Gibt es eine Chance, dass die mehr als 200 toten und vorwiegend aus Südbaden stammenden Soldaten des Reserve-Infanterieregiments (RIR) 111 aus dem Winterbergtunnel in der französischen Picardie geborgen werden? Dirk Backen, der neue Generalsekretär des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, gibt sich im Konstanzer Konzil bei dieser Frage zwar nicht als Optimist, sondern eher als Realist. Aber Backen betont den Willen, zu einem Erfolg zu kommen: „Wir müssen das Allerletzte versucht haben, um die Toten zu bergen.“

Das Ziel, im Waldgebiet bei Craonne am Fluß Aisne für eine würdevolle Bestattung der Toten zu sorgen, nachdem ein erster Sondierungsversuch im April abgebrochen werden musste, ist beim Volksbund also vorhanden. Diese Botschaft brachte Dirk Backen zum jüngsten Bezirksvertretertag Südbaden-Südwürttemberg des Volksbundes nach Konstanz mit, und er wurde auch konkret: Im kommenden August werden sich die Volksbund-Spezialisten nochmals auf den Weg nach Ostfrankreich machen, um zu erkunden, ob doch noch ein Zugang zu dem Stollensystem gefunden werden kann, in dem mehrere Hundert Tote seit 104 Jahren liegen.
Gibt es einen alternativen Zugang?
„Wir wollen das zumindest probiert haben“, sagt Backen, der als Brigadegeneral bei der Bundeswehr ausschied. Druckvoll an einer gestellten Aufgabe dranzubleiben, hat der Norddeutsche also gelernt. Auf Nachfrage des SÜDKURIER spricht er von einer Möglichkeit, einen alternativen Zugang zum Tunnel zu finden. „Am ehesten ist er vermutlich in der Nähe des früheren Bataillonsgefechtsstands zu finden“, so der Ex-Militär.
Die Grabung im April hatte dort angesetzt, wo eine Gruppe junger französischer Militaria-Sammler im vergangenen Jahr mit einem Bagger illegal ins Erdreich vorgedrungen war. Der Volksbund und seine französischen Partner vertieften die Öffnung auf acht Meter und stießen auf der Sohle auf die Schienen einer Feldbahn, die deutsche Soldaten gebaut hatten, um Material – darunter große Mengen Munition – in den Tunnel zu bringen.

Das sollte zu Ihrem Verhängnis führen. Beim französischen Artilleriebeschuss am 4. Mai 1917 explodierten die deutschen Munitionsvorräte, und der Tunneleingang wurde verschüttet. Dieses Ereignis trug zum Misserfolg der Grabung im April bei. „Je mehr wir uns dem Tunneleingang näherten, desto größer wurde das Kaliber der im Erdreich verborgenen Munitionsreste“, berichtet Dirk Backen. Erschwerend seien die ständigen Rutschungen des lockeren sandigen Bodens hinzugekommen. „Die Spundwände, die wir eingebaut haben, konnten das nicht verhindern“, so der Volksbund-Generalsekretär.
Einstufung als offizielle Kriegsgräberstätte geplant
Gelänge es allerdings nicht, einen Zugang in den Tunnel zu finden und die Männer des RIR 111 herauszuholen, wolle man zusammen mit den französischen Stellen eine würdige Gedenklösung finden, so Backen. Um die dazu nötigen finanziellen Mittel bereitstellen zu können, soll das Areal um den Winterbergtunnel als offizielle Kriegsgräberstätte eingestuft werden, wie der Konstanzer CDU-Politiker und Bundestagsabgeordnete Andreas Jung mitteilte.
In diesem Fall würden Gelder aus dem Bundeshaushalt fließen, was auch den Bau eines Historials als Lernort für Besucher entgegenkäme. Diese Idee hatte Jung kürzlich ins Spiel gebraucht, nachdem er das Thema Winterbergtunnel durch eine Initiative der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung im gemeinsamen Ministerrat der beiden Länder platziert hatte.
Frank Hämmerle ist neuer Volksbund-Bezirkschef
Vor dem Hintergrund des großen öffentlichen Interesses betrachtet auch der CDU-Politiker Guido Wolf, Landesvorsitzender des Volksbundes, ein Gedenken am Winterbergtunnel als wichtigen künftigen Teil der Friedens- und Erinnerungsarbeit, für die der Volksbund Verantwortung trage.
Dessen Bezirk Südbaden-Südwürttemberg wird künftig von Frank Hämmerle, dem früheren Konstanzer Landrat, geführt, der im Konzil einstimmig in sein neues Amt gewählt wurde. Hämmerle folgt Sven von Ungern-Sternberg nach, der den Bezirk 14 Jahre lang geleitet hat. Einen Vorschlag aus dem Kreis der Delegierten aufgreifend, will sich Frank Hämmerle dafür verwenden, dass künftig auch an der Volksbund-Arbeit beteiligte Jugendliche in den vorwiegend männlichen und im Ehrenamt ergrauten Gremien repräsentiert sind.

Den für das Engagement in der Kriegsgräberfürsorge oft nützlichen militärischen Stallgeruch bringt Hämmerle jedenfalls mit: Er diente einst zwei Jahre lang als Zeitsoldat bei der Luftwaffe und schied nach vielen Übungen im Rang eines Hauptmanns der Reserve aus der Truppe aus.