Seit über zehn Jahren gibt es zwischen der Schweiz und Deutschland keine systematischen Personenkontrollen mehr an den Grenzübergängen. Möglich machte dies der Beitritt der Eidgenossen zum sogenannten Schengen-Raum.

Für Bewohner der Grenzregion ein bedeutendes Plus an Freiheit ohne erkennbare Einbußen bei der Sicherheit. Beide Länder sind näher zusammengerückt. Kaum vorstellbar, wieder in die Zeit vor dem 12. Dezember 2008 zurückzukehren.

In einer völlig anderen Frage könnte die Grenzregion jedoch wieder schmerzhaft zurückgeworfen werden.

Schweizer stellen ihr Antennenfernsehen komplett ein

Da die Schweizerische Radio-und Fernsehgesellschaft (SRG) aus Spargründen ihr digitales Antennenfernsehen (DVB-T) ab Juni 2019 abstellt, sind davon auch zahlreiche Zuschauer auf deutscher Seite der Grenze betroffen.

Viele Menschen empfangen die Schweizer Sender derzeit noch über das Kabelfernsehen. Rechtliche Grundlage für die Einspeisung ist der sogenannte Overspill. Technisch gesehen machen Antennensignale an Landesgrenzen keinen Halt, sie schwappen einfach über die Grenze hinweg und können dort empfangen werden. Solange dies nur im grenznahen Gebiet geschieht, ist das rein rechtlich in der Regel kein Problem.

Jahrzehntelang nutzten die deutschen Kabelbetreiber diese Tatsache, um über das Antennensignal die Schweizer Sender kostenlos in ihr Netz einzuspeisen. Ein deutlicher Mehrwert für die deutschen Kabelkunden.

Technisch ist die Einspeisung unproblematisch

Damit könnte nun bald Schluss sein. Doch das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen. Technisch ist es jedenfalls auch ohne die Antennensignale möglich, die Schweizer Sender weiterhin ins Kabelnetz einzuspeisen. Die Kabelbetreiber müssen sich nur mit der SRG einig werden. So wäre künftig auch eine Einspeisung in HD-Qualität machbar. Die bisherige Übertragungsgüte ließ sehr zu wünschen übrig.

In dieser Hinsicht lässt sich eine interessante Beobachtung anstellen. In der deutschsprachigen Schweiz und in Österreich sind ARD und ZDF sowie die privaten deutschen Sender wie die Pro7/Sat.1-Gruppe flächendeckend frei zu empfangen. Dies berichtete jüngst auch der ehemalige Konstanzer Stadtwerke-Chef Konrad Frommer, der sich für die weitere Einspeisung der Schweizer Kanäle auf deutscher Seite einsetzt.

"Wie mir Schweizer Bürger bestätigt haben, ist das absoluter Standard. So sollte es auch umgekehrt bei uns sein", fasst der 71-Jährige zusammen.

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Es ist kompliziert

Eine schöne Vorstellung. Doch da gibt es gewichtige Gründe dagegen, wie unsere Recherche ergeben hat.

Das deutsche Privatfernsehen achtet beispielsweise sehr darauf, dass ausländische Kanäle sich nicht zu sehr auf dem umkämpften deutschen Markt ausbreiten, sie dulden die Ausstrahlung von ORF
und SF nur in Grenznähe aufgrund der Overspill-Regelung (siehe oben), wie uns Stefan Hofmeir, Herausgeber der Fachzeitschrift Digital Fernsehen erklärt.

1998 musste der ORF deshalb auf Druck der deutschen Privatsender die Sendeleistung des in Süddeutschland sehr beliebten ORF Eins reduzieren.

Aber auch im grenznahen Gebiet gab es schon Probleme aufgrund fehlender Übertragungsrechte. So wurden Übertragungen von Champions-League-Spielen im Schweizer TV in der letzten Zeit regelmäßig im deutschen Kabel vom Anbieter Unitymedia geblockt. Es geht hier wohl schlicht um bares Geld für die Anbieter von Bezahlfernsehen. Gerade Fußballrechte sind immens teuer.

Inzwischen sendet der ORF seine HD-Sender über die Antenne nur noch verschlüsselt. Zuschauer in Deutschland, die das hochauflösende Antennensignal mit einer Hausantenne empfangen können, benötigen einen österreichischen Receiver oder ein CI-Modul, die aber in der Regel nur an Haushalte in Österreich verkauft werden. In der Schweiz gibt es ähnliche Vorkehrungen.

Eine Frage der Größe

Ein weiterer Grund ist der schiere Größenunterschied zwischen Deutschland und den beiden Alpenrepubliken. Dazu sagt Experte Hofmeir:

"Die Ausleuchtzonen der TV-Satelliten decken fast ganz Europa ab. Die deutschen Sender lizenzieren ihre Sendeinhalte für das große Bundesgebiet mit seinen über 80 Millionen Bürgern. Die Überreichweite ins restliche Europa fällt dabei wenig ins Gewicht und wird von den Rechteinhabern akzeptiert.

Der ORF lizenziert die Sendeinhalte für die knapp neun Millionen Einwohner Österreichs. Würde unverschlüsselt via Satellit ausgestrahlt, könnten mehr als zehn mal so viele deutschsprachige Menschen zuschauen. Hierfür müsste der ORF ein Vielfaches in die Rechte investieren – was er aber auch gar nicht dürfte. Sein Sendeauftrag ist auf Österreich beschränkt. Bei der Schweiz gilt Ähnliches."

Die deutschen Privatsender haben darüber hinaus laut Hofmeir eigenständige Landesversionen mit Sitz und Zulassung in Österreich und der Schweiz etabliert.

Die Sache mit dem Fernsehen ist also ganz schön kompliziert. Trotz Schengenraum gehen die virtuellen Schranken zwischen den Ländern wenn es ums Geld geht eher hinunter als hoch.