Fleximan hat wieder zugeschlagen. Es war in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar, als Unbekannte die bislang letzte Radarfalle in Norditalien absägten, per Schleifmaschine. Erstmals fand sich am Tatort ein Bekennerschreiben.

In handgeschriebenen roten Lettern lasen die Ermittler folgende Worte: „Fleximan sta arrivando“, Fleximan kommt. Dabei war er schon längst da. 18 Fälle abgesägter, explodierter, ja zerschossener Blitzer wurden in den vergangenen Monaten zwischen Veneto, Lombardei und Piemont gezählt.

Weil im Norden Italiens der Unmut gegen die Blitzer immer größer wird, haben die Täter in den sozialen Netzwerken längst eine Fangemeinde. Von ihr stammt auch der Name Fleximan, nach der Schleifmaschine. Seine Anhänger schwärmen von einer Art modernem Robin Hood, von einem Superhelden, der nachts mit der Flex die von Radarfallen unterdrückten Autofahrer rächt. Nur: Wer ist Fleximan?

In Padua hat ein Künstler bereits ein Flexiwoman-Wandbild geschaffen, es könnte sich schließlich auch um eine selbsternannte Justizia handeln. Auf dem Wandbild trägt die von Uma Thurman im Film „Kill Bill“ verkörperte Rächerin im gelben Anzug rechts ihr Schwert – und links eine abgesägte Radarfalle. Fleximan (oder Flexiwoman) sind das Thema der Stunde in Norditalien. Der Fall gewinnt seine Brisanz auch aus der Frage, wer hier eigentlich gegen Recht, Gesetz und Gerechtigkeit verstößt, Fleximan oder der Staat?

Jetzt kam erstmals etwas Licht ins Dunkel. Im Piemont wurde Mitte der Woche ein 50-jähriger Mann gefasst, der für das Absägen eines Blitzers bei Asti verantwortlich sein soll. Ob damit aber auch der oder die Täter aus der Lombardei und vor allem dem Veneto überführt sind, ist zu bezweifeln. Im Mai 2023 war der erste Pfahl bei Rovigo gefallen, im August sprengten Unbekannte eine Radarfalle bei Padua mit Schießpulver in die Luft, es folgten Attentate in den Provinzen Rovigo, Padua, Treviso und Belluno, einmal wurde mit einer Feuerwaffe auf einen Blitzer geschossen.

LKWs und Autos passieren die österreichisch-italienische Grenze. Ab hier ist Vorsicht angesagt: In Italien stehen mehr als 11.000 ...
LKWs und Autos passieren die österreichisch-italienische Grenze. Ab hier ist Vorsicht angesagt: In Italien stehen mehr als 11.000 stationäre Blitzer, die meisten im Norden. | Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wer nun denkt, die Zivilgesellschaft stelle sich hinter die Staatsmacht, die das Aufstellen von Radarfallen zur Förderung der Sicherheit auf den Straßen für angebracht hält, der täuscht sich. Antonella Argenti, Bürgermeisterin von Villa del Conte, wo das Fleximan-Bekennerschreiben gefunden wurde, sagt, Radarfallen seien „repressive Instrumente“. „Die Leute sind es Leid, belästigt zu werden.“

Stefano Macron, Präsident der Provinz Treviso, behauptet sogar: „Die Radarfallen funktionieren nicht, sie führen nicht zur Verringerung der Unfälle.“ Tatsächlich stehen in Italien besonders viele Radarfallen, im ganzen Land sollen es 11.130 sein, drei Viertel davon in Norditalien. In Deutschland gibt es nicht einmal halb so viele stationäre Blitzer.

Natürlich hält sich hartnäckig das Gerücht, die Gemeinden füllten mit den Strafzetteln ihre Kassen. Gerechnet wird so: Wenn eine einzige Radarfalle im Veneto rund 40 Mal täglich blitzt und pro Übertretung durchschnittlich 110 Euro Strafe fällig werden, könnten monatlich bis zu 130.000 Euro in die Gemeindekasse gespült werden.

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Zuerst muss aber die Frage geklärt werden, wer Fleximan ist und somit hinter den Rache-Aktionen steckt. Ist es ein verzweifelter Einzelkämpfer? Ein wildes Frauen-Kollektiv? Die Bürgermeister selbst?

Die Verkehrspsychologin Annamaria Giannini von der römischen Sapienza-Universität hat ein Phantom-Psychogramm erstellt. Der oder die Täter hätten vermutlich zahlreiche Strafzettel bekommen und beschlossen, das Objekt, das die angebliche Ungerechtigkeit verursacht hat, physisch zu zerstören. „Es handelt sich um Personen mit ausgeprägten egozentrischen Tendenzen, mit einer subjektiven und einseitigen Sicht des Lebens, die sich zusätzlich dadurch legitimiert fühlen, dass sie im Internet als Helden bezeichnet werden.“