Frau Eisenschink, schade, dass Sie Ihr Hausboot nicht am Bodensee liegen haben, dann hätten wir uns treffen können, statt zu telefonieren...
Stimmt, das wäre schön gewesen.
Können Sie mit Ihrem Hausboot von Ihrem Liegeplatz an der Elbe ablegen und in Urlaub fahren?
Nein, mein Boot hat gar keinen Motor und ist ziemlich groß: Fünf Meter breit, 22 Meter lang und 30 Tonnen schwer. Ich müsste mich abschleppen lassen. Es gibt die kleinen Hausboote, die man auch für den Urlaub mieten kann – meines hat fast 100 Quadratmeter.
Das ginge also nur, wenn Sie umziehen wollten.
Genau, die Lotte ist ein „Lieger“, wie man hier in Hamburg sagt. Wenn ich einen anderen Liegeplatz suchen würde, müsste ich jemand organisieren, der mich schleppt, um woanders festzumachen.
Wo sitzen Sie gerade?
An meinem Schreibtisch, und ich schaue über die Terrasse hinaus auf die Elbe. Es gibt schlechtere Arbeitsplätze!
Und wo sind Ihre drei Katzen?
Der Peikko streunt im Hafen rum. Er hat mir heute Nacht eine Maus mitgebracht, als wollte er sagen: Du hast uns auf Diät gesetzt, das finde ich ziemlich doof, deswegen lege ich dir hier mal Kopf und Gallenblase hin. Lotte und Herr Emma liegen auf dem Kratzbaum und im Bett und schlafen.
Wie viele Zimmer haben Sie auf Ihrem Hausboot?
Drei Zimmer, Küche, Bad, eine kleine Toilette, ein Raum, wo Heizung und Waschmaschine stehen und eine kleine Werkstatt. Schlafzimmer und Gästezimmer sind eher klein, dafür ist mein Wohn- und Arbeitszimmer fast 40 Quadratmeter groß.
Das war auch der Raum, in den Sie sich gleich verliebt haben damals vor vier Jahren, als Sie zum ersten Mal auf der Lotte waren.
Es war ein Novembertag, als ich das Hausboot anschaute. Doch als einmal kurz die Sonne rauskam und sich in der Decke des Wohnzimmers spiegelte, dachte ich nur: Mein Gott, ist das schön! Immer, wenn sich jetzt die Sonne spiegelt, denke ich an diesen Moment zurück und freue mich, dass ich den Sprung gewagt habe.
Der Grund, weshalb Sie sich nach einem Hausboot umgeschaut haben, war kein schöner. Ihr Mann hatte sich von Ihnen getrennt, nach zwölf Jahren Ehe.
Ja, die Trennung war heftig, weil ich gar nicht damit gerechnet hatte. Wir hatten uns einfach auseinandergelebt. Als ich den Schock überwunden hatte, fand ich die Kraft, mit dem Leben auf dem Hausboot etwas Neues anzufangen.
Wie kamen Sie ausgerechnet auf ein Hausboot?
Mein Ex-Mann und ich waren begeisterte Segler und haben früher immer mal mit dem Gedanken gespielt, uns ein Hausboot zu kaufen.
In London explodieren die Mietpreise wie in vielen anderen Städten auch, weswegen viele inzwischen auf Hausbooten leben. Spielten auch die Preise in Hamburg eine Rolle?
In Hamburg sind die Preise auch richtig davongaloppiert. Nach der Trennung habe ich eine kleine Eigentumswohnung gesucht. Doch die wäre erheblich teurer geworden als das Haus, das mein Mann und ich vor Jahren gekauft hatten. Ich arbeitete als schlecht bezahlte Trauerrednerin bei einem Bestattungsinstitut und hätte mir einen Kredit gar nicht leisten können. Dann kam ich auf die Idee mit dem Hausboot. Und wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe, dann fange ich wie eine Wahnsinnige an zu suchen.
Ihr Hausboot ist Baujahr 1959. Und was kostet so eine olle Kiste, wie Sie Ihre Lotte schon mal nennen?
Die Lotte war voll ausgestattet. Die Besitzer wollten 120 000, ich habe sie auf 100 000 runtergehandelt. Ich wusste ja, dass ich so viel Geld von meinem Mann nicht bekommen würde, und die Banken wollten das Hausboot nicht finanzieren, weil es keine Immobilie ist. Ich hätte es ja an den Haken nehmen und nach Spanien auswandern können. Dann hätte die Bank das Nachsehen gehabt.
Was schätzen Sie an Ihrem Leben dort?
Es ist ein Zwitter zwischen Urlaub und normalem Leben. Ich schaue immer aufs Wasser. Wenn ich abends nach Hause in den Hafen komme, ist es wunderbar still. Ich höre die Wasservögel und die Gänse. An Bord schlafe ich besser und bin ein anderer Mensch: entspannter, fröhlicher, zufriedener.
Sind Sie auch mal erschrocken über ein ungewohntes Geräusch?
Ja, ich bin aus dem Schlaf hochgeschreckt, weil ich ein irre lautes Hämmern hörte. Die Lotte ist aus Stahl, und wenn da jemand auf dem Dach zugange ist, dröhnt das durchs ganze Schiff. Ich konnte mir das nicht erklären. Vom Steg aus habe ich dann gesehen, dass eine Silbermöwe sich mein Dach ausgesucht hatte, um einen Fisch zu zerhacken.
Ihr Leben hört sich romantisch an. Ist es immer so?
Überhaupt nicht. Die Winter haben mich zur Verzweiflung gebracht. Bis Ende März hatte ich noch kein fließendes Wasser, weil die Pumpe für die Wasserversorgung aus den Tanks eingefroren war. So hatte ich einen zehn Liter Kanister in der Küche und im Bad, die ich im Hafen häufig füllen musste – das war mein fließendes Wasser! Wäsche gewaschen und geduscht habe ich bei Freunden. Ich musste Gasflaschen schleppen um zu heizen: diese riesigen 33-Kilo-Ungetüme, die gefüllt 65 Kilogramm wiegen. Ich muss über den glitschigen Steg mit den Dingern und das möglichst bei Flut, damit der Zugang zum Hausboot nicht so steil ist.
Und woher kommen Warmwasser und Strom?
Warmwasser mache ich weiterhin mit Gas, doch davon brauche ich vor allem im Sommer nicht viel. Ich koche mit Strom, die Leitung liegt unterm Steg. Der vergangene Winter war der erste, der erträglich war, seit ich die Heizung auf Pellets umgestellt habe.
Gab’s auch einen Moment, wo Sie so richtig die Nase voll hatten?
Ja, das war im Winter vor einem Jahr, als ich zuerst in einer tristen Monteurswohnung und dann bei Freunden gewohnt habe. Im Februar stand ich hier und dachte: Das halte ich nicht mehr aus. Immer nur für Wärme und Wasser sorgen. Gleichzeitig dachte ich: Ich kann hier nicht weg. Das ist mein Ort. Doch jetzt mit den Pellets, der Komposttoilette und dem großen Wassertank weiß ich, dass ich hier bleibe.
Vermissen Sie auch etwas dort?
Manchmal im Winter den Komfort des Landlebens. Da könnte ich duschen und heizen, wann immer ich Lust dazu habe. Das vermisse ich zwar, doch das, was ich dafür bekomme, ist unendlich viel mehr. Weil ich mit Blick durch die Hafeneinfahrt auf die freie Elbe liege, habe ich einen weiten Blick.
Was braucht man, um ein Hausboot-Leben zu stemmen?
Starke Nerven, weil man immer auch mal was tun muss, wovon man keine Ahnung hat. So hatte ich anfangs die Größe des Fäkalientanks überschätzt. Da ich noch keine fest installierte Pumpe hatte, musste ich den Tank öffnen, der randvoll war. Dann eine Tauchpumpe in die stinkende Brühe versenken und diese an den Saugschlauch des Fäkalienbootes anschließen. Man darf kein Weichei sein und sollte handwerklich begabt sein, wenn man nicht für jede Reparatur einen Handwerker kommen lassen will. Es ist ein bisschen, wie wenn man ein altes Haus kauft.
Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was ist, wenn Sie alt sind?
Wenn ich alt bin, wird es sicher zu mühsam sein, über den Steg zu laufen, wenn er glitschig ist. Bis dahin werde ich auf jeden Fall hier wohnen bleiben. Ich liebe mein Leben auf der Lotte.
Und wie steht’s mit der Liebe?
Ich bin wieder verliebt (lacht)! Doch er ist leider verheiratet und als ich ihn kennenlernte, war ich eigentlich so weit, dass ich gesagt habe: Ohne Mann ist alles einfacher. Ich mache Yoga, gehe tanzen und habe unregelmäßige Arbeitszeiten. Und dann, zack, knallt er in mein Leben!
Fragen: Birgit Hofmann
Zur Person
Nicola Eisenschink, 56, gelernte Journalistin, hat ihr Leben nachdem ihr Mann sich von ihr getrennt hatte, völlig umgekrempelt. Sie hängt ihren Beruf an den Nagel, beginnt als Trauerrednerin für ein Bestattungsinstitut zu arbeiten und zieht auf ein Hausboot in den Vierlanden bei Hamburg.
Ihr Leben dort will sie nicht mehr missen, obwohl sie harte Zeiten hinter sich hat.
Nicola Eisenschink: „Hausboot Lotte,
Kater Emma und ich“, Eden Books,
223 Seiten, 14,95 Euro