagegen habe sich glaubhaft von der Verwendung antisemitischer Ressentiments und Codes in seinen Texten distanziert.

Referentin geht in Berufung

Die Richterin betonte, dass das Gericht nicht beurteilt habe, ob Naidoos Texte antisemitisch sind oder nicht. „Man kann ihn nicht festlegen.“ Aber: Der Musiker habe die Texte anders verstanden haben wollen, und seine Distanzierung sei glaubwürdig gewesen. Antisemit zu sein, sei in Deutschland ein „sehr grober Vorwurf“, die Beklagte habe diesen zu unterlassen.

Die Referentin will nach Angaben der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin gegen das Urteil in Berufung gehen. „Die Entscheidung des Gerichts ist enttäuschend und greift in die Meinungsfreiheit ein. Das Urteil ist ein fatales Signal für die politische Bildung“, sagte sie. Die Stiftung hält die jetzt vom Landgericht Regensburg verbotene Äußerung für von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, reagierte überrascht auf das Urteil und forderte strengere Maßstäbe für die Musikszene: „Die Kunstfreiheit darf nicht als Deckmäntelchen für Menschenfeindlichkeit missbraucht werden.“ Nun sei es wichtig, dass Politik und zivilgesellschaftliche Gruppen deutlich machten, dass dieses Urteil kein Freibrief für Antisemitismus sei.

Im Jahr 2015 bot ihn der NDR als einzigen deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest 2016 in Schweden auf, zog seine Nominierung aber nach erheblichen Protesten zurück. Im vergangenen Jahr geriet Naidoo wegen seines Songs „Marionetten“ in die Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, in dem Lied mit abfälligen Bemerkungen über Politiker rechtspopulistische Töne anzuschlagen.