Die größte Anspannung bei dieser Europawahl lag bei den Ampelparteien. Sie hofften auf Milde der Wählerinnen und Wähler, doch die schlimmsten Befürchtungen von SPD, Grünen und FDP sind eingetreten. Alle verlieren im Vergleich zur Europawahl 2019 und auch im Vergleich zur Bundestagswahl 2021. Die Ampel strauchelt weiter und die SPD befindet sich im freien Fall.
Die Sozialdemokraten unterbieten ihr bisher schlechtestes Ergebnis auf europäischer Ebene, für die einst so stolze Partei ein politisches Desaster. Kanzler Olaf Scholz hatte zugestimmt, sein Gesicht deutschlandweit auf die SPD-Plakate drucken zu lassen und dabei übersehen, dass das möglicherweise eher schadet als nutzt. Er steht in den Augen vieler Wähler für Zaudern und Zagen und ist nicht in der Lage, dieses Bild zu korrigieren. Das wäre in rosigen Zeiten vielleicht sogar noch verschmerzbar, in schwierigen aber nicht.
SPD ohne Lösungen für die Sorgen der Menschen
Die Menschen im Land haben große Sorgen, insbesondere wegen der Asyl- und Flüchtlingspolitik, und die SPD hat bisher keine schlüssigen Konzepte oder Lösungen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der deutliche Absturz der Grünen. Mit ihren Antworten zum Thema Zuwanderung und Abschiebung schaffen sie kein Vertrauen bei den Wählern und werden abgestraft. 2019 hatte das Kernthema der Partei noch einen Höhenflug ausgelöst, doch in diesem Jahr spielte die Klima- und Umweltpolitik kaum eine Rolle.
So gibt es drei Gewinner bei dieser Wahl: Die Union, die doppelt so viele Stimmen holt wie die Kanzlerpartei, das Bündnis Sahra Wagenknecht, das aus dem Stand mehr als fünf Prozent holt. Und die AfD. Zwar ist ihr Zuwachs nicht so hoch wie in der Parteispitze erhofft, doch sie ist nach der Union zweitstärkste Kraft in Deutschland und in allen neuen Bundesländern stärkste Partei. Und das, obwohl drei Landesverbände als gesichert rechtsextrem gelten und einer als rechtsextremistischer Verdachtsfall.