Die Baumhäuser sind geräumt, die Polizei-Uniformen in der Reinigung, der Protest ist abgezogen. Lützerath ist am Ende, der kleine Weiler nach fast 1000 Jahren Geschichte. Dass es so kommen würde, war absehbar, denn Lützerath war eben nicht der Hambacher Forst mit seinen Baumbesetzern und Widerständlern.

Im Hambacher Forst hatten sich Aktivistinnen und Aktivisten mehr als sechs Jahre in Baumkronen verschanzt, bevor das Räumkommando der Polizei anrückte. Die Klimaschützer protestierten mit langer Sicht gegen die Rodung und stemmten sich gegen den Energiekonzern RWE und seine Kohlebagger.

Lützerath dagegen rückte erst 2021 in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Die Räumung des Hambacher Forsts war rechtswidrig, urteilte ein Gericht, die Räumung von Lützerath war rechtens. Auch deshalb stehen die Bäume im Forst noch und rund um die Gehöfte von Lützerath nicht mehr.

Lützerath war nicht zu retten

Lützerath in diesem Januar noch zu retten, war ein aussichtsloses Unterfangen. Das wussten auch die meisten der Demonstrierenden an der Abbruchkante des Tagebaus. Sie protestierten trotzdem. Dafür muss man ihnen dankbar sein. Die Klimaschützer und Aktivisten handeln nicht nur in eigener Sache, sie kämpfen für die Rettung der Erde, das ist eine große Sache.

Und sie liegen richtig mit der Auffassung, dass Gesellschaft und Politik nicht schnell genug handeln und dass wir raus müssen aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Man kann sie nur darin bestärken, laut zu bleiben.

Im Kern können sie auch gar nicht anders, denn die Partei, zu der sie in der Vielzahl tendieren, hat sie verraten – zumindest sagen sie das selber.

Luisa Neubauer (mit „Lützi bleibt“-Schild) und Greta Thunberg (rechts daneben) beim Protest in Lützerath.
Luisa Neubauer (mit „Lützi bleibt“-Schild) und Greta Thunberg (rechts daneben) beim Protest in Lützerath. | Bild: FEDERICO GAMBARINI

Es waren die Grünen im Bund und im Land Nordrhein-Westfalen, die den Kompromiss mit RWE ausgehandelt hatten: Stopp des Tagebaus nicht 2038, sondern acht Jahre früher, vier Dörfer werden gerettet, Lützerath aber nicht. Realpolitik nennt sich das, und deshalb fliegt den Grünen gerade die linke Basis um die Ohren.

Protest muss sich steigern

Das Problem der Klimaschützer ist, dass sie für ihre Anliegen in der politischen Opposition keine Heimat finden und sich als außerparlamentarische Opposition zu den Regierenden und der politischen Opposition gleichermaßen positionieren müssen, wie es der Münchner Soziologe Armin Nassehi gerade geschrieben hat.

Um auch künftig wahrgenommen zu werden, muss sich Protest steigern – in seinen Aktionen und in seiner Rhetorik. So ist die Mechanik und die birgt ein Dilemma in sich, das während der heißen Tage um Lützerath mehr als deutlich wurde.

Glaubwürdigkeitsproblem

So behauptete die Symbolfigur des Klimaschutzes, Luisa Neubauer, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass Polizisten hemmungslos geprügelt hätten und es mehrere Schwerverletzte mit Kopfwunden gegeben habe. Den Nachweis für ihre scharfe Rhetorik erbrachte sie aber nicht, es blieb bei den mehrfach wiederholten Behauptungen und ein paar Videos, die die Gesamtlage kaum erfassten.

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Das ist riskant, denn damit spielte sie mit ihrer eigenen Glaubwürdigkeit und mit den Anliegen der Klimabewegung. Sie führte rhetorisch eine Lage herbei, die es so vielleicht gar nicht gegeben hat. Wohlgemerkt vielleicht. Die Stärke des Klimaschutzes war aber eigentlich immer die faktenbasierte Absicherung von Behauptungen, die sollte er nicht aufgeben.

Die Polizei als Institution zu stigmatisieren, die den Klimaschutz angeblich niederprügelt, ist weder angemessen noch sachlich richtig. Die Polizei setzt Recht durch und versucht, zivilen Ungehorsam aufzulösen. Dafür müssen die Mittel angemessen sein, ohne Frage, und zwar sowohl auf der einen wie auch auf der anderen Seite. Auch hier blieb Luisa Neubauer unsauber.

Wo Neubauer falsch lag

Sie lag falsch mit der Behauptung, dass alle Menschen in Lützerath friedlich protestiert hätten. Es gab sehr wohl gut organisierte und gewaltbereite Gruppierungen, die die Polizei gezielt angriffen. In kleiner Zahl, aber ausreichend, um Reaktionen auszulösen und Bilder für Videokameras und Handys zu produzieren. Wenn Klimaprotest in der breiten Öffentlichkeit weiter Rückhalt genießen will, müssen sich friedliche Aktivisten klarer von Randale-Touristen abgrenzen – und sie nicht verschweigen.

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Der Klimaprotest lebt maßgeblich von der Akzeptanz in der Bevölkerung, quer durch alle Bevölkerungsschichten und Parteifarben. Die schleichende Emanzipierung von den Grünen führt zu einer eigenständigen Bewegung, die nicht nur im Gespräch, sondern auch gesprächsbereit bleiben muss.

Das wackelige Fundament von Halbwahrheiten und Provokation trägt dabei nicht lange. Deshalb tun sich auch so viele Menschen schwer mit den Aktionen der sogenannten „Die Letzte Generation“. Ihre radikalen Aktionen und Sachbeschädigungen führen zu – tja – zu was eigentlich? Im Moment zu Verdruss. Und das ist sicher der falsche Weg.