Herr Faas, die erste Ampel-Koalition auf Bundesebene ist Geschichte. So schnell wird es keine neue mehr geben, oder was denken Sie?

Das sind große Sätze. Aber das ist ja nicht nur eine Frage von Politik, sondern auch von Mathematik. Am Ende braucht es Mehrheiten, und dafür sind in diesen Zeiten eben auch ungewöhnliche, breite Koalitionen nötig. Das war beim letzten Mal auch schon so. 2017 hätten wir fast Jamaika bekommen, 2021 eben die Ampel. Beides hätte man sich vor ein paar Jahrzehnten kaum vorstellen können, aber die Koalitionen wurden nötig.

Warum ist die Ampel gescheitert: Weil Rot, Grün und Gelb einfach nicht zusammenpassen, oder lag es da mehr am Personal?

Ich glaube, es wäre zu einfach zu sagen, dass da drei Männer am Ende zu große Egos hatten. Im Falle der Ampel, die sich ja selber als Fortschrittskoalition präsentiert hat, kann man sehr schön sehen, dass es bestimmte Themenfelder gibt, in denen Parteien gut zusammenpassen. Das war bei der Ampel eben all das, was unser Zusammenleben betrifft: Selbstbestimmungsgesetz, Cannabis-Legalisierung. Alles, was in Richtung moderne, progressive Gesellschaft zielt.

Da waren es durchaus drei Partner, die gut zusammengepasst haben. Problematisch wurde es mit dem Ausbruch des Ukrainekrieges und damit einhergehend der Frage, wie wollen wir eigentlich sozialpolitisch und wirtschaftspolitisch mit dieser Situation umgehen? Da waren die Konzepte sehr weit auseinander, ab dem Moment haben eigentlich die Fliehkräfte nur noch zugenommen.

Scheitert eine Koalition typischerweise am Geld?

In dem Fall war es sicher so, aus zweierlei Gründen: Einerseits weil die Frage der Schuldenbremse und der Steuererhöhungen einen sehr wichtigen Stellenwert insbesondere für die FDP hatte. Das war so etwas wie der Markenkern. Aber das Bündnis ist auch daran gescheitert, dass es infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils schwierig wurde, den Haushalt zu finanzieren und sich auf Schwerpunktsetzungen zu verständigen. Aber am Ende ist es trotzdem auch immer so ein Moment, der das Ganze zum Kippen bringt, das Überschreiten einer roten Linie, bei dem die Beteiligten sagen: Jetzt geht es einfach nicht mehr.

Am Schluss wurde kräftig ausgeteilt. Das ist wie in einer gescheiterten Beziehung, oder?

Ja. Dreierbündnisse sind immer schwierig, das wissen wir doch irgendwie alle. Zugleich waren die scharfen Worte am Ende an der Stelle auch ein professionelles Spiel. Man darf nicht vergessen, dass mit dieser Entscheidung nicht nur das Bündnis zu Ende ging, sondern es stand auch ein Wahlkampf bevor.

Und in diesem Wahlkampf spielt eine sehr große Rolle, wer Schuld ist daran, dass diese Ampel geplatzt ist. Es war also auch ein Spiel um Verantwortung, was wir da erlebt haben. Und das unterscheidet eine politische Koalition dann doch von anderen Beziehungen.

Die Zeiten, in denen man sich sozusagen als linkeres oder rechteres Lager zusammentun konnte, sind vorbei. Das ist für die Parteien eine Herausforderung, aber liegen darin eigentlich auch positive Aspekte?

Das Parteiensystem, so wie es ist, fällt nicht vom Himmel, sondern das spiegelt Realitäten wider. Die sind eben vielschichtiger und komplexer als links und rechts. Wir haben im deutschen politischen System immer noch eine soziale und wirtschaftspolitische Dimension, die ist klassischerweise links oder rechts. Aber wir haben eben auch die Achse: Wie traditionsbewusst oder wie progressiv, modern, offen wollen wir eigentlich sein? Deswegen die Abspaltung des BSW von der Linken.

Der Vorteil davon ist: Es gibt mehr Parteien, ich kann mehr auswählen. Der Nachteil: Diese Parteien müssen sich am Ende umso mehr anstrengen, zusammenzufinden und um Mehrheiten zu organisieren.

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So wie es aussieht, gibt es nach der Bundestagswahl gar nicht so viele Optionen. Wenn die CSU ihre Ankündigung wahr macht und ein Bündnis mit den Grünen weiterhin ausschließt, bleibt vermutlich nur eine GroKo übrig.

Die Erfahrung der jüngsten Wahlen lehrt uns: Da kann sich noch viel verschieben. Oft auch unter dem Eindruck von Überlegungen: Wer soll eigentlich an der Spitze von einer bestimmten Regierung? Welches Regierungsbündnis wollen wir eigentlich als Wählerinnen? Genau diese Koalitionsüberlegungen können zum Schluss nochmals Dynamik entfalten. Gleichwohl ist richtig, dass es kompliziert werden könnte. Es ist schon seltsam, wie die GroKo gerade verklärt wird – dass das ja alles so harmonisch gewesen sei. Denn in der Zeit hat man das eigentlich sehr anders erlebt.

Zur Zeit wird relativ viel ausgeschlossen. Markus Söder habe ich gerade schon angesprochen, aber vor allem gibt es eben die Brandmauer zur AfD und den Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linken vonseiten der CDU. Beraubt man sich da nicht jeglichen Freiraums?

Ja, das stimmt natürlich. Aber man sollte auch nicht so tun, als sei das beliebig, mit wem man koaliert. Parteien sind mindestens Wettbewerber, mitunter auch Gegner innerhalb eines bestimmten Rahmens. Natürlich sind sich manche Parteien näher und andere sind sehr weit weg. Dann ist es schon ein großer Schritt, mit einer Partei der anderen Seite zu koalieren. Das hat mit Identität zu tun. Und wir haben eben inzwischen noch eine andere Form von Parteien: Wir haben Kräfte, die durchaus offensiv die Demokratie herausfordern.

Jetzt hat Österreich ein Beispiel dafür gegeben, was passieren kann, wenn man mit einer rechtspopulistischen Partei zusammengeht. Dass sie noch mehr Aufwind bekommt. Es gibt ja auch Leute, die sagen, nehmt die doch mal mit in die Regierung und dann entzaubern die sich selbst. Was ist da das richtige Mittel?

Also die Forschung würde erstmal sagen: Das Entzaubern ist sehr, sehr schwierig und klappt eigentlich nicht. Doch eine gute Alternative hat die ÖVP in Österreich nach dem Scheitern der Gespräche mit SPÖ und Neos eigentlich nicht: Zur FPÖ Nein zu sagen und stattdessen neu wählen zu lassen, würde die FPÖ noch stärker machen.

Der andere Punkt ist: Was passiert, wenn populistische Kräfte oder extremistische Kräfte regieren? Die machen dann eben auch Politik. In Polen sieht man, wie schwierig es ist, solche Beschlüsse wieder rückgängig zu machen.

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In Ostdeutschland gibt es eine ganz andere politische Farblehre. Das BSW regiert in Thüringen und in Brandenburg mit. Kommen auf den Bund auch bald Brombeerkoalitionen zu?

Nein, auf der Bundesebene leuchtet der Stern des BSW jetzt schon nicht mehr ganz so hell, wie das vor ein paar Monaten noch der Fall war. Jetzt schon an Regierungen beteiligt zu sein, ist tatsächlich eine Gefahr für das BSW. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Bündnis nicht im nächsten Deutschen Bundestag sitzt, ist praktisch gegeben.

Wenn Sie sich eine Koalition wünschen dürften, auf welche wären Sie denn neugierig?

Keine bestimmte. Als Wähler wünscht man sich ja, dass die Partei, die man gewählt hat, auch ihr Programm möglichst eins zu eins umsetzen kann. So funktioniert die Demokratie in Großbritannien, wo das Mehrheitswahlrecht für sehr klare Verhältnisse sorgt. Aber so funktioniert unsere Demokratie nicht.

Ich würde mir keine bestimmte Koalition wünschen, sondern, dass wir nicht vergessen, dass das eine große Errungenschaft ist, dass Parteien zueinanderfinden, dass sie sich immer wieder auf Kompromisse verständigen können. Das ist kein leerer Formelkompromiss, sondern eine der zentralen Leistungen von Demokratien: sich friedlich auf Dinge verständigen zu können. Kompromisse sind eine faszinierende Leistung von Demokratie. Die sollte man wertschätzen, nicht kleinreden.

Das muss dann nur dem Wähler noch klargemacht werden.

Ja. Wobei das geht, wenn der politische Wille da ist. Aber die Kraft hatte die Ampel nicht, ihre ja durchaus erzielten Kompromisse auch erfolgreich zu verkaufen.