Sechzig Minuten hat Wladimir Putin geredet. Sechzig Minuten, in denen klar wurde, dass der Kremlchef seine Entscheidung längst getroffen hat. Sechzig Minuten, in denen sich alle Friedenshoffnungen, Gesprächsangebote und Moskau-Reisen als Illusion entpuppten.

Russlands Präsident, so zeigt seine Wutrede, hatte nie vor zu verhandeln, weil es über sein Ziel nichts zu verhandeln gibt: Putin will die Ukraine zerschlagen, die Landkarte in Osteuropa neu zeichnen und dem Rest der Welt klar machen, dass man es mit einem neuen Russland zu tun hat.

Dieser Staat kümmert sich nicht um Völkerrecht, Staatsgrenzen und Vertragswerke, sondern nimmt sich, was er will. Wenn es sein muss, mit Waffengewalt.

Wladimir Putin hat mit seiner Rede die Welt aufgeschreckt – und sein wahren Absichten preisgegeben.
Wladimir Putin hat mit seiner Rede die Welt aufgeschreckt – und sein wahren Absichten preisgegeben. | Bild: Alexei Nikolsky/POOL Sputnik Kremlin via AP/dpa

Ist er also da, der große Krieg, vor dem sich Europa seit Wochen fürchtet? So klar Putin in seiner Absichtserklärung ist, so undurchsichtig bleibt er in seinem Vorgehen. Wie bei der Besetzung der Krim vor acht Jahren rücken seine Streitkräfte diskret vor: Bloß keine Spuren hinterlassen, bloß keinen Anlass für eine eindeutige Antwort geben.

Putin spricht von der Anerkennung der abtrünnigen Gebiete im Osten der Ukraine und meint die Ausdehnung des russischen Staatsgebiets auf Kosten des Nachbarlandes. Er spricht von Friedenstruppen und meint eine Besatzungsarmee. Was mit der Krim begann, setzt sich im Donbass-Becken fort – nur größer, härter, zielgerichteter.

Die USA können der Ukraine nicht helfen

Der Westen tut sich damit sichtlich schwer. Ist das jetzt schon eine Invasion, wenn irgendwo am Stadtrand im Osten der Ukraine eine Panzerkolonne vorrückt? Tatsache ist, dass die USA und ihre Verbündeten der Ukraine nicht helfen können. Die Strategie der Nato-Staaten, Moskau mit Sanktionsdrohungen von einem Angriff abzuschrecken, ist gescheitert.

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Militärischer Beistand kommt nicht in Frage, da das Land nicht Mitglied der Nato ist. Waffenhilfe kommt zu spät, weil die ukrainischen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld gegen Putins Armee keine ernsthafte Chance haben.

Was bleibt, ist der Versuch, den wirtschaftlichen Preis für diese Invasion deutlich höher zu schrauben als bisher, um dem russischen Expansionsdrang wenigstens halbwegs Grenzen zu setzen. Der Westen zeigt sich in diesem Konflikt unter Führung der USA überraschend geschlossen. Putins Versuch einer Spaltung ist nicht aufgegangen. Wenigstens das ist tröstlich.