Frau Cantieni, warum haben Sie bei den Fallers aufgehört? Die Gerüchteküche kocht landauf, landab...
Es war Ende November, mein neuer Jahresvertrag war in Vorbereitung, und daran waren Bedingungen geknüpft, die ich nicht mehr erfüllen konnte und wollte. Das hat dann zu einem relativ heftigen Abbruch geführt.
Es ist immer noch ein Schmerz, wenn ich darauf zurückschaue, aber in meinem Leben war es doch immer so, dass ich nicht über jedes Stöckchen springe, das man mir hinhält. Das tat oft weh. Aber später zeigte sich dann oft, dass es richtig und gut war.
So ist es auch hier. Es gibt auch Loyalitäten und Vereinbarungen mit dem SWR, deswegen möchte ich nicht weiter ins Detail gehen. In den 28 Faller-Jahren habe ich viel Kraft auf der Strecke gelassen, viel moderiert, viel abgefangen und mich bemüht, dass das Produkt heil durchkommt.
Nun gibt es aber einen Film, produziert vom SWR, über meine künstlerische Arbeit, der gerade entsteht, auch mit alten Theaterfotos, unter anderem aus der Konstanzer Zeit, und die Esslinger Bühne, als noch das alte Haus stand. Das war mein erstes Theaterjahr. Gesendet wird der Film am 22. Dezember. Ich freue mich sehr darauf.
Kein Mensch hätte ja je gedacht, dass die Fallers so lange ausgestrahlt werden.
Ja, ja, ja! Am Anfang war das sehr anstrengend, weil wir einige Unker hatten, die sagten: Ach, nächstes Jahr wird das eingestellt. Da musste man immer gegenhalten. Ich habe damals eine gute Stelle beim Schweizer Fernsehen aufgegeben, weil ich spürte: Da kann man was draus machen.

Sich vom Team zu verabschieden, war sicher nicht einfach.
Ja, ich habe es stark gespürt, als ich für die Doku gedreht habe, da kamen einige vom technischen Team vorbei. Da sind auch Tränen geflossen. Von anderen gab es aber auch starke Vorwürfe. Mit einigen Kollegen habe ich noch Kontakt, da werde ich mich wieder melden.
Wie konnten Sie in der Serie mit dem Tod von Peter Schell umgehen?
Es war nicht ganz so überraschend für uns, weil wir das Fortschreiten seiner Krankheit miterlebt haben. Er hat wirklich bis zum Umfallen gedreht.
Am Schluss haben wir eine Abschiedsszene gedreht, als er mit der Bea die Treppe runter ging, er drehte sich noch mal um, und ich habe beiden zugerufen, „Machet‘s gut“.
Diese Szene mussten wir auch wiederholen, weil die Story geändert werden musste. Sie haben meinen Gegenschnitt gelassen. Es war unser Abschied.

Bei den Fallers spielt ja auch die schöne Umgebung eine Rolle. Ist Natur für Sie eine Inspirationsquelle?
Ja, das ist sie! Da gab es auch für die Serie einen schönen Moment! Mein Mann und ich haben ja 2008 den Westweg von Pforzheim bis Basel gemacht. Das war für uns privat eine Zeit des Umbruchs, wir hatten alles neu angefangen und wollten deshalb auf Wanderschaft gehen. Es war wunderschön, wenn auch die ersten Tage sehr anstrengend.
Und dann dachten wir: Das wäre eine Story für die Fallers. Wir haben es im Herbst vorgeschlagen und ein Wunder geschah! Der Vorschlag wurde angenommen und schon im nächsten Sommer wurde die Westweg-Staffel gedreht. Wir hatten nur tolles Wetter, und alle waren happy.
Dazu habe ich ein Fotobuch gemacht, das vom SWR herausgegeben wurde, leider ist es zu schnell in der Versenkung verschwunden. Ich ergreife gern selbst eine Initiative, und da fühlen sich manche übergangen, dann muss man wieder vermitteln...
Die Redaktion war in meinen Augen dem Sender gegenüber oft zu wenig selbstbewusst, und in der Rolle des Bittstellers. Bei vollem Erfolgskurs mussten wir eine massive Budgetkürzung verkraften. Es kamen immer weitere Einschränkungen: weniger Außendrehs, höheres Tagespensum, eine Verdichtung auf allen Ebenen. So hat mich Vieles immer wieder auf die Palme gebracht, und da habe ich auch kein Blatt vor den Mund genommen.
Einmal weg von den Fallers: Warum sind Sie Deutsche geworden? Seit Emil Steinberger wissen wir ja, dass es meist umgekehrt ist…
(sie lacht) Ich kam mit neun Jahren nach Stuttgart. Ich bin in Deutschland groß geworden, voll deutsch sozialisiert. Meine Mutter war Sängerin und fand: Das Kind muss „gscheit“ Deutsch lernen. An der Musikhochschule gab es eine Kindergruppe für Sprecherziehung und da ging ich dann hin.
Das war meine erste Bekanntschaft mit der schönen deutschen Sprache. Die Liebe zu ihr ist geblieben und hat sich gesteigert. Ich fühle mich im Deutschen und den gemäßigten Dialekten hier einfach mehr zuhause als im Schweizerdeutsch. Wobei mein ursprünglicher Graubündner Dialekt noch einer der schönen ist, weil er klare Vokale hat, nicht so halsig ist und nicht dieses „kch“ hat.
Dann kam die Mentalitätsfrage hinzu. Es war ja so viel befreiter und so viel weniger etepetete und mit So-tun-als-ob als in der Schweiz. Dazu kamen die 1968er, in denen ohnehin die Post abging: Ich war von Anfang an hier zuhause. Und bei der Berufswahl habe ich auch gemerkt: Ich will diesen weiten Sprachraum, auch wenn ich später in der Schweiz noch gespielt habe. Ich brauche die Luft hier zum Atmen.
Ich habe einen deutschen Pass und den Einbürgerungstest bestanden, der war gar nicht so ohne (sie lacht). Es war also die deutsche Sprache. Man muss sie pflegen, sie ist gerade ein bisschen am Verkommen.
Sie unterstützen die Organisation Wildwasser in Freiburg, die gegen sexuelle Gewalt gegen Mädchen kämpft.
Das ging über eine Bekannte und Freundin, die mich auf diese Institution aufmerksam gemacht hat. ich habe mich dann informiert und die Frauen kennengelernt, die dort arbeiten. Das war sofort ein sehr herzlicher und guter Kontakt. Sie wollten dann die Straßenbahnen in Freiburg mit ihrem Anliegen bepflastern.
Bei einem Benefizkonzert in der Musikhochschule durfte ich mit meinem Lyrikprogramm immer wieder dazwischengehen. Seitdem sind wir einfach verbunden. Während der Pandemiezeit gab es viel mehr häusliche Gewalttaten, und sie hatten alle Hände voll zu tun.
Sind Sie gelegentlich noch in Konstanz?
Ja, im Juli hatte Michael Zobel seinen 80. gefeiert auf den Rheinterrassen. Das war unheimlich toll, weil wir viele alte Freunde getroffen haben, auch unseren ehemaligen Architekten, Fery Müller. Er hat unsere Wohnung in der Konradigasse saniert.
Mein Mann hat ja in Konstanz studiert, und wir haben uns dort auch kennengelernt. Seit sechs Jahren ist er beim SWR raus, und er hat umgesattelt auf Yoga. Im Januar ist er fertig mit der zusätzlichen Ashtanga-Yoga-Ausbildung, und wir haben nun in unserem neuen Haus einen wunderbaren Yoga-Raum.
Dann kann man zu Ihnen in einen Yoga-Kurs kommen!
Genau. Wir haben jetzt schon drei kleine Gruppen laufen. Ich mach da immer mit. Nach dem Schnitt und der Trennung vom Sender ging es mir gesundheitlich sehr schlecht, ich bekam eine heftige Diagnose und habe mich dann für einen eigenen Weg entschieden.
Es gelingt, Ruhe ist jetzt angesagt. Ich spüre deutlich, wenn sich das Umfeld beruhigt, kommt auch mein Inneres zur Ruhe, da bin ich auf einem guten Weg. Da hat mir das Yoga-Training enorm geholfen.
Sie wirken von Ihrer Ausstrahlung her wie ein von Grund auf positiver Mensch. Was gibt Ihnen in diesen Zeiten von Krisen und Gewalt die Kraft, trotz allem weiterzumachen? Das Yoga?
Ohne Yoga hätte es mich total durchgeschleudert. An den Tagen, an denen ich trainiere, geht es mir einfach gut. Unsere Aufgabe ist es jetzt, bei sich zu bleiben, positiv zu denken, sich nicht in den Strudel hineinziehen zu lassen.
Das heißt nicht, dass man die Situation bagatellisieren wollte. Ich muss so damit umgehen, damit ich mein Umfeld nicht weiter vergifte. Das ist jetzt unsere große Aufgabe, das hinzukriegen und sich im Loslassen zu üben. Das ist ohnehin eine stete Übung. Und, auch mal still nur beobachten können.