Nun steht es schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“
Damit ist zwar noch nicht das Deutungsproblem ausgeräumt, das bis zuletzt für Streit zwischen den wohl künftigen Koalitionären von Union und SPD gesorgt hatte: CDU und CSU wollen sich zwar mit den Nachbarländern besprechen, im Zweifel aber auch ohne deren Zustimmung zurückweisen. Die Sozialdemokraten wollen das nur, wenn es Konsens mit den Nachbarn gibt.
Angeblich Gespräche mit den Nachbarn
Markus Söder verlautbarte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags am Mittwoch, es fänden schon Gespräche mit den Nachbarn statt. Die bestätigten das nicht.
Auf die konkrete Frage, ob diese Gespräche bereits geführt würden, heißt es vom Österreichischen Innenministerium neben einigen allgemeinen Ausführungen nur: „Wir begrüßen, dass Deutschland angekündigt hat, in Abstimmung mit den Nachbarstaaten vorzugehen. Wir sind zuversichtlich, dass das Handeln der deutschen Behörden an den EU-Binnengrenzen auf dem Boden der Rechtsordnung erfolgt.“
Schweiz pocht auf Einhaltung des Rechts
Die Schweiz reagierte auf eine entsprechende Nachfrage am Donnerstag nicht. Laut der Deutschen Presseagentur poche das Schweizer Bundesamt für Migration aber auf die Einhaltung europäischen Rechts.
„Die Schweiz behält sich vor, entsprechend zu reagieren, sollten die Zurückweisungen aus unserer Sicht gegen das geltende Recht verstoßen“, teilte demnach ein Sprecher mit.
Die Schweiz erwarte, dass der allgemeine Personen- und Warenverkehr weiterhin möglichst unbeeinträchtigt bleibt. „Die Schweiz erwartet, dass deutsche Maßnahmen an den Grenzen wie angekündigt weiterhin nur in Abstimmung mit der Schweiz und unter Einhaltung des europäischen Rechts erfolgen“, hieß es weiter.
Experte warnt vor Risiken
Laut dem Konstanzer Europarechtler und Migrationsexperten Daniel Thym wäre ein deutscher Alleingang in dieser Frage hochriskant. „Tatsächlich kann es große Probleme geben, wenn zum Beispiel die Deutschen die Migranten von der einen Seite der Brücke zurückschicken und die Österreicher auf der anderen Seite stehen und sie nicht wieder einreisen lassen. Das wäre ein Fiasko‘, sagte er vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
„Das wird man verhindern müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gerichte so etwas akzeptieren. Es würde auch viel europapolitisches Porzellan zerschlagen, das wir unbedingt brauchen“, so Thym weiter.
Eine dauerhafte Lösung sei das jedenfalls nicht. „Ich sage bewusst dauerhaft, kurzfristig mag es einen gewissen Effekt geben – die Migration durch Zurückweisungen steuern, ergibt keinen Sinn. Dafür gibt es gerade hier in Süddeutschland zu viele Schleichwege.“
Die Asylzugangszahlen gehen derweil deutlich zurück. Erstmals seit Jahren ist Deutschland nicht mehr europäischer Spitzenreiter – im ersten Quartal 2025 wurden in Frankreich und Spanien mehr Anträge gestellt.
Das macht sich auch in Baden-Württemberg bemerkbar: Nachdem bereits im vergangenen Jahr Rückgänge verzeichnet worden waren, wurden in diesem März mit 923 nur etwa halb so viele Asylanträge wie im vergangenen Frühjahr registriert, im Vorjahresmonat waren es 1600.
Illegale Grenzübertritte aus der Schweiz nach Deutschland
Anzahl der erfassten Fälle von unerlaubt eingereisten Menschen über die Schweizer Grenze pro Monat.
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2022
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2023
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2024
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2025
Auch die unerlaubten Einreisen aus der Schweiz sind deutlich zurückgegangen. Im Januar stellte die Bundespolizei 610 (Vorjahresmonat: 1473), im Februar 530 (Vorjahresmonat: 1050) solcher Fälle fest. Zahlen für den März liegen noch nicht vor.
Mit den Grenzkontrollen hat der Rückgang nach Ansicht der Experten wenig zu tun. Eher mit einer veränderten Lage in vielen bisherigen Herkunftsländern – die sich natürlich auch wieder in eine andere Richtung entwickeln kann.