Immer enger windet sich die Straße an den Felsen entlang durch den Bregenzerwald, bis sie sich hinter Schröcken in großen Kehren auf den 1676 Meter hohen Hochtannbergpass hinaufschwingt.

Hier oben, an der Grenze zum Lechtal, breitet sich eine grandiose Berglandschaft mit üppigen Wiesenhängen und verlockenden Gipfeln aus, ein Biotop für Murmeltiere und Gemsen, für Enzian und Silberdistel.

Unser Blick gilt dem Großen Widderstein, der sich machtvoll über den grünen Hängen auftürmt, und einer der markantesten und beliebtesten Aussichtsberge in ganz Vorarlberg ist.

Das könnte Sie auch interessieren

Beliebt vor allem deshalb, weil der 2533 Meter hohe Gipfel vom Pass aus schon in rund zweieinhalb Stunden erreichbar ist. „Der Widderstein ist eigentlich ein Berg, wo man schnell oben ist und mit einer 360-Grad-Rundumsicht belohnt wird“, sagt Bergführer Christian Fritz aus Warth und fügt hinzu: „Es gibt kaum einen Berg von vergleichbarer Höhe, wo man so einen Weitblick hat.“

Bergführer Christian Fritz liebe den Widderstein, hat aber auch Respekt vor dem markanten Aussichtsgipfel. Bild: Christian Fritz
Bergführer Christian Fritz liebe den Widderstein, hat aber auch Respekt vor dem markanten Aussichtsgipfel. Bild: Christian Fritz | Bild: Christian Fritz

Vom Parkplatz aus sehen wir schon verlockend die Fahne der gut 2000 Meter hohen, wunderschön gelegenen Widdersteinhütte, das erste Etappenziel. Eine Stunde, steht auf einem Wegweiser, doch der Pfad führt so steil nach oben, dass wir schon nach einer Dreiviertelstunde die Hütte erreichen. Rund drei Stunden dauert der Weg bis hierher von Mittelberg und Baad im Kleinen Walsertal oder von Warth.

Die Hütte ist ein Ort, um die Seele baumeln zu lassen, inmitten von Wiesen mit grasenden Kühen und der zum Greifen vorhandenen Geologie aus Hauptdolomit. Bergführer Christian Fritz gerät hier jedes Mal aufs Neue ins Schwärmen: „Wir sehen genau auf die Braunarlspitze, den höchsten Berg im Bregenzerwald mit dem letzten Gletscher in diesem Gebiet.“ Und auf die ganzen anderen markanten Gipfel rundum wie Karhorn, Mohnenfluh oder die Hohe Künzel.

Zu dem Wohlfühlklima an diesem Ort tragen auch Hüttenwirt Peter Jochum und sein Team bei. Bewirten sie doch die Besucher von morgens bis abends. Beliebt bei den Gästen sind kräftige wärmende Suppen, wie Knödel- oder Gulaschsuppen, besonders an kalten Tagen, regionaler Bergkäse, „aber auch die Klassiker wie Apfelstrudel oder Germknödel mit Heidelbeerfüllung kommen gut an“.

Hüttenwirt Peter Jochum bewirtschaftet mit seinem Team die Widdersteinhütte. Er freut sich, in den Bergen leben und arbeiten zu dürfen ...
Hüttenwirt Peter Jochum bewirtschaftet mit seinem Team die Widdersteinhütte. Er freut sich, in den Bergen leben und arbeiten zu dürfen und die alpinen Traditionen zu bewahren. Bild: Vanessa Wüstner | Bild: Vanessa Wüstner

Seit dem Jahr 2002 bewirtschaftet Peter Jochum die Schutzhütte. Als Hüttenwirt motiviert ihn „die Naturverbundenheit, in den Bergen zu leben und zu arbeiten, umgeben von einer atemberaubenden Landschaft“. Und ihn freut der Gästekontakt, die Selbstständigkeit und das Bewahren alpiner Traditionen. Viele Gäste genießen die Gastfreundschaft im Auf- und Abstieg. Und wer schon einmal wissen will, was für ein Panorama ihn auf dem Widderstein-Gipfel erwartet, kann in der Hütte eine aufgehängte Karte studieren.

Unterwegs weist Bergführer Christian Fritz immer wieder auf die Besonderheiten hin: ein Enzian, ein Edelweiß, eine bunte Pflanzen-Vielfalt, die schier unermesslich scheint. „Es gibt allein mehr als 30 verschiedene Enzianarten“, weiß er. Dazu kommt die faszinierende Tierwelt. Die ganze Vogelwelt sowie Murmeltiere und Gemsen zuhauf.

Besonders freut den engagierten Führer und die Bergbewohner ein nachhaltiges Projekt. „Bereits 1952 hat man hier den zuvor ausgestorbenen Alpensteinbock wieder angesiedelt, heute ist das ganze Gebiet um den Widderstein wieder von Alpensteinböcken besiedelt“, berichtet er stolz. Es gebe circa 50 Steinböcke hier.

Einer der schönsten und gefährlichsten Berge

Nach der Widdersteinhütte nähern wir uns schnell dem Einstieg in die Felsenregion. Ein Schild besagt: „Nur für Geübte“. An dieser Stelle hält Bergführer Christian Fritz mit seinen Gästen ein Sicherheitsgespräch, wie er es nennt. „Immer schön hinter mir bleiben“, sagt er, „wer sich nicht sicher ist, oder wenn ich sehe, dass jemand unsicher ist, nehme ich ihn ans Seil.“ Ratsam sei auf jeden Fall, einen Helm aufzusetzen, da der Weg auf dem bei Schönwetter stark begangenen Gipfel in Kehren übereinander führt, und es dadurch immer wieder zu Steinschlag kommen kann.

Wenn er in der Felsregion im Steigen ist, redet Christian Fritz kaum etwas. „Da gilt meine Konzentration ganz dem Berg und seinen Geräuschen, damit ich gleich höre, wenn ein Steinschlag ins Rollen kommt.“ Rund eine Stunde, je nach Wetter und Kondition, dauert es nach dem Einstieg, bis rechterhand der Gipfel auftaucht. Noch eine Querpassage und ein letzter, mit einem Drahtseil gesicherter Felsaufschwung, dann stehen wir oben.

Blick vom Bodensee bis zur Wildspitze

Die Begeisterung seiner Gäste teilt der Bergführer mit ihnen: „Auf der einen Seite sehen wir bis zum Bodensee und auf der anderen Seite bis zur Wildspitze“, mit 3768 Metern der höchste Berg Tirols. Besonders ins Auge sticht das Kleine Walsertal mit dem Hohen Ifen, dem Walmendinger Horn und den Schafalpenköpfen um den Mindelheimer Klettersteig. An das Kleine Walsertal schließen sich dann die hufeisenförmig angeordneten Allgäuer Alpen an, bis ganz hinten zum Hochvogel und über das markante Dreigestirn Trettach, Mädelegabel und Hochfrottspitze zurück zum Biberkopf, der von der Optik aus fast nur einen Katzensprung entfernt scheint und mit dem Widderstein zusammen den jeweiligen Endpunkt der Allgäuer Alpen bildet.

Hinter dem Biberkopf streckt sich in einiger Entfernung ein zahnförmiger Spitz in die Höhe: „Das ist die Holzgauer Wetterspitze, auch ein Berg mit einer schönen Aussicht, doch dafür brauchen die Bergsteiger das Doppelte bis Dreifache an Kondition“, sagt Christian Fritz. Hautnah sehen können die Wetterspitze auch Weitwanderer, die von Oberstdorf nach Meran unterwegs sind und auf der zweiten Etappe von der Kemptener Hütte aus die Variante über die Simms-Hütte zum Kaiserjochhaus nehmen.

Der Einstieg in die Felsregion des Widdersteins. Bergführer Christian Fritz hält davor mit seinen Gästen stets ein Sicherheitsgespräch. ...
Der Einstieg in die Felsregion des Widdersteins. Bergführer Christian Fritz hält davor mit seinen Gästen stets ein Sicherheitsgespräch. Bild: Bernhard Lutz | Bild: Lutz, Bernhard

Unsere Konzentration gilt nun dem Abstieg. Hier heißt es aufpassen, um nicht auf dem Geröll auszurutschen oder Steinschlag auszulösen. Schnell verlassen wir die Gipfelregion, und schon nach relativ kurzer Zeit sehen wir ganz unten wieder den Hochtannbergpass. Bergführer Christian Fritz ist hier oft unterwegs. „Der Widderstein ist für mich einer der schönsten Berge, aber auch einer der gefährlichsten Berge rundum. Es besteht Absturzgefahr, Steinschlaggefahr und dazu kommen die Gefahren im Frühling, die nicht erkannt werden, wenn noch Schnee liegt.“

Und dann fügt er hinzu: Der Aufstiegs-Rekord auf den Widderstein liegt bei 37 Minuten, vom Hochtannbergpass. „Da gab es ein Widdersteinrennen vom Hochtannbergpass aus. Mein Vater Gebhard Fritz hat den Berg in 42 Minuten geschafft“, sagt Christian Fritz. Das Rennen war Ende der 1980er-Jahre.

Das könnte Sie auch interessieren

Was sollte ein Bergsteiger für eine Tour immer unbedingt mitnehmen? Eineinhalb Liter zum Trinken, ein Vesper, Windschutz und dem Wetter entsprechende Kleidung. Sicherheit hat für den Bergführer oberste Priorität. Sorgfältig studiert er den Wetterradar. Wird ein Gewitter gemeldet, ändert er die Route, bleibt zum Beispiel auf der Widdersteinhütte und wartet ab, ob sich das Wetter wieder verzieht, ansonsten schaut er, ob er mit dem Gast eine kleinere Wanderung machen kann.

Und wieviel Kondition ist für die 856 Höhenmeter nötig? Ohne Training und eine Grundfitness ist die Besteigung des Widdersteins nach Aussage des Bergführers nicht ratsam. Es gelte einfach, sich darauf körperlich vorzubereiten. Und er erklärt auch, was das bedeutet: „Wenn jemand im Flachland zehn Kilometer unter einer Stunde schafft, dann ist das eine Garantie für den Widderstein.“