Die Debatte ist virulent: Muss das Rentenalter weiter steigen, damit die Rente der heutigen Arbeitnehmer gesichert ist? Mit der Anhebung des Renteneinstiegsalters wäre Deutschland zwar nicht alleine im europäischen Vergleich – doch kein anderes Land hat bisher die Sieben vorne stehen. Weshalb die Rente mit 70 ohnehin kein Rezept für die Zukunft ist:

1. Ein höheres Renteneintrittsalter kann die Demografie nicht aufhalten

Ja, wir werden immer älter. Da scheint es logisch, zu fordern, dass wir dann auch später in Rente gehen soll. So argumentierte jüngst der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf – seither wird die Rente mit 70 wieder debattiert.

Doch am eigentlichen Problem ändert unsere höhere Lebenserwartung nichts: die Schieflage zwischen Arbeitnehmern und potenziellen Rentnern, die mit den Babyboomern hinzukommen, wird immer größer. Es kommen zu wenig junge Menschen auf den Arbeitsmarkt.

Statistiken zeigen, dass wir bis 2030 netto fünf bis sechs Millionen Arbeitnehmer verlieren. Diese Lücke wird weiter aufklaffen, je weniger Kinder die nachkommenden Generationen bekommen. Im vergangenen Jahrhundert fiel der Anteil von Kindern und Jugendlichen von 40 auf 21 Prozent, bis 2050 erwartet das Statistische Bundesamt noch einen Rückgang auf 16 Prozent.

2. Das Rentensystem braucht eine grundsätzlicheReform

Denn schon heute reicht vielen die Rente nicht zum Leben. Viele Rentner sind auf einen 450-Euro-Job angewiesen, um ihre Rente aufzubessern, von wegen Lebensabend genießen. Dabei geht es auch anders. Das Rentensystem der Niederlande etwa gilt als eines der besten der Welt.

Hier werden Grundrente und Betriebsrente, die verpflichtend ist, kombiniert. Der Rentner kommt auf 80 Prozent seines früheren Einkommens. In Deutschland liegt das Rentenniveau bei 48 Prozent. Hierzulande leben vier bis fünf Mal so viele ältere Menschen in Altersarmut als bei den niederländischen Nachbarn. Mit einer ähnlichen Struktur könnte das deutsche Rentensystem nachhaltig und besser aufgestellt werden.

3. Wir mögen älter werden, der Körper baut aber trotzdem ab

Gerade Arbeiter in körperlich anstrengenden Berufen sind meist gar nicht in der Lage, bis zum jetzigen Renteneintrittsalter zu arbeiten und müssen früher in Rente gehen, was mit Abschlägen verbunden ist. Dieser Effekt würde sich mit einem höheren Renteneintrittsalter noch verschärfen.

Das kritisiert auch die Gewerkschaft Verdi. Noch mehr Menschen wären dann auf einen früheren Renteneintritt angewiesen, weil sie körperlich einfach nicht mehr können. Verdi sieht darin de facto eine Rentenkürzung. Alternativ müsste man diese Menschen teuer umschulen, damit sie – irgendwie – mit über 60 Jahren, noch in einem vollkommen anderen Job Fuß fassen sollen.

Die Rente wird zum Rechenexempel: Reicht das Geld in ein paar Jahrzehnten noch zum Leben? Schon jetzt sind viele Rentner auf ...
Die Rente wird zum Rechenexempel: Reicht das Geld in ein paar Jahrzehnten noch zum Leben? Schon jetzt sind viele Rentner auf 450-Euro-Jobs angewiesen, um ihre Rente aufzubessern. | Bild: Lino Mirgeler

4. Über 60-Jährige werden es künftig nicht leichter haben, einen Job zu finden

Schon heute werden jüngere Bewerber bevorzugt – weil sie günstiger sind, lernfähiger und potenziell länger für den Arbeitgeber aktiv bleiben können. Wer würde einen 65-Jährigen noch einstellen, der seinen Job verloren hat oder ihn aufgeben musste?

Der Fachkräftemangel mag ein Argument sein, das Unternehmen umdenken lässt. Wahrscheinlicher aber ist die Suche nach jungen Fachkräften im Ausland. Die kosten im Zweifel weniger als der Fachmann mit jahrzehntelanger Erfahrung.

5. Niemand garantiert, dass wir alle so alt werden

Der Traum vom langen Leben hat jeder. Aber niemand garantiert uns, dass wir nicht am ersten Tag unserer Rente einen Herzinfarkt erleiden oder uns eine chronische Krankheit auffrisst. Wir werden älter – aber auch nicht unendlich älter.

Das Statistische Bundesamt hat ausgerechnet, dass die Lebenserwartung bis 2060 durchschnittlich noch sechs bis neun Jahre steigt. Auch deshalb sollte es erlaubt sein, nach einem ohnehin schon langen Arbeitsleben in die Rente zu gehen. Und die Zeit zu genießen, die uns noch bleibt. Arbeiten, bis wir tot umfallen, das kann nicht die Lösung sein.