Sie steht schließlich im Grundgesetz. Das ist das Hauptargument all jener, die bei den gerade laufenden Haushaltsverhandlungen im Bund auf die Schuldenbremse pochen. Das führt dazu, dass in Zeiten schwächelnder Konjunktur und dringend nötiger Investitionen dem Staat an vielen Stellen das Geld fehlt.
Das finanzielle Korsett, das sich Deutschland in die Verfassung geschrieben hat, lässt kaum Luft, um auf Krisen wie den Krieg in der Ukraine, Fachkräftemangel, Bildungsmisere, bröckelnde Infrastruktur und die Klimaerwärmung zu reagieren.
Dabei ist die Diskussion, ob die Schuldenbremse nun ein nützliches oder hinderliches Instrument ist, ziemlich ziellos. Über kurz oder lang wird sich keine Zweidrittelmehrheit im Bundestag mehr finden, um sie wieder loszuwerden. Fatal ist aber, dass bei all den Verrenkungen um den Bundeshaushalt nur auf die Ausgabenseite geschaut wird.
Zuletzt hat eine ganze Reihe von Studien gezeigt, wo das fehlende Geld auch herkommen könnte: von der Vermögenssteuer. Die steht auch im Grundgesetz, ist aber seit 1996 ausgesetzt, weil Immobilien gegenüber anderen Vermögenswerten ungleich behandelt wurden. Alleine dadurch sind dem Staat seither mehr als 380 Milliarden Euro entgangen.
Viel mehr für ganz wenige
Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, wie sich die Steuergeschenke an die Wohlhabendsten im Land auf die Staatsfinanzen ausgewirkt haben. So ist die Summe der privaten Geldvermögen von 1,9 Billionen im Jahr 1991 bis 2023 auf mehr als 7,7 Billionen Euro angewachsen. In ähnlicher Größenordnung gestiegen ist die jährliche Wirtschaftsleistung Deutschlands, von umgerechnet rund 1,6 Billionen auf jetzt mehr als 4,1 Billionen Euro.
Man kann also sagen: Der Staat hat dafür gesorgt, dass sich private Vermögen und die Wertschöpfung im Land seit der Wiedervereinigung fast verdreifacht haben – eine beachtliche Bilanz. Verteilt sind diese Gewinne aber höchst ungleich. Die zehn reichsten Prozent der erwachsenen Bevölkerung besitzen hierzulande zwei Drittel des Gesamtvermögens. Den Rest teilen die übrigen 90 Prozent unter sich auf. Und diese Schieflage nimmt jedes Jahr weiter zu.
Dabei findet kaum Beachtung, dass der Staat seine Aufgaben mit im Vergleich zur Wirtschaftsleistung immer geringer werdenden Mitteln erfüllen muss. Das Steueraufkommen ist nämlich seit 1991 nur von 650 auf 915 Milliarden Euro gewachsen, also um etwa 50 Prozent.
Im gleichen Zeitraum wurde der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt, wurde der Solidaritätszuschlag größtenteils abgeschafft und eben die Vermögenssteuer ausgesetzt. Das Resultat: Die Infrastruktur hält mit dem Wirtschaftswachstum nicht Schritt. Und die Vermögensverschiebung führt zu gesellschaftlichen Verwerfungen, weil Reiche überproportional großen Einfluss ausüben.
Unerträgliche Geringschätzung
Regt dann doch einmal jemand an, dass diese Bevölkerungsschicht einen höheren Anteil zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen sollte, ist gleich von einer Neiddebatte die Rede. Diese kategorische Ablehnung paaren nicht wenige der Millionäre und Milliardäre mit einer unerträglichen Geringschätzung gegenüber dem Staat, seinen Institutionen und jenen Bürgern, die weniger im Geldbeutel haben.
Und sie vergessen dabei, dass gewinnorientiertes Wirtschaften überhaupt erst in einem rechtssicheren Umfeld möglich wird, mit entsprechend ausgebildeten Arbeitnehmern, mit intakten Verkehrswegen und einem funktionierenden Sozialsystem.
Bei der Vermögenssteuer geht es auch nicht um Neid, sondern um das vernünftige Maß. Keine Arbeit der Welt rechtfertigt die abstrusen Millionengehälter, die in manchen Branchen bezahlt werden. Und es gibt keinen Grund, warum jemand Vermögen von mehreren Millionen oder gar Milliarden anhäufen muss. Es ist auch ein Mythos, dass Reichtum das Ergebnis harter Arbeit sei. Meist werden große Vermögen schlicht vererbt.
Es ist klar, dass die Vermögenssteuer nicht alle aktuellen Missstände beseitigen würde. Sie wäre jedoch ein Instrument, die Steuern für Gering- und Normalverdiener zu senken und die unheilvolle Entwicklung zu bremsen, dass die Reichsten immer noch mehr und unkontrolliert Geld und Macht anhäufen. Mit der SPD stellt jedoch eine Partei den Kanzler, die sich die Gerechtigkeit auf die Fahnen schreibt, aber nur wenig dafür tut.
Kanzler Olaf Scholz war selbst mit dem Versprechen in den Bundestagswahlkampf gezogen, für mehr Respekt für die arbeitende Bevölkerung einzutreten. Dazu würde eben auch gehören, Hand ans Steuersystem zu legen. Es muss einfacher werden, es muss gerechter werden – und dazu muss es für einige teurer werden. Wer sich mit den Reichen im Land anlegen will, muss zwar mit ordentlich Gegenwind rechnen. Aber immerhin das Grundgesetz wäre auf seiner Seite.