Es war keine Überraschung mehr: Nach einem einstündigen Gespräch verkündeten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) das Aus für das Oktoberfest 2020 und das angrenzende Zentral-Landwirtschaftsfest (ZLF). „Das Risiko ist schlicht und einfach zu groß“, sagte Söder. Reiter sprach von einem „emotional und ökonomisch schwierigen Moment“.

Beide Politiker hatten sich in letzter Zeit immer skeptischer geäußert, ob das größte Volksfest der Welt mit seinen zu erwartenden sechs Millionen Besuchern trotz der Corona-Pandemie in diesem Jahr stattfinden kann. Ein bundesweit geltendes Verbot von Großveranstaltungen endet zwar nach bisheriger Beschlusslage am 31. August, die sogenannte Wiesn hätte aber bereits am 19. September ihre Tore öffnen sollen.

Markus Söder (r, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister von München, verkünden das Aus für das ...
Markus Söder (r, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister von München, verkünden das Aus für das Oktoberfest | Bild: Sven Hoppe

Auch weil zum Oktoberfest etwa zwei Millionen Gäste aus dem Ausland von Österreich bis Neuseeland erwartet werden, sei die Gefahr sehr groß, dass das Corona-Virus wieder eingeschleppt werden könnte, sagte Söder. Feste in Ischgl, Tischenreuth und Heinsberg hätten sich zudem als „Virendrehscheibe“ herausgestellt. Würde die Wiesn die Pandemie neu anfachen, wäre zudem der Ruf des Festes auf Dauer ruiniert. Daher müsse man die Hoffnungen auf ein umso erfolgreicheres Oktoberfest 2021 richten.

München lädt gar nicht erst ein

Genau genommen werden Oktoberfest und ZLF nicht abgesagt. Die Stadt München als Veranstalter fasst vielmehr erst gar nicht den erforderlichen Beschluss, in diesem Jahr dazu einzuladen, erläuterte OB Reiter. Dieser Beschluss werde ausbleiben. Verträge mit den Beschickern seien daher noch nicht abgeschlossen worden. Mit Schadenersatzansprüchen von Marktkaufleuten sei somit nicht zu rechnen.

Der Ausfall des Oktoberfestes 2020 ist für die bayerische Landeshauptstadt auch in ökonomischer Hinsicht ein harter Schlag. Reiter bezifferte den ökonomischen Wert des Festes auf 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro. Zu der halben Milliarde Euro, die direkt auf dem Fest umgesetzt werden, kommen Übernachtungen, Gastronomieleistungen und Einzelhandelsumsätze bis hin zu Taxifahrten außerhalb der Theresienwiese.

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Während man davon ausgeht, dass die gut situierten Brauereien und Festwirte den Ausfall verkraften, sieht es für die Schausteller-Branche schlecht aus. Die Betreiber von Fahr- und sonstigen Vergnügungsgeschäften haben in diesem Jahr noch so gut wie keine Einnahmen erzielt. Das dürfte bis in den Herbst hinein so bleiben. Auch andere Feste wie das Straubinger Gäubodenfest wurden abgesagt. Andere Volksfeste müssten wohl zumindest in Bayern in einem ähnlichen Zeitraum wie das Oktoberfest ebenfalls ausfallen, sagte Ministerpräsident Söder. Die Schausteller bleiben daher auf Nothilfezahlungen und Überbrückungskredite angewiesen. Für die Gastronomie allgemein stellte Söder erneut ein „Signal bis Pfingsten„ in Aussicht.

Auch früher schon Viren-Schleuder

Über die Wiesn 2020 wird schon seit Wochen diskutiert. Eingebracht wurden teilweise recht skurrile Vorschläge, um den Umsatzbringer irgendwie zu retten. Einer lief zum Beispiel darauf hinaus, das Oktoberfest 2020 nur für Münchner zu veranstalten. Andere regten an, auf Bierzelte zu verzichten oder ein deutlich kleineres Fest abzuhalten. Alle diese Vorschläge „bringen nichts“, meinte Söder. Die Wiesn müsse „gescheit oder gar nicht“ abgehalten werden.

Abstand halten nicht möglich: So viele Menschen an einem Platz wären angesichts der Krankheitswelle einfach nicht verantwortbar.
Abstand halten nicht möglich: So viele Menschen an einem Platz wären angesichts der Krankheitswelle einfach nicht verantwortbar. | Bild: Frank Leonhardt

Das seit 1810 auf der Münchener Theresienwiese ausgerichtete Oktoberfest ist in seiner Geschichte schon insgesamt 24 mal ausgefallen. Meistens waren Kriegszeiten der Anlass, 1854 und 1873 wurde das Fest wegen Cholera-Epidemien abgesagt. Auch in modernen Zeiten gilt die Wiesn als Viren-Schleuder, allerdings in einem weit ungefährlicheren Ausmaß als die Corona-Pandemie. Immerhin machen jedes Jahr viele der 13 000 Beschäftigten und der Besucher die beengten feuchtfröhlichen und nicht immer wohlklimatisierten Verhältnisse auf dem Volksfest für ihre Wiesn-Grippe verantwortlich.