Friedrich und Wolodymyr duzen sich jetzt. Immerhin ein Zeichen der Verbundenheit in diesen schweren Zeiten. Für die Ukraine sieht es sonst düster aus. Alle Hoffnungen, die man in Europa in den vergangenen Wochen gehegt hatte auf einen baldigen Waffenstillstand und mögliche Friedensverhandlungen, sind zerstoben.

Wladimir Putin lacht sich eins und tut genau das Gegenteil des Erhofften: er lässt die Ukraine bombardieren wie nie. Und der Mann in Washington, der zu seinem Amtsantritt noch vollmundig einen Friedensschluss binnen 24 Stunden versprochen hatte, ist drauf und dran das Interesse am europäischen Krieg zu verlieren. Donald Trump hat sich von Putin über den Tisch ziehen lassen, weitgehende Zugeständnisse gemacht, ohne ein einziges Entgegenkommen aus Russland zu verbuchen.

Vom Taurus wird nicht mehr gesprochen

Was kann Friedrich Merz in dieser Lage ausrichten? Am Mittwoch schaute man gespannt auf das Treffen von Selenskyj und Merz in Berlin. Noch in der Opposition hatte Merz mehrfach die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern angekündigt. Wenn der russische Kriegsterror nicht aufhöre, sollten deutsche Taurus russische Nachschubwege zerstören, so tönte er noch im vergangenen Oktober. Nun ist davon nichts mehr zu hören.

Die neue Bundesregierung will nicht mehr zu viel Konkretes über die Lieferung bestimmter Waffensysteme verlautbaren lassen. Das ist sicherlich taktisch klug in Bezug auf Russland, das nicht wochenlang vorher erfahren soll, worauf es sich einstellen muss. Es ist aber auch taktisch clever in eigener Sache: Niemand kann Merz mehr auf seine alten Versprechen festnageln. Und der erwartbare Streit mit der SPD muss nicht in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden.

Wohltuend anders als Scholz

Immerhin hat Merz klar gemacht, dass die militärische Unterstützung für die Ukraine weiter ausgebaut wird. Floskeln in der Art von Olaf Scholz hört man von ihm wohltuend wenig. Explizit war beim Treffen mit Selenskyj von Raketenproduktion in der Ukraine die Rede, etwas, auf das der ukrainische Präsident schon lange drängt, weil das die Zahl der künftigen Betteltouren um immer neuen Nachschub reduzieren könnte.

Außerdem soll die demonstrative Solidarität in regelmäßige Regierungskonsultationen gegossen werden. Auch wirtschaftlich soll es mehr Zusammenarbeit geben. Alles positive Ansätze, von denen sich Selenskyj allerdings so wenig kaufen kann wie vom Du mit dem „lieben Friedrich“.

Die Alternative wäre ein Risiko für Deutschland

Es gibt letztlich kein Vertun: Deutschland kann das Vakuum an US-Beistand nicht auffangen, auch eine Koalition der Willigen kann dies nicht. Aber hängen lassen kann man die gebeutelte Ukraine auch nicht – zumal man weiß, was damit auch für Deutschland und Europa auf dem Spiel stünde: Die Bedrohung aus Russland ist nur allzu real.

Wer die Ukraine an Moskau ausliefert, muss mit weiteren Angriffen rechnen, in drei oder acht Jahren, wenn die russischen Streitkräfte sich konsolidiert haben – dann auf Nato-Gebiet.

Der neue Bundeskanzler ist sich dieser Tragweite bewusst – mehr als dies bei der Ampel-Koalition der Fall war. Russlands Kriegstreiberei soll nicht unbeantwortet bleiben. Da sind sich auch die Europäer einig: Das 17. und 18. Sanktionspaket der EU wird den Krieg nicht beenden, das ist klar – was zählt, ist aber auch das Signal, dass Putins Agieren nicht unwidersprochen bleibt. Auch hier fehlen die USA: Verhandlungen der EU mit den transatlantischen Partnern führten zu nichts.

Die richtigen Weichenstellungen

Die Weichenstellungen, die Merz bislang vorgenommen hat, sind richtig: Stärkung der Bundeswehr, Verteidigungsausgaben jenseits der Schuldenbremse, beschleunigte Planung und Beschaffung beim Heer, ein neuer Umgang mit der Rüstungsindustrie. Das alles weist in die richtige Richtung. Bei der Wehrpflicht allerdings gehen die GroKo-Pläne nicht weit genug: Mit Freiwilligkeit wird man auf die erforderliche Anzahl an Soldaten nicht kommen.

Was nicht ins Bild passt, ist Merz‘ Neigung zur Vollmundigkeit. Immer wieder macht er große Ankündigungen, hinter die er dann zurücktreten muss: Das Ultimatum gegen Putin verstrich; die weitreichenden Waffen sind tatsächlich schon erlaubt. Merz‘ Kritik an Trump wird hingegen zunehmend leiser.

Wir brauchen die USA

Am Mittwoch dankte er dem US-Präsidenten ausdrücklich für dessen Engagement für Friedensverhandlungen. Vielleicht schlägt hier beim Heißsporn Merz die Erkenntnis des Regierenden durch, dass mit Kraftmeierei nichts zu gewinnen ist. So sehr man sich eine entschlossene eigenständige Aktion der Europäer wünschen würde, die den Irren im Weißen Haus einfach außen vor ließe: Die macht- und militärpolitische Realität sieht anders aus.

Die Europäer werden weiter versuchen müssen, die USA auf ihre Seite zu ziehen. Nur mit vereinten Kräften lässt sich Putin so weit unter Druck setzen, dass er sich wirklich irgendwann auf Friedensverhandlungen einlassen wird.