Droht Deutschland eine Bettwanzen-Plage wie in Frankreich? Und wäre die Bundesregierung darauf vorbereitet? Aktuelle Berichte aus dem Nachbarland wirken alarmierend: In Paris haben die lästigen Blutsauger sogar eine regelrechte politische Krise ausgelöst und für bizarre Szenen gesorgt. Da wedelt eine Abgeordnete im Parlament mit einem Glasfläschchen voll mit den apfelkerngroßen Tierchen, die Hotels, Privatwohnungen, Kinosäle und die Metro befallen haben.
Theatralisch an die Premierministerin gewandt, appelliert die Oppositionspolitikerin: „Muss erst ihr Regierungssitz von Bettwanzen befallen sein, bevor Sie endlich handeln?“ Die Regierung, so fordert sie, müsse den Bürgern die Bekämpfung der Schädlinge erstatten.
Wie der französische Kammerjägerverband meldet, wurden zwischen Juni und August 65 Prozent mehr Einsätze gegen Bettwanzen erledigt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Insekten, die ihre Opfer meist im Schlaf überfallen und deren Bisse ähnlich wie Flohstiche stark juckende Pusteln verursachen, dominieren die Gespräche in den Bistros und die Titelseiten der Gazetten und sorgen in der Politik für Sondersitzungen. Da liegt es nahe, bei der Bundesregierung nachzufragen, wie es in Deutschland in Sachen Bettwanzen aussieht. Steht gar eine Invasion der Plagegeister bevor?
In Deutschland fühlt sich niemand zuständig
Um die Zuständigkeit für das sensible Feld, das wird schnell deutlich, reißen sich die Ministerien nicht gerade. Weil die Sache mit üblen Hautausschlägen zu tun hat und damit nach einem Medizinthema klingt, geht die erste Anfrage an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Doch aus dem Umfeld des SPD-Politikers kommt prompt eine Absage. Sinngemäß heißt es: Hier gibt es keinen Bettwanzenminister. Der müsse wohl eher im Landwirtschaftsministerium sitzen, da gehe es ja um Schadinsekten, Parasiten und so.
Kann also Cem Özdemir Auskunft geben? Leider nein, richtet ein Sprecher aus. Oder vielmehr: nicht mehr. Das Thema zähle nämlich zum Verbraucherschutz und der ist in die Zuständigkeit von Özdemirs grüner Parteifreundin Steffi Lemke gewechselt. Deren Haus, das Umweltministerium, verweist wiederum direkt an das ihm unterstellte Umweltbundesamt. Dort ist schließlich der Leiter des Fachgebiets „Gesundheitsschädlinge und ihre Bekämpfung“ – und damit wohl die oberste staatliche Bettwanzen-Autorität – zu einem ausführlichen Gespräch bereit.

Was Erik Schmolz berichtet, ist ernüchternd: „Wir haben auch in Deutschland ein Bettwanzenproblem, die Befallszahlen steigen seit Jahren.“ Zwar gebe es keine offizielle Statistik, weil Bettwanzenbefall nicht meldepflichtig sei. „Die Tiere übertragen nämlich keine Krankheiten“, stellt Schmolz klar. Doch das Umweltbundesamt wisse etwa von Schädlingsbekämpfern aus dem gesamten Bundesgebiet, dass das Problem eher zunimmt.
Die Aufregung im Nachbarland hat Schmolz genau verfolgt. Sein Eindruck: „Auch in Frankreich erleben wir nicht etwa einen plötzlichen Ausbruch, sondern eine gesteigerte Aufmerksamkeit.“ In den sozialen Medien kursierten viele Bilder und Videos, die Insekten zeigten, dabei sei aber nicht immer klar, ob es sich wirklich um Bettwanzen handle. Weil in Paris im kommenden Jahr die Olympischen Spiele stattfinden, habe das Thema aber eine große politische Dimension bekommen, so Schmolz.
Generell gelte: „Weltweit breiten sich Bettwanzen seit 20 bis 30 Jahren immer stärker aus. Das liegt auch daran, dass der globale Reiseverkehr zunimmt.“ Mit dem Klimawandel dagegen habe die Wanzen-Ausbreitung, anders als häufig behauptet, nichts zu tun. Cimex lectularius, so der lateinische Name der Bettwanze, ist weltweit vor allem in Hotels und Unterkünften, im öffentlichen Raum und immer öfter in Privathaushalten zu finden. Dass Letztere oft über Internetplattformen an Touristen vermietet werden, begünstigt die Verbreitung offenbar.