Ein guter Berater macht sich unsichtbar, er überlässt das Rampenlicht seinem Auftraggeber und hält sich selbst diskret im Hintergrund. In der Wirtschaft verdienen gute Berater damit viel Geld – in der Politik ist ein Teil ihres Lohns die Nähe zur Macht. Wo andere draußen bleiben müssen, sind sie mit dabei. Auch jetzt, in Elmau.

Jens Plötner, der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, ist unter den Kanzlerflüsterern neben dem Ökonomen Jörg Kukies der vielleicht einflussreichste – und neuerdings auch der umstrittenste, seit er bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin so klang, als fehle es der deutschen Außenpolitik noch immer an der nötigen Härte im Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin.

Stets an seiner Seite: Berater Jens Plötner (links) begleitet Bundeskanzler Olaf Scholz auf allen Reisen, wie hier zur Sitzung der ...
Stets an seiner Seite: Berater Jens Plötner (links) begleitet Bundeskanzler Olaf Scholz auf allen Reisen, wie hier zur Sitzung der G7-Staaten im Nato-Hauptquartier im März in Brüssel. | Bild: Michael Kappeler/dpa

Mit 20 Panzern vom Typ Marder, beschwerte sich Plötner da, könne man viele Zeitungsseiten füllen. „Aber größere Artikel darüber, wie das künftige Verhältnis zu Russland sein wird, gibt es weniger.“ Dabei sei dies „eine genauso spannende und relevante Frage.“ Und überhaupt: Nur weil ein Land wie die Ukraine angegriffen werde, sei es nicht automatisch ein besserer Rechtsstaat. Ob er als Berater des Kanzlers sprach oder als Privatmann, blieb unklar.

Plötners Aussagen sorgten in der politischen Landschaft für ein Beben. Seine Ansichten repräsentierten ein „Denken, das uns in den letzten Jahrzehnten in diese furchtbare Situation gebracht hat“, unterstrich laut „Münchner Merkur“ beispielsweise die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. „Es ist doch nicht die Zeit, um liebevoll über Russland nachzudenken, sondern der Ukraine zu helfen.“

Der Mann für die großen Krisen

Jens Plötner, 54 Jahre, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hat eine Karriere wie aus dem Bilderbuch hinter sich. Der gelernte Jurist trat 1994 in den diplomatischen Dienst ein, er war Büroleiter des Außenministers Frank-Walter Steinmeier, Sprecher des Auswärtigen Amts, Botschafter in Sri Lanka, Tunesien und Griechenland – und als Politischer Direktor der vielleicht einflussreichste Beamte des Ministeriums, zuständig vor allem für die großen Krisen der Welt.

In der Ukraine allerdings gilt Plötner als Miterfinder von Steinmeiers allzu sorgloser Russland-Politik und als Mitverantwortlicher dafür, dass Waffenlieferungen aus Deutschland immer etwas länger dauern.

Jens Plötner beriet auch schon Frank-Walter Steinmeier, als dieser noch Außenminister war.
Jens Plötner beriet auch schon Frank-Walter Steinmeier, als dieser noch Außenminister war. | Bild: Jacek Turczyk/epa/dpa

Noch Anfang April hatte Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine höchst bedenkliche politische Nähe zu Russland vorgeworfen. „Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht. Auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle“, sagte Melnyk in einem Interview.

Deutschland habe weiter zu viele Eigeninteressen in Bezug auf Russland, etwa die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle, so Melnyks Vorwurf. Schuld daran sei auch Steinmeiers Agieren als Kanzleramtschef und später als Außenminister.

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„Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben“, sagte Melnyk – und nannte namentlich den außenpolitischen Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jens Plötner, und den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis. Hinzu kämen viele wichtige Botschafter.

Doch während sein früherer Chef Steinmeier seine eigene Rolle inzwischen durchaus kritisch sieht, verteidigte Plötner den damaligen Kurs vor Kurzem noch in einem Interview: „Zu versuchen, eine Sicherheitsarchitektur aufzubauen mit Russland, das war alle Energie wert.“

In Elmau allerdings agiert er nach der Aufregung der vergangenen Tage wieder, wie ein Politiker es von einem Berater erwartet – er bleibt im Off. Aus Gesprächen mit Jens Plötner darf nicht zitiert werden.