Die internationale Lage hat sich komplett verändert
Als vor zwölf Jahren die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt wurde, konnte sich das noch keiner vorstellen: Die Lage war stabil, der Kalte Krieg ausgestanden, die USA noch der aktive Weltpolizist. Die Bundeswehr war nur als Spezialisten-Armee bei Einsätzen rund um den Globus gefragt.
Seit etwa zwei Jahren hat sich das komplett verändert: Auch wenn Wladimir Putin das abstreitet, mag sich keiner mehr darauf verlassen, dass Russland nicht doch in Zukunft auch Nato-Länder angreifen könnte. Zumal, wenn der Kreml-Chef mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine durchkommen sollte.

Dann aber wäre nichts mehr sicher und Deutschland müsste Soldaten bereitstellen für die Verteidigung der baltischen Länder zum Beispiel, im schlimmsten Fall auch das eigene Land verteidigen. „Wir befinden uns in der gefährlichsten Phase seit dem Ende des Kalten Krieges“, sagt André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbands.
Deutschland muss kriegstüchtig werden
So hat es Verteidigungsminister Boris Pistorius kürzlich gefordert. Kriegstüchtig ist das deutsche Heer bekanntlich aus vielen Gründen derzeit nicht – marode Gebäude, mangelhafte Ausrüstung, zu wenig Kleidung, schlechte Gewehre … Es fehlt praktisch an allem. Daran sollen die 100 Milliarden Sondervermögen einiges verbessern.
Das Geld hilft jedoch wenig beim Nachwuchs: Bis 2031 soll die Armee auf 203.000 Beschäftigte anwachsen. Doch der Personalbestand stagniert seit Jahren bei 183.000 Soldaten. Der demografische Wandel schlägt auch hier zu: 20.000 Neueinstellungen sind allein deshalb jährlich nötig.
Es ist nicht verwerflich, seinem Land zu dienen
Das Kriegshandwerk hatte in Deutschland lange einen fahlen Beigeschmack. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das auch kein Wunder. Ganze Generationen sind zudem damit aufgewachsen, Verteidigung für überflüssig zu halten. „Make love, not war“, Frieden schaffen ohne Waffen – die Friedensbewegung mag nicht mehr groß sein, ihr Gedankengut aber ist sehr weit verbreitet in der deutschen Gesellschaft.
Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Blick auf die Bundeswehr allerdings verändert. In der Ukraine, so sind viele überzeugt, wird auch Europa verteidigt und damit unsere Freiheit. Patriotismus als Voraussetzung von Demokratie gewissermaßen – so hat man das lange nicht gesehen. Das könnte man übrigens auch der FDP erwidern, die gegen eine Rückkehr der Wehrpflicht die unzulässige Beschneidung der Freiheit junger Leute ins Feld führt.
Nicht jeder muss Dienst an der Waffe leisten
Schon bei der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht mussten nicht alle jungen Männer zum Heer. Verteidigungsminister Pistorius schwebt das schwedische Modell vor: Die Schweden, die die Wehrpflicht ebenfalls ausgesetzt hatten, mustern seit 2017 alle jungen Leute, auch Frauen. Eingezogen werden aber nur 10.000, und nur die, die auch zur Armee wollen.
Wehrpflicht muss also kein Zwang sein, Dienst an der Waffe zu tun. Auch die sogenannte Dienstpflicht, bei der ein Teil der jungen Menschen zur Armee ginge, andere im sozialen Bereich zum Einsatz kämen, wäre eine Option.
Der Einsatz muss aber auch honoriert werden
Werden wie in Schweden nur die Geeignetsten für den Wehrdienst ausgewählt, während die anderen Studium und Beruf nachgehen, braucht es auch die entsprechende Wertschätzung.
Im Moment sind in der Bundeswehr die Mittel knapp, eine Aufstockung ist aber im Bereich des Möglichen: Sowohl attraktive Angebote für die Rente als auch eine gute Bezahlung sollte der Staat dafür in Aussicht stellen, dass sich jemand für die Verteidigung des Landes zur Verfügung stellt.