Melanie Maier

Das Zimmer schaukelt und vibriert. Der Wind pfeift durch das Kajütenfenster, draußen knarzen die Container. Die CMA CGM Rossini befindet sich rund 350 Kilometer vor der Küste Australiens. 48 Stunden wird sie noch auf hoher See verbringen, bevor sie im Hafen von Fremantle, nahe Perth, festmachen wird. Dort wird sie entladen und mit neuen Gütern beladen werden.

Nach Australien mit Island-Krimi

Für die vier Passagiere des Containerschiffs gibt es um 10 Uhr nicht viel zu tun. Während die Besatzung ihrer Arbeit nachgeht, sitzt Alex Schulz auf dem Bett seiner Kabine und liest auf seinem Kindle. Für die siebentägige Überfahrt von Port Klang, Malaysia, nach Australien hat der 32-jährige Grafikdesigner aus Bad Wildbad vier Bücher heruntergeladen. „Ich mag es, eine große Auswahl zu haben“, sagt er und widmet sich wieder seinem Island-Krimi.

Zweckmäßig, aber nett: Blick in die Kajüte.
Zweckmäßig, aber nett: Blick in die Kajüte. | Bild: Melanie Maier

Ein Zyklon in der Nähe

Auch die anderen Passagiere haben sich nach dem Frühstück in ihre Kajüten zurückgezogen, um zu lesen, Rätsel zu lösen oder noch eine Weile zu schlafen. Auf dem Außendeck, unter den Containern, mag niemand entlangspazieren. Es ist stürmisch, ein Zyklon wirbelt nur wenige Hundert Kilometer entfernt über das tiefblaue Meer.

Mittagessen bei meterhohem Wellengang

Um die Mittagszeit sind die Wellen vier Meter hoch und tragen Schaumkronen. Das Schiff rollt ächzend übers Wasser. Trotzdem tischt Jaypee Abar pünktlich um 12.15 Uhr das Mittagessen auf. Als Steward ist der 29-jährige Philippiner für das Reinigen der Zimmer der Offiziere und der der Passagiere sowie für das Servieren der Mahlzeiten im Speiseraum der Offiziere zuständig.

Mitreisender: Friedrich Probst, 63, aus Waldshut.
Mitreisender: Friedrich Probst, 63, aus Waldshut. | Bild: Melanie Maier

Drei Kilo zugenommen

Mittags und abends trägt Abar ein Vier-Gänge-Menü auf. Die Rossini fährt unter französischer Flagge, Baguette und Käse stehen täglich auf dem Speiseplan.

Auch Wein gibt es, doch nur für die Passagiere. Die Crewmitglieder dürfen während ihrer Arbeitszeit keinen Alkohol konsumieren. „Das Essen ist sehr gut, auf meinem letzten Schiff war es aber noch besser“, sagt Friedrich Probst, kurze graue Haare, blaue Augen, blaues Radlerhemd. „Ich hab dem Koch immer gesagt: Du bist der einzige Sternekoch auf See.“ Drei Kilo habe er während seiner 25-tägigen Überfahrt von Venedig nach Kuala Lumpur zugenommen, trotz täglicher Runden über das Schiff. „Deshalb lasse ich das Frühstück jetzt immer aus“, sagt der 63-jährige Rentner aus Waldshut und zwinkert ein wenig.

Mal ein neues Foto-Motiv: Sonnenuntergang zwischen Schiffscontainern.
Mal ein neues Foto-Motiv: Sonnenuntergang zwischen Schiffscontainern. | Bild: Melanie Maier

Bespaßung gibt es keine

Nach dem Essen zieht Probst sich auf sein Zimmer zurück. Seine Englisch-Sprachbücher und der tägliche Mittagsschlaf warten. Für die Passagiere gleichen sich die Tage auf dem Containerschiff. Der Frachter ist zwar sehr gut ausgestattet, es gibt einen Aufenthaltsraum mit DVDs und Büchern, einen Sportraum mit Geräten und sogar ein kleines Schwimmbecken, das auf hoher See gefüllt wird. Ein Bespaßungsprogramm mit Shows oder Fitnesskursen, wie auf Kreuzfahrtschiffen üblich, wird aber nicht angeboten.

„Ohne Internet, ganz bei sich“

Für Douglas Patton war genau das der Grund, die Frachtschiffreise anzutreten. Der 60-jährige Rentner aus Ohio ist begeistert von der Abgeschiedenheit: „Mitten auf dem Ozean, ohne Internet oder sonstige Ablenkungen, hat man die Möglichkeit, ganz bei sich zu sein.“

Ein Känguruh mit Boxhandschuhen

Eine Führung durch den Maschinenraum ist Patton dennoch eine willkommene Abwechslung. Mit einer gelben Schutzweste am Körper und einem weißen Helm auf dem Kopf folgt er Chefingenieur Sven Leroy in den Kontrollraum oberhalb des Motors.

Blick in den Maschinenraum.
Blick in den Maschinenraum. | Bild: Melanie Maier

Obwohl die Rossini erst 2004 gebaut wurde, erinnert der Kontrollraum an eine Installation aus den 80er-Jahren, mit viereckigen Monitoren sowie auffälligen roten und grünen Knöpfen.

Die Zentrale des Frachtschiffs scheint den 1980er-Jahren entsprungen.
Die Zentrale des Frachtschiffs scheint den 1980er-Jahren entsprungen. | Bild: Melanie Maier

Auf dem mintgrünen Armaturenbrett sitzt ein aufblasbares gelbes Känguru mit grünen Boxhandschuhen. Es riecht nach Öl, das Klacken des riesigen Motors ist auch hinter verschlossenen Türen zu hören.

80 000 Liter Schweröl pro Tag

277 Meter lang ist die Rossini, 40 Meter breit an ihrer breitesten Stelle. Bis zu 5782 Container kann sie transportieren.

Container überall: Die Schiffe können riesige Mengen an Waren transportieren.
Container überall: Die Schiffe können riesige Mengen an Waren transportieren. | Bild: Melanie Maier

Ihre Höchstgeschwindigkeit liegt bei 25,3 Knoten. Normalerweise ist sie aber eher mit 16 Knoten unterwegs, das sind rund 30 Stundenkilometer. Der Motor, sagt Leroy, werde mit Schweröl betrieben. „Je nach Geschwindigkeit verbraucht er pro Tag 80 000 bis 150 000 Liter.“ Für den Notfall gebe es noch drei Dieselgeneratoren. Überhaupt gebe es für so gut wie alles ein Back-up, so der 37-Jährige: „Das Wichtigste ist, dass da Schiff rechtzeitig sein Ziel erreicht.“

Drei Monate auf See, dann drei Monate Urlaub

Zur See gekommen ist Leroy einst, weil er nicht nur im Büro sitzen wollte. „Dieser Job ist etwas ganz anderes als das, was die meisten Menschen machen“, sagt er. Drei Monate am Stück verbringt er in der Regel auf dem Meer, anschließend hat er genauso lange Urlaub. Zu Hause, in der Nähe des ikonischen Mont-Saint-Michels im Norden Frankreichs, verbringt er viel Zeit mit seiner Familie und in der Natur. „Nach drei Monaten auf dem Blauen brauche ich drei Monate im Grünen.“

Die Chefs sind Franzosen

Auf ihrem Weg nach Fremantle begleiten 28 Crewmitglieder die Rossini. Während die Offiziere und Ingenieure alle Franzosen sind, kommen die Mannschaftsgrade, bis auf zwei Inder, aus den Philippinen. Für sie gelten andere Arbeitsbedingungen als für ihre europäischen Kollegen, berichtet Ronel Bello auf der Kommandobrücke oben auf dem Schiff. Vier Stunden lang hält der 29-jährige Philippiner die Armaturen im Blick und beobachtet das Meer.

Bellos Vertrag läuft neun Monate, danach hat er drei Monate unbezahlten Urlaub. Für ihn ist diese Regelung in Ordnung. „Als Vollmatrose verdiene ich vergleichsweise sehr gut – und auf dem Schiff sind wir sowieso alle gleich.“

Für Familienväter ist es hart

Nicht alle seiner Landsmänner sehen das so. Vor allem die lange Zeit getrennt von der Familie ist für viele sehr belastend. Jede Minute Internet kostet. „Wenn man Kinder hat, ist der Job sehr hart“, sagt Bello. „Mein dreieinhalbjähriger Sohn wächst ohne mich auf. Wenn ich nach Hause komme, erkennt er mich nicht wieder.“

Karaoke und knarzende Container

Gegen die Einsamkeit hilft ihm das Karaoke-Singen. Heute sind die Passagiere im Aufenthaltsraum der Mannschaft dabei. Die Karaoke-Maschine läuft auf voller Lautstärke, es riecht nach Bier und Zigaretten. „Ich soll singen? No way!“, sagt Douglas Patton. Der Abend wird trotzdem sehr gesellig – und unüblich lang. Als Alex Schulz sich um kurz nach 22 Uhr ins Bett legt, pfeift der Wind durch das Kajütenfenster, knarzen draußen die Container.

Frachtschiffreisen

  • Dauer: Sowohl die Route als auch die Abfahrtszeit können sich kurzfristig noch ändern. Oft kann man an einem anderen Hafen als dem Start- bzw. Zielhafen ein- bzw. ausschiffen, also nicht die gesamte Strecke mitfahren.
  • Voraussetzungen: Für einige Routen gelten Altersbeschränkungen. Passagiere müssen ein aktuelles Gesundheitszeugnis vorweisen. Manchmal benötigt man bestimmte Impfungen, eine Auslandskrankenversicherung und/oder Visa. Deshalb früh mit der Planung beginnen.
  • Kosten: Pro Nacht und Person fallen in der Doppelkabine circa 90 bis 110 Euro an, Verköstigung inklusive. Auf dem Schiff gegen Kost und Logis zu arbeiten, ist nicht möglich.
  • Anbieter: z.B. bei Langsamreisen, http://www.langsamreisen.de oder
    Frachtschiffreisen Pfeiffer, Internet:
    https://frachtschiffreisen-pfeiffer.de.
  • Melanie Maiers Blog: Die Autorin ist noch immer unterwegs auf Weltreise – ohne Flugzeug. Verfolgen kann man die Reise auf: http://schrittwaerts.de