Doris Burger

Seit drei Jahren pflegen sie ihre Reben in Allensbach-Kaltbrunn. Jetzt steht die erste Ernte an. Wie klappt das mit der Lese? Reichen die Bottiche aus? Wie gelangen die reifen Trauben schnellstmöglich zum Winzer, der sie pressen und verarbeiten wird? Hält die neue Sorte, was sie verspricht?

Wein-Einsteiger: Gerhard Worm (links) und Reinhard Kimmich in ihrem Weinberg oberhalb von Kaltbrunn. In diesem Jahr steht die erste ...
Wein-Einsteiger: Gerhard Worm (links) und Reinhard Kimmich in ihrem Weinberg oberhalb von Kaltbrunn. In diesem Jahr steht die erste Ernte an. | Bild: Doris Burger

Wir sitzen oberhalb der vier Rebreihen auf einer Bank am Waldrand und sprechen über das intensive Hobby der jungen Pensionäre. Gerhard Worm ist gelernter Gärtner. Bis vor drei Jahren hatte er eine Firma zur Umwelt-, Qualitäts- und Arbeitssicherung. Sein Freund und Weinbergkollege Reinhard Kimmich war Professor für Lebensmittelchemie an der Hochschule in Sigmaringen. Beide sind Nachbarn im kleinen Ort Kaltbrunn zu unseren Füßen, der sogar eine Weinrebe im Wappen trägt.

In Kaltbrunn gab es Weinbau zuletzt in den 1950er-Jahren

Erstaunlich steil ist der Hang oberhalb des Dorfes, nicht einfach die Arbeit in den Reben. Solange das Dorf noch von der Landwirtschaft lebte, hatte jeder Hof hier seinen Streifen Weinberg. Südhang, gute Lage, bis 480 Meter hoch gehen die Reben, auf 428 Metern liegt der Ort. In den 1950er-Jahren haben die letzten Bauern den Weinbau aufgegeben, viele schon zuvor wegen der Reblaus. Streuobstwiesen und Weiden liegen nun neben dem schmalen neuen Rebberg.

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Worm und Kimmich berichten von ihrem Weg zum Weingärtner. Jedes Jahr bot eine besondere Herausforderung. Im ersten Jahr haben sie die Sorte ausgewählt, mit zahlreichen Verkostungen: Welcher Wein ist pilzresistent und schmeckt dazu? Denn spritzen wollen sie nicht, es soll ein Biowein werden.

Den Souvignier gris muss man nicht spritzen

Gut, dass beide Weintrinker sind. So kamen sie auf die PiWi-Sorte Souvignier gris, eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und der pilzresistenten Sorte Bronner. Ein gehaltvoller Weißwein, der im Geschmack an Grauburgunder erinnert. Graf Bodman aus Ludwigshafen-Bodman baut ihn an, genau wie der Winzerverein Reichenau.

Neue Sorte in Kaltbrunn: Souvignier gris heißt die pilzresistente Sorte, die die beiden Hobbywinzer anbauen.
Neue Sorte in Kaltbrunn: Souvignier gris heißt die pilzresistente Sorte, die die beiden Hobbywinzer anbauen. | Bild: Doris Burger

„Der von der Reichenau ist noch etwas spritziger, hat mehr Konturen“, meint Worm. Ein Vorbild an Geschmack, anspruchsvoll gewählt. Doch sie scheinen auf einem guten Weg zu sein, ihre Reben gedeihen prächtig. Dazwischen wachsen Blumen und Kräuter, eine spezielle Weinbergmischung.

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Im Frühjahr blühen Weinberg-Tulpen, eine alte Sorte aus Georgien, die Zwiebeln haben sie eigenhändig gesteckt. Ab und zu müssen sie Ranken hochbinden, Unkraut jäten, zurückschneiden, entlauben. Letzten Sommer mussten sie gießen, es war zu trocken. Diesen Sommer haben sie blaue Netze über die Trauben gezogen, um sie vor den Vögeln zu schützen. Unten sind die Reben mit Drahthosen eingepackt, damit die zahlreichen Hasen die Rinden nicht annagen. Alles wird handgepflegt.

Nach der Jagd in den Weinberg

Gerhard Worm ist zugleich Jäger, nach der Jagd am frühen Morgen geht er oft direkt in den Weinberg. So hofft Worm, dass er bald seinen eigenen Wein zum Wildbret reichen kann. Verkaufen dürfen die Hobbywinzer den Wein nicht, die Vermarktung ist verboten. Um Wein anbauen zu können, benötigt man eine Genehmigung: 10 Ar sind inzwischen für „nicht gewerbliche Zwecke“ frei, die Beschränkung auf 99 Stöcke, die es früher einmal gab, fiel dafür weg.

Zwischen den Reben summen die Bienen. Die beiden Hobbywinzer haben eine eigene Blühmischung für Weinberge gesät, hier eine Malvenblüte.
Zwischen den Reben summen die Bienen. Die beiden Hobbywinzer haben eine eigene Blühmischung für Weinberge gesät, hier eine Malvenblüte. | Bild: Doris Burger

So haben sie vor drei Jahren 400 Weinstöcke gesetzt, 20 davon Tafeltrauben. Auch auf diese Ernte sind sie gespannt. Beim Wein hoffen sie auf etwa 350 Kilo Trauben, die 200 Liter Wein ergeben könnten. Bei der Ernte wollten übrigens viele helfen, „beim Unkrautjäten allerdings nicht“, wie sie berichten.

Doch Hilfe bekamen sie von vielen Seiten: Helmut Müller, benachbarter Biobauer, hat die Wiese für sie umgebrochen und die Pfähle eingedrückt. Ein Bekannter analysierte den Boden, Weinbauberater Frank Keilbach von der Reichenau wiederum hat sie in Sachen Anbau und Sortenwahl beraten. Das Projekt, wie sie es nennen, bleibt spannend. Zukunftsmusik sei, den Wein auch selbst auszubauen. Noch fehlen dafür die Räumlichkeiten.

Hans Rebholz ist Routinier

Im Verhältnis zu den Hobbywinzern ist Hans Rebholz Routinier. Er stammt von einem Bauernhof in Radolfzell-Liggeringen, zu hoch gelegen für gute Trauben. So war er auch zunächst Brenner, seine Obstbrände sind weiterhin begehrt. Seit 2002 baut er Wein an, zunächst in Bohlingen. Frühere Weinlagen auf der Halbinsel Höri kamen hinzu, die er neu kultiviert. Ausgedehnte in Gaienhofen, kleinere in Weiler. Just dieses Frühjahr hat er 500 neue Stöcke in Weiler gepflanzt, insgesamt bewirtschaftet er 5,7 Hektar.

Gut gewachsen: Junge Spätburgunder-Traube von Hans Rebholz in Gaienhofen.
Gut gewachsen: Junge Spätburgunder-Traube von Hans Rebholz in Gaienhofen. | Bild: Doris Burger

Am Bodensee insgesamt gibt es rund 760 Hektar Rebflächen, vom Hochrhein bis Lindau reicht das Gebiet (www.bodenseewein.de). Das Staatsweingut Meersburg ist das größte Weingut der Region, es besitzt allein 63 Hektar. Direktor Dr. Jürgen Dietrich erklärt die Spezialität am deutschen Bodensee: Drei Länder sind beteiligt, Baden sowie Württemberg mit Kressbronn und Bayern mit Nonnenhorn und Lindau. Die beiden östlichen Bundesländer umfassen zusammen etwa 100 Hektar, am badischen Bodensee wird auf 660 Hektar Wein angebaut.

Es darf auch neu anpflanzt werden

Zum 1. Januar 2016 wurde in der EU das Genehmigungssystem für Rebpflanzungen geändert. Seitdem darf man auch im Hinterland, nicht nur auf früheren Weinlagen, Keltertrauben anbauen, so Dietrich. Von diesen Lagen außerhalb der traditionellen Weinbaugebiete kann allerdings nur „Deutscher Wein“ (in der EU-Nomenklatur „Wein ohne Herkunftsbezeichnung“, früher „Tafelwein“) gewonnen werden. Keinesfalls Qualitäts- oder Prädikatswein, der eine „geschützte Ursprungsbezeichnung“ voraussetzt.

Wer Reben neu anpflanzen will, muss das beantragen: Insgesamt sind 0,3 Prozent jährlicher Flächenzuwachs im gesamten Bundesgebiet erlaubt. Steillagen werden bei den Genehmigungen bevorzugt. Zuständig ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), die jeden Antrag prüfen muss.

Hans Rebholz befasst sich schon seit Jahren mit dem Thema. In den 1960er-Jahren, so erklärt er, wurden für Baden Rebaufbaupläne erstellt, die bestehenden Bestände kartiert. Die gesamte Rebfläche sollte nicht größer werden, aber ein Austausch möglich sein. Wenn er einen Antrag stellte, zum Beispiel in Bohlingen Reben zu pflanzen, musste ein anderer bereit sein, seine Lagen aufzugeben. Geprüft wurde vor Ort durch Vertreter des Regierungspräsidiums in Freiburg, ob die neue Lage besser wäre als die aufzugebende. Ziel war stets eine strukturelle Verbesserung.

Rechte aus dem Kraichgau

Daneben gab es bis 2015 auch die Möglichkeit, die Pflanzrechte aufgegebener Rebflächen innerhalb eines gewissen Zeitraums wieder zu nutzen. Über Fachzeitschriften fand Rebholz Winzer, beispielsweise im Kraichgau, die ihr Recht, Reben anzubauen, nicht mehr nutzen wollten. Diese Rechte konnte er erwerben.

So haben sich in den letzten Jahren die Anbaugebiete verschoben: Der Weinbau-Bereich Bodensee hat leicht zugenommen, andere Gebiete dafür abgenommen.

Behörden-Regeln bieten bisweilen also durchaus Chancen, Neues zu wagen. Etwa für Hans Rebholz und die Hobby-Winzer.

Für die fachliche Beratung danken wir Dr. Volker Steinmetz vom Regierungspräsidium Freiburg.