Der Ausnahmezustand in der Ukraine wurde gerade erst ausgerufen. Doch das Land im Osten Europas muss sich auf Monate im Ausnahmezustand einrichten. Noch konzentriert sich der Konflikt auf den Osten der Ukraine, aber die Gefahr einer Invasion in das übrige Land wird realer. Zwei Kommunen im Land unterhalten Städtepartnerschaften mit Südbaden. Freiburg ist mit Lwiw (früheres Lemberg) verpartnert, Singen mit der zentralukrainischen Kleinstadt Kobeljaki. Beide versuchen, ihre Partner zu unterstützen.

Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn steht schon seit Wochen in engem Kontakt mit seinem Amtskollegen in Lwiw, Andrij Sadowyj. „Die Gesamtsituation in der Ukraine und der Konflikt mit Russland macht uns fassungslos und bereitet große Angst, wir sehen seit Wochen eine Eskalationsspirale“, sagt Horn im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Das hätten wir uns noch vor wenigen Monaten noch nicht vorstellen können“, so der Oberbürgermeister Freiburgs.
Lwiw als neues diplomatisches Zentrum
Die Stadt nahe der polnischen Grenze könnte zum neuen diplomatischen Zentrum des Landes werden: So haben die USA ihre Botschaft bereits Mitte Februar nach Lwiw verlegt. Auch das deutsche Generalkonsulat wurde von Kiew nach Lwiw verlegt.
Die Stadt will sicherstellen, dass die Stromversorgung gewährleistet ist. Hier sollen Freiburg und der regionale Energieversorger Badenova helfen, große Generatoren zu beschaffen, die ausreichen, um das Krankenhaus der Stadt am Laufen zu halten. Lwiw ist mit etwa 730.000 Einwohnern fast drei Mal so groß wie Freiburg.
Schon vor mehreren Wochen hatte Horn seinen Angaben nach Hilfe zugesagt. Die Stadt selbst sei aber bereits seit sechs Monaten dabei, sich auf einen möglichen Krieg vorzubereiten. Die Wasserversorgung und Lager mit Lebensmitteln seien längst organisiert, berichtet Horn. Inzwischen steht Horn nach eigenen Angaben in wöchentlichem Austausch mit Lwiw. Selbst vor Ort war Horn zuletzt 2019, vor der Pandemie.
Lange Partnerschaft
Die ukrainische Kultur ist in Freiburg verwurzelt, hier gibt es eine deutsch-ukrainische Gesellschaft und einen Städtepartnerschaftsverein. Die Partnerschaft besteht schon seit der Zeit vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, bereits 1989 verpartnerten sich die Städte. Seither hat Freiburg die westukrainische Stadt immer wieder unterstützt, wie Günter Burger, Leiter des Referats Internationale Kontakt in Freiburg, erklärt.
Zuletzt hatte Freiburg im Frühjahr 2021 medizinische Güter wie Schutzanzüge, Masken und auch Beatmungsgeräte nach Lwiw geschickt: Die Kosten konnte die Stadt über das Corona-Solidaritätsprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit refinanzieren.
Bürokratischer Weg
Aktuell unterstützt die Stadt ein Projekt, mit dem bedürftige Menschen in der Stadt mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden. „Lemberg hat sich schon sehr entwickelt“ seit dem Ende der Sowjetunion, betont Burger. Dennoch gebe es immer noch eine große Zahl armer Menschen in der Stadt.
Hilfsgüter in die Ukraine zu bringen, sei allerdings mit hohem bürokratischem Aufwand beim Zoll verbunden, so Burger. Wie lange es dauern wird, Generatoren für Lwiw zu organisieren und in welcher Höhe sich Freiburg daran finanziell beteiligen wird, kann der Referatsleiter noch nicht sagen.
Singen steht zur Hilfe bereit
Auch im Hegau gibt es eine Partnerschaft mit einer zentralukrainischen Kleinstadt. Singen ist mit dem Städtchen Kobeljaki verpartnert, etwa 10.000 Einwohner zählt die Stadt, die rund 270 Kilometer nordwestlich von Donezk liegt.
Die Partnerschaft wird von Ehrenamtlichen gepflegt, die Stadt selbst hat keine Mitarbeiter und kein Budget, um die Verbindung zu pflegen. Bislang habe es auch kein Hilfegesuch seitens Kobeljaki gegeben, heißt es seitens der Stadt. Doch Stefan Mohr, Sprecher der Stadt, betont: „Wir wünschen uns alle, dass es zu keiner Eskalation kommt. Sollte es eine Notsituation geben, werden wir alles tun, um zu helfen.“

Carmen Scheide, Dozentin für die Geschichte Osteuropas an der Universität Bern, ist Partnerschaftsbeauftragte der Stadt Singen und ehrenamtlich tätig, um die Partnerschaft mit Kobeljaki zu pflegen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese Krise sehr lange dauern wird“, fürchtet sie. Kurzfristig humanitäre Hilfe zu organisieren, sei aber schwierig. Mit Spendenaktionen könne aber gegebenenfalls der Bedarf für medizinische Güter oder Ähnliches organisiert werden.
Bislang fühlten sich die Menschen in der zentralukrainischen Stadt aber nicht bedroht, sagt Scheide, die in den vergangenen Tagen in Verbindung mit Einwohnern der Stadt stand. „Im Moment ist dort ja kein Konfliktgebiet“, erklärt sie. Auf der Facebookseite der Partnerschaft wird allerdings auf einen Bericht verlinkt, wonach in der Umgebung der Stadt ein Rekrutierungszentrum zur Territorialverteidigung eröffnet wurde. Die Ukraine bereitet sich auf eine Invasion vor.