Mann, das geht aber auf die Ohren! Vor mir steht Carsten Hinz, Boss der Klepperle-Narro aus Radolfzell, in einem Häs mit unzähligen Holzbrettchen. Jede Bewegung lässt die Brettchen rasseln und klappern. Hinz fängt an zu springen, es klingt wie eine gigantische Narrenratsche. Nach Dezibel fragt hier keiner.

„Man kommt rein, und alle gucken“, sagt Hinz, 47, über die Reaktion der Menschen auf das Häs. Die erste Frage sei dann: „Isch des Holz?“, erzählt er. Ja, das ist Holz. Bis zu 1200 der kleinen Holzbrettchen werden in Handarbeit auf das Häs der Klepperle-Narro genäht. Doch wie entstehen sie?
Alles beginnt mit „Buchenholzbrettle, vier Millimeter dick“, sagt Markus Kleemann, 51, Kassierer der Klepperle-Narro. Wir treffen uns im Narrenschopf der Narrizella Ratoldi am Montagabend vor Fasnacht. Überall Werkzeug, Maschinen, Requisiten.
Ausgangspunkt ist ein größeres Brett, etwa ein auf zwei Meter. Daraus werden zunächst kleine Rechtecke gesägt. An der Standbohrmaschine bohren Hinz und Kleemann in diese mittig ein zwei Zentimeter großes Loch hinein. Zwei Halbkreise entstehen in den beiden Hälften, „für die Finger“, so Kleemann. Dann folgen noch vier winzige Löcher am oberen Rand. Dort werden die Klepperle später am Häs angenäht.
Die Klepperle am Häs sind die vereinfachte Nachbildung der Klepperle, mit denen an Fasnacht akustisches Aufsehen erregt wird – diese sind massiver und von Hand geschliffen. Mit ihnen sorgen die Akteure für den richtigen Takt der Radolfzeller Fasnacht.

Aber woher kommt der Brauch? Man weiß nur, dass er aus dem Mittelalter stammt. Aussätzige klapperten mit Holzklappern, um Gesunde vor sich zu warnen, aber auch Narren wurden damit dargestellt. Geklappert wird auch in anderen Narrenzünften, unter anderem im nahen Stahringen, aber auch in Gengenbach, in Konstanz oder in Mainz.
Einfach ist das Kleppern nicht: Markus Kleemann führt es vor. Seine Hände bewegen sich blitzschnell, das rhythmische Klappern klingt für einen Laien ein wenig wie Kastagnetten.
Diese Klepperle waren Inspiration für das Häs aus Radolfzell, das es seit 1951 gibt. Nach dem Sägen sind die Klepperle noch sehr rau. Da haben sich die Narren eine pragmatische Lösung einfallen lassen: Sie geben die Klepperle mit Schleifpapier in eine alte Waschmaschinentrommel, hängen einen Elektromotor dran und lassen alles zwei bis drei Stunden lang laufen, bis die Klepperle glatt sind.
Die charakteristische schwarze Farbe am oberen Rand wird durch einen Gas-Brenner erzeugt. Kleemann dreht die Gasflasche auf: Fauchend schafft die Flamme in kurzer Zeit den verkohlten Rand, im Narrenschopf duftet es zart nach Karamell. Später werden die Brettchen auf Schnur gefädelt und in einem Becken mit Bootslack oder Parkettlack lackiert; andere Lacke eignen sich nicht.
Das war der einfache Teil. Dann beginnt der mühsame Teil des Annähens. Wer Klepperle-Narro werden will, muss sein Häs selbst machen. Alle Klepperle werden von Hand auf den Stoff von Haube, Jacke und Hose auf kräftige Bänder zur Verstärkung genäht mit sogenanntem Forellengarn, und zwar doppelt. „Das Ganze muss stabil sein, mein Häs ist schon etwa 30 Jahre alt“, sagt Hinz und zeigt seine Jacke.
Etwa ein Jahr dauert es, bis ein Häs fertig ist. „Dann wird es von mir und meiner Vizechefin Anja Deckel abgenommen; erst dann geht es auf die Fasnacht“, sagt Hinz. Das Häs sei „schon etwas Besonderes“. Allerdings sei es auch richtig schwer: „Man ist schon froh, wenn man es abends wieder ausziehen darf.“
Eben drum gibt es eine zweijährige Probezeit und auch die Möglichkeit, sich in einem sogenannten Leih-Häs zu versuchen. Gerade kommt eine Frau in den Narrenschopf, die das Leih-Häs anprobieren möchte. Markus Kleemann hilft ihr beim Anziehen. Sind Hose und Jacke angelegt, kommt zum Schluss die Haube mit der Maske.
Die Maske blickt freundlich-spitzbübisch drein. Das mache den Zugang zu den Menschen im Umzug in der Fasnacht leicht, so Hinz. Im Umzug springen oder „jucken“ die Klepperle-Narros, bis die Brettle rattern. Aufpassen muss man als Zuschauer eigentlich nur auf die Saublodere, die sie mitführen. Die Gruppe ist klein, maximal 50 Narren dürfen es sein: „Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft“, sagt der Klepperle-Boss.
Das Häs ist beeindruckend, sieht aber doch recht unbequem aus. Kann man damit überhaupt sitzen? Am oberen Teil der Hose sind keine Klepperle, das geht also schon, antwortet Hinz. „Wenn man drauf sitzt, merkt man das schnell“, sagt er lachend. „Wir sind auch schon mit den Häsern Bahn gefahren, das geht.“
Dazu kommt: Das Häs ist praktisch wasserdicht, eine Art Schindeldach-Effekt, sehr angenehm. „Wir waren mal in der Schweiz und haben auf den Bus gewartet“, erzählt der Klepperle-Boss. „Es hat geschneit, und als der Bus kam, lagen auf meinen Schultern zehn Zentimeter Schnee.“
Dieses Jahr werden die Klepperle-Narros wie alle anderen Narren auch nur eingeschränkt Fasnacht machen können. „Da blutet mein Narrenherz“, sagt Hinz, „aber das ist jetzt einfach so.“ Er hofft auf bessere Zeiten und darauf, bald mit seinen Klepperle-Kollegen und -Kolleginnen wieder bei Umzügen mitlaufen zu können.
Dort läuft er immer ohne Maske mit. Das hat einen ganz praktischen Grund: „Mit der Maske siehst du einen halben Meter vor dir absolut gar nichts.“ Er und Anja Deckel behalten Umzug und Zuschauer im Blick, damit niemand vor die Hästräger, etwa mit Kinderwägen. Wenn die Klepperle-Narros dann jucken, heißt es wieder: Ohren anlegen und staunen.