Über 200 Menschen wurden von der Hamas nach Angaben der israelischen Armee in den Gazastreifen verschleppt. Von den Geiseln haben mehrere neben der israelischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Das Auswärtige Amt spricht von insgesamt acht Fällen, wobei ein Fall auch mehrere Familienmitglieder umfassen kann.

Auf einer Kundgebung in Berlin schilderten Angehörige das Schicksal der Geiseln und forderten Deutschland zum Handeln auf. „Die Zeit drängt“, sagte die Schwester der Deutsch-Israelin Yarden Romann. „85 Jahre, nachdem meine Großmutter aus Deutschland geflohen ist, komme ich hierher und bitte um Hilfe“, sagte die junge Frau. „Wir müssen handeln, Deutschland muss handeln.“

Mittlerweile hat die Hamas vier Geiseln freigelassen – zwei US-Bürgerinnen und zwei Israelinnen. Was über die deutschen Geiseln bislang bekannt ist.

Shani Louk

Die 22-Jährige wird seit dem Hamas-Massaker bei einem Rave-Festival in der Negev-Wüste im Süden Israels vermisst, doch ist ihre Mutter Ricarda Louk überzeugt, dass sie noch lebt und mit schweren Kopfverletzungen in einem Krankenhaus in Gaza liegt.

Ricarda Louk erkannte ihre Tochter auf einem Video, auf dem die 22-Jährige halbnackt auf einem Pick-Up zwischen mehreren Hamas-Männern offenbar im Gazastreifen zu sehen ist, mit dem Gesicht zum Boden, die Beine verdreht.

Shani Louk hat Familie im Schwarzwald, ihre Mutter wurde in Ravensburg geboren. Ricarda Louk beschreibt ihre Tochter als „lebensfroh und friedliebend“, die gerne tanze und Musikfestivals besuche. Nach Angaben eines Freunds arbeitet die gelernte Tätowiererin seit zwei Jahren als Kellnerin in einem Restaurant in Tel Aviv und ist wegen ihrer „witzigen und lebhaften“ Art bei den Kollegen sehr beliebt.

Die Cousine von Shani Louk spricht nach einem Treffen mit Israels Premier Netanjahu mit Journalisten
Die Cousine von Shani Louk spricht nach einem Treffen mit Israels Premier Netanjahu mit Journalisten | Bild: Thomas Coex, AFP

Als Bundeskanzler Olaf Scholz sich bei seinem Besuch in Israel auch mit Angehörigen der Geiseln in Tel Aviv traf, standen Freunde von Shani Louk vor der Botschaft mit einem Plakat: „Only Scholz can save Shani“ – „Nur Scholz kann Shani retten“. „Wir hoffen, dass Bundeskanzler Scholz wirklich einen Unterschied machen und die Geiseln befreien kann“, sagte Ricarda Louk der AFP.

Shani Louk hat laut „Spiegel“ die deutsche und die israelische Staatsbürgerschaft und war mehrfach zu Besuch bei ihren Großeltern in Ravensburg in Baden-Württemberg. Ihre Mutter, eine Katholikin, die später zum Judentum konvertierte, war demnach nach Israel ausgewandert. Der jüdische Vater ist Israeli.

Yarden Romann

Die 35-jährige Deutsch-Israelin hielt sich nach Angaben ihrer Familie während des Hamas-Überfalls gemeinsam mit ihrem Mann Alon und ihrer dreieinhalbjährigen Tochter Gefen zu einem Besuch bei ihren Schwiegereltern im Kibbuz Beeri auf.

Die radikalislamischen Kämpfer drangen in den Schutzraum der Familie ein und verschleppten Yarden, Alon und Gefen aus dem Kibbuz. Auf dem Weg in den Gazastreifen gelang es dem Paar zunächst, gemeinsam mit ihrer Tochter aus dem Fahrzeug ihrer Entführer zu springen und zu fliehen, wie ihre Angehörigen deutschen Medien berichteten.

Die Deutsch-Israelin Yarden Romann mit ihrer dreijährigen Tochter Gefen.
Die Deutsch-Israelin Yarden Romann mit ihrer dreijährigen Tochter Gefen. | Bild: Roni Romann/dpa

Demnach trennte sich Yarden aber von ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter, weil sie zu langsam war. Während sich Alon und Gefen erfolgreich verstecken konnten, ist Yarden seither verschwunden – und auch von ihrer Schwiegermutter und ihrer Schwägerin fehlt jede Spur. Die Familie hofft, dass alle drei Frauen als Geiseln der Hamas noch am Leben sind.

Shoshan Haran

Bei dem Überfall auf den Kibbuz Beeri wurden auch die Wissenschaftlerin Shoshan Haran und neun ihrer Familienmitglieder verschleppt. Die Opfer sind nach Angaben von Freunden und Angehörigen drei bis 65 Jahre alt, das jüngste ist Harans Enkeltochter. Laut „Jüdischer Allgemeine“ ist Shoshan Haran deutsche Staatsbürgerin, ebenso wie drei weitere Angehörige. Zwei Opfer haben demnach die italienische und ein weiteres die österreichische Staatsbürgerschaft.

Familienmitglieder versuchten nach eigenen Angaben immer wieder, ihre vermissten Angehörigen über Handy zu erreichen. Ein Handy der Vermissten ließ sich demnach im Gazastreifen lokalisieren.

Die deutsch-Israelin Noam Har Tzvi zeigt in Genf ein Bild ihrer Freundin Shoshan Haran
Die deutsch-Israelin Noam Har Tzvi zeigt in Genf ein Bild ihrer Freundin Shoshan Haran | Bild: Fabrice Coffrini, AFP

Schließlich meldete sich einer Erklärung der Angehörigen und Freunde zufolge eine Stimme am Telefon und sagte nur drei Worte mit arabischem Akzent auf Hebräisch: „Gilad Schalit Gaza“ – eine klare Anspielung auf einen im Jahr 2006 entführten israelischen Soldaten, der erst fünf Jahre später im Zuge eines Gefangenenaustauschs wieder freikam.

Shoshan Haran ist deutsche Fullbright-Stipendiatin, Gründerin der internationalen Nichtregierungsorganisation Fair Planet und setzte sich den Angaben zufolge dafür ein, dass westliche Unternehmen ihre Patente für ertragreiches Saatgut und lebensverändernde Biotechnologie mit Ländern in Afrika teilen.

Doron Asher

Der Israeli Yoni Asher ist davon überzeugt, dass seine Frau Doron ebenfalls von der Hamas verschleppt wurde. Der 37-Jährige hat nach eigenen Angaben auf einem Geisel-Video der Hamas seine Frau sowie seine beiden fünf und knapp drei Jahre alten Töchter Raz und Aviv erkannt.

Angehörige von Geiseln, die während des Hamas-Angriffs entführt wurden, sprechen auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem ...
Angehörige von Geiseln, die während des Hamas-Angriffs entführt wurden, sprechen auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem Bundeskanzler Scholz in der deutschen Botschaft in Tel Aviv: Gili Roman (l-r), Yoni Asher, Efrat Machikawa, Channa Cohen, Shaked Haran und Ricardo Louk . | Bild: Ilia Yefimovich/dpa

Ashers 34-jährige Frau und seine beiden kleinen Töchter waren zu Besuch bei seiner Schwiegermutter im Kibbuz Nir Oz in der Nähe des Gazastreifens, als die Hamas am 7. Oktober ihren Großangriff auf Israel startete.

Inzwischen hat die israelische Armee bestätigt, dass die Schwiegermutter noch am selben Tag getötet wurde. Von Doron, Raz und Aviv hat Asher seit dem Geisel-Video kein Lebenszeichen mehr erhalten.

Margalit und Gadi Moses

Auch die 77-jährige Margalit Moses und ihr 79-jähriger Mann Gadi wurden vermutlich als Geiseln aus Nir Oz in den Gazastreifen verschleppt. Nach Angaben ihres Bruders Chanan Cohan leidet Margalit Moses an Krebs und ist schwerkrank.

Plakate mit Bildern von verschleppten Geiseln hängen in Berlin – auf ihnen ist auch Gadi Moses zu sehen
Plakate mit Bildern von verschleppten Geiseln hängen in Berlin – auf ihnen ist auch Gadi Moses zu sehen | Bild: John Macdougall, AFP

Der 85-Jährige, der als Sohn deutscher Siedler im damals noch britischen Mandatsgebiet Palästina geboren wurde, arbeitete mehrere Jahre in Deutschland. Ihm zufolge haben alle Angehörigen einen deutschen Pass. Cohen versichert, seine Schwester, ihr Mann und die gesamte Familie hätten sich stets für den Frieden eingesetzt. (AFP)