Österreich hat vorgemacht, was Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) nun auch für Deutschland ins Spiel bringt: Die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung. Während Bas damit eine stabilere Finanzierung der Rentenkasse anstrebt, gehen die Meinungen über den Nutzen jedoch weit auseinander – sowohl politisch als auch unter Fachleuten. Ein Blick nach Wien offenbart: Was auf den ersten Blick nach einem Vorbild aussieht, bringt bei genauerer Betrachtung erhebliche Herausforderungen und Kosten mit sich.
Rente wie in Österreich? Das plant Bärbel Bas für Deutschland
Der Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, Beamte, Selbstständige und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, soll der Tagesschau zufolge im Kern die Finanzierungsbasis der deutschen Rente verbreitern und dem demografischen Druck auf die Kassen entgegenwirken.
Die Deutsche Rentenversicherung unterstützt eine rasche Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rente, da dies kurzfristig Einnahmen bringt, ohne sofort neue Leistungsansprüche zu erzeugen. Bei Beamten hingegen sei der Effekt viel langfristiger – „kein Sprint, sondern ein Berufsleben“, wie Präsidentin Gundula Roßbach formuliert und in einem Beitrag der Mediengruppe Bayern zitiert wird.
Das vorgeschlagene Modell wird häufig mit dem Österreichs verglichen. Doch die Umstellung hat in der Alpenrepublik einige Jahre gedauert und zahlreiche Änderungen notwendig gemacht.
Rente in Österreich - So wurde das System reformiert
Seit Anfang der 2000er-Jahre hat Österreich seine Politik hinsichtlich der Rente, die dort als Pension bezeichnet wird, reformiert. Beamte werden dort nicht mehr grundsätzlich besser gestellt als Angestellte – ihre Pensionen orientieren sich nun an den über das ganze Berufsleben erworbenen Einkommen und nicht mehr am letzten Gehalt.
Die Einbindung von Selbstständigen – auch aus Landwirtschaft und Handwerk – gehört seit Langem zum System. Und tatsächlich ist der staatliche Aufwand für Beamtenpensionen in Österreich deutlich gesunken: Von drei Prozent des BIP auf voraussichtlich 0,6 Prozent bis 2070, wie es in einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) heißt.
Konkret hat Österreich laut der FAZ, die sich auf eine DIW-Analyse bezieht, und einem Beitrag der Hans-Böckler-Stiftung, folgende Schritte unternommen, um sein System zu reformieren:
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Bemessungsgrundlage geändert: Statt sich wie früher am letzten Gehalt zu orientieren, basiert die Pension nun auf dem Durchschnitt der Einkommen über das gesamte Erwerbsleben – genau wie bei Angestellten. Diese Umstellung wirkt sich allerdings mindernd auf die Höhe der Pension aus.
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Höchstgrenzen eingeführt: Für sehr hohe Pensionen wurde ein Höchstbetrag in der Pensionsversicherung festgelegt. Wie stark das einzelne Ansprüche reduziert, lässt sich laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) allerdings schwer beziffern – auch wegen umfassender Übergangsregelungen.
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Reduzierte Verbeamtungspolitik: Zeitgleich verfolgte Österreich eine deutlich restriktivere Einstellungspolitik, wodurch die Zahl der verbeamteten Staatsdiener sank. Viele wurden stattdessen als Angestellte geführt – mit entsprechenden Auswirkungen: geringere Pensionsansprüche, aber höhere Beitragszahlungen in die gesetzliche Versicherung.
Diese Reformen haben den österreichischen Staatshaushalt, wie oben bereits erwähnt, deutlich entlastet – doch sie sind das Ergebnis eines langen politischen Prozesses mit tiefgreifenden strukturellen Änderungen. Und diese gehen nicht ohne Nachwirkungen einher, die nicht von allen Seiten positiv gesehen werden. So kommt es etwa zu längeren Wartezeiten auf Pensionsansprüche und einem – im internationalen Vergleich – recht hohen Beitragssatz.
Dieser liegt Stand Mai 2025 bei 18,6 Prozent des Bruttolohns in Deutschland und in Österreich bei 22,8 Prozent. Dies ist der Regierungswebsite Österreichs zu entnehmen. Da sich auch in Österreich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beitragssätze zur Pension beziehungsweise Rente hälftig teilen, gehen in Österreich vom Bruttolohn also 11,4 Prozent für Arbeitnehmer ab, während es in Deutschland nur 9,3 Prozent sind.
Rente: Deutschland schaut nach Österreich – aber kann das funktionieren?
Um das Rentensystem von Deutschland an jenes in Österreich anzugleichen, müsste ein kompletter Umbau der Alterssicherung erfolgen. Finanziell müsste die Bundesregierung bereit sein, diese Übergangsphase zunächst massiv gegenzufinanzieren: Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) käme eine sofortige Überführung aller rund 1,9 Millionen Beamten in die Rentenversicherung den öffentlichen Haushalten auf bis zu 20 Milliarden Euro jährlich zu stehen. Selbst bei hälftiger Kostenübernahme durch die Beamten wären es noch zehn Milliarden Euro, worauf auch das Portal der Deutschen Rentenversicherung ihre-vorsorge.de hinweist. Denn, während weiterhin Pensionen gezahlt werden müssten, fielen parallel Beiträge in die Rentenkasse an – ein klassischer doppelter Aufwand.
Nach Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung würde ein solcher Systemwechsel mindestens ein komplettes Berufsleben in Anspruch nehmen. Das deckt sich mit den Erfahrungen aus Österreich, wo die Reformen ab den frühen 2000er-Jahren schrittweise eingeführt wurden und deren finanzielle Effekte erst langfristig sichtbar wurden. Die Hans-Böckler-Stiftung spricht von einem Jahrzehnte umfassenden Umbauprozess, der politische Stabilität, klare gesetzliche Regelungen und eine breite gesellschaftliche Debatte voraussetzt.
In der Praxis heißt das: Würde Deutschland jetzt beginnen, neue Beamte in die Rentenversicherung aufzunehmen und bestehende Ansprüche bestehen lassen, könnten erste messbare Effekte frühestens in 15 bis 20 Jahren eintreten. Die von Christine Mayrhuber (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) für Österreich prognostizierte Reduktion der Pensionsausgaben – von drei auf 0,6 Prozent des BIP – wird sogar erst bis 2070 vollständig sichtbar.
Eine Umstellung des deutschen Systems brächte laut der Hans-Böckler-Stifung und dem IW folgende Vor- und Nachteile mit sich:
Vorteile:
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Breitere Finanzierungsbasis: Durch die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen würden mehr Einkommensgruppen in das Umlagesystem einzahlen – insbesondere auch höher Verdienende.
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Stärkere soziale Gerechtigkeit: Die Trennung zwischen privilegierten Beamtenpensionen und der normalen Rentenversicherung würde zumindest langfristig aufgeweicht. Das System würde insgesamt als fairer empfunden.
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Konsolidierung staatlicher Ausgaben: Langfristig könnte der Staat Milliarden einsparen, wenn die heutigen Pensionsansprüche allmählich auslaufen und neue Staatsdiener reguläre Rentenansprüche aufbauen – so wie in Österreich geschehen.
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Erhöhung der Durchschnittsrenten durch breitere Beitragseinzahlungen.
Nachteile:
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Hohe Übergangskosten: Der Staat müsste jahrzehntelang sowohl für bestehende Pensionen als auch für neue Beiträge aufkommen.
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Verfassungs- und Besitzstandsfragen: Bestehende Beamtenansprüche lassen sich nicht einfach ändern, ohne juristische Konflikte zu riskieren. Viele Beamte haben sich bewusst für die Pensionsversorgung entschieden.
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Nettoeinbußen für Beamte: Werden Beamte beitragspflichtig, sinkt ihr Nettoeinkommen – es sei denn, der Staat gleicht es durch höhere Bruttogehälter aus, was die Reform erneut verteuern würde.
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Keine kurzfristige Lösung: Die demografischen Probleme der gesetzlichen Rente – vor allem die Überalterung – werden durch diesen Umbau nicht sofort behoben.
Ob Deutschland dem österreichischen Modell folgen sollte, ist vorwiegend eine politische Grundsatzentscheidung. Die Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung mag langfristig finanzielle Vorteile bringen und das Gefühl von Gerechtigkeit im System stärken. Doch der Weg dorthin ist lang, teuer und konfliktbehaftet, wie besonders die Hochrechnungen des IW zeigen.
Die Regierung müsste nicht nur Milliarden bereitstellen, sondern auch tief in bestehende Besitzstände eingreifen – und dem Steuerzahler Antworten geben, was dieser Umbau konkret bedeutet: etwa geringere Beamtenpensionen, höhere Steuerlast oder längere Übergangszeiten.