Die Genugtuung war Friedrich Merz am Wahlabend deutlich anzusehen. Vor sechs Jahren hatte er sich seiner CDU angedient, hatte als unterlegener Kandidat für den Parteivorsitz seine Bereitschaft erklärt, mit ganzer Kraft in die Politik zu gehen. Doch die damalige Kanzlerin Angela Merkel wollte von Merz nichts wissen.

Jetzt hat er es geschafft. Friedrich Merz ist der Gewinner der Bundestagswahl und – wenn nichts dazwischenkommt – der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Triumph allerdings ist nicht makellos und viel Zeit ihn auszukosten, hat er nicht.

Jubel fällt eher durchwachsen aus

Die „3“, sie steht ersten Zahlen zufolge nicht wie von vielen gewünscht vor dem CDU-Ergebnis. Merz fuhr eines der schlechtesten Resultate der Parteigeschichte ein. Immerhin konnte die Partei unter seiner Führung im Vergleich zur letzten Wahl ein paar Prozentpunkte zulegen. Der Jubel im Konrad-Adenauer-Haus war entsprechend nicht überbordend, mit durchwachsen war die Stimmung wohl treffend beschrieben.

CDU-Parteivize Karin Prien brachte es auf diesen Nenner: „Wir sind wieder da, nach so kurzer Zeit.“ Dass der Parteichef selbst ein wenig schlucken musste, konnte am Ablauf des Wahlabends abgelesen werden. Ursprünglich sollte er um 18.15 vor die Kameras treten, doch dann wartete er zusammen mit der Parteispitze noch die erste Hochrechnung ab.

Kein Maulkorb für Söder

Auch wenn für ihn ein Lebenstraum in Erfüllung ging, übte sich Merz bei seinem Auftritt demonstrativ in Demut. „Ich weiß um die Verantwortung. Ich weiß auch um die Dimension der Aufgabe, die jetzt vor uns liegt. Ich begegne dem mit größtem Respekt“, rief der Sauerländer aus und ergänzte: „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird.“

Dieser Satz schien ein wenig auch an den neben ihm stehenden CSU-Vorsitzenden Markus Söder gerichtet zu sein. Hätte die Union besser abgeschnitten, wäre das einem Maulkorb für den Bayer gleichgekommen. Nun jedoch wird sich Söder wohl stärker in die Geschäfte einmischen und versuchen, sowohl Positionen als auch Personal der CSU in Berlin durchzusetzen.

Das versammelte CDU-Präsidium hat sich um Merz geschart, darunter auch der Südbadener Andreas Jung (2.v.l. hinten, Wahlkreis Konstanz).
Das versammelte CDU-Präsidium hat sich um Merz geschart, darunter auch der Südbadener Andreas Jung (2.v.l. hinten, Wahlkreis Konstanz). | Bild: Christoph Soeder, dpa

Es gab ein noch nie dagewesenes Interesse ausländischer Medien an diesem Wahlabend. Wer in die rappelvolle Parteizentrale wollte, musste lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Das Interesse war auch ein Zeichen für die Erwartungshaltung, mit der das Ausland auf Deutschland blickt. Es gehe, sagte Merz selbst, nun „vor allem darum, so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung in Deutschland wieder zu schaffen mit einer guten parlamentarischen Mehrheit. Denn die Welt da draußen wartet nicht auf uns.“

Der Druck auf Merz ist enorm

Deutschland müsse wieder in Europa präsent sein und „auf der Welt wahrgenommen“ werden, erklärte Merz. Das zielte zum einen auf Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD), der das europäische Geschäft und die Pflege der Beziehungen zum wichtigen Partner Frankreich kaum vorangetrieben hat. Das zielte aber auch auf US-Präsident Donald Trump, der das globale Gefüge heftig durcheinanderwirbelt und alte Gewissheiten auf den Prüfstand stellt.

Viele Themen, um die sich Merz als wahrscheinlicher neuer Kanzler wird kümmern müssen, sind eine Mischung aus beidem. Allein schon die Außenpolitik wäre eine Mammutaufgabe für den 69-Jährigen. Doch in der Innenpolitik warten nicht minder schwere Aufgaben auf Merz, der Druck auf ihn ist enorm.

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Liefern will der Wahlsieger, und zwar schnell. Die Menschen sollen bereits mit dem Start der neuen Regierung das Gefühl haben, dass sich etwas bewegt im Land. Der mutmaßlich neue Kanzler hat sich dafür einen Zeitrahmen gesetzt, der neuen Regierungen üblicherweise zugebilligt wird: 100 Tage. In dieser Zeit will er das Migrationsthema in den Griff bekommen. Das Bürgergeld soll weg. Die Wirtschaft wartet auf klare Ansagen.

Aus dem Ergebnis, erklärte etwa Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes „Die Familienunternehmer“ noch am Wahlabend, folge „ein klarer Auftrag für eine Wirtschaftswende. Ohne bessere Wirtschaftspolitik drohen Deutschland wirtschaftlich und politisch dramatische Verhältnisse.“

Vorgespräche mit Grünen und SPD laufen

Bevor er das umsetzen kann, steht noch die Regierungsbildung an. Auf „langatmige Koalitionsgespräche und Verhandlungen“ will sich Merz gar nicht erst einlassen. Vorgespräche mit Grünen und SPD laufen bereits seit Wochen. Das würde für eine schnelle Regierungsbildung sprechen. Bloß mit wem? Am Sonntag ließ sich Merz noch nicht aus der Reserve locken. Er werde „mit allen in Frage kommenden Parteien der demokratischen Mitte unseres Landes“ reden, sagte er.

Kommende Woche wird in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt. Bis dahin sind keine offiziellen Sondierungsgespräche zu erwarten. Aber danach soll es sofort losgehen. Er hoffe, sagte Merz, dass wir „spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig sind“.